Film

Fasolákia
von Maximilian Karakatsanis
DE 2023 | 39 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 47
10.11.2023

Diskussion
Podium: Maximilian Karakatsanis
Moderation: Therese Koppe
Protokoll: Maxi Braun

Synopse

„Arbeit. Beton. Diese Zeit.“ Über Meereswogen und Bergpanoramen legen sich Erzählungen von einem Leben als sogenannter „Gastarbeiter“. 1962 kam der Opa des Filmemachers aus einem griechischen Dorf nach Köln. Dort, in Pyrgos, erinnern alte Freunde und Verwandte an frühere Zeiten. Ihr Blick auf das sonnendurchflutete Tal fällt durch eigens aus Deutschland mitgebrachte Fenster. Begleitet vom Zirpen der Grillen verweben sich Vergangenes und Gegenwärtiges, hier und dort.

Protokoll

Grüne Bohnen in Tomatensauce, mit viel Olivenöl. Das ist es, was nach „Fasolákia“ hängen bleibt und es ist nicht der üblichen Mangelernährung der Filmfestivalsituation geschuldet. Für den Regisseur ist dieses titelgebende Lieblingsrezept eng mit der Erinnerung an seinen Großvater Andreas verknüpft, der es zubereiten konnte wie niemand sonst. Jede:r kennt das von sich selbst, wenn Essen, Musik und Gerüche aus der Kindheit die stärksten Emotionen triggern, meist nostalgisch verfärbt. Eine nostalgische Färbung durchzieht auch Karakatsanis’ Film. Chronologisch folgen wir darin Andreas’ Erzählungen durch seine Biografie: Vom Aufwachsen in einem Dorf auf der Peloponnes Anfang der 1930er Jahre, dem Einfallen deutscher Soldaten im Zweiten Weltkrieg und der Entscheidung, in den 1970er Jahren in die Bundesrepublik Deutschland zu gehen. 30 Jahre lang malocht er dort auf dem Bau, lernt seine Frau kennen, bekommt Kinder und Enkel. Nach Griechenland kehrt er nie mehr zurück. Durchbrochen von Momentaufnahmen vom leeren Haus des Großvaters in Deutschland und Amateurfilmen im Familienkreis. Visuell schwelgt Karakatsanis jedoch die meiste Zeit in pittoresken Landschaftspanoramen von Bergen, Dorfstraßen und Olivenhainen,

Die Interviewaufzeichnungen hat der Enkel 2016 aufgenommen, das Thema in seinem Kurzfilm „Ewig Gast“ (2019) bereits aufgegriffen, aber laut eigener Aussage noch nicht auserzählt. Selbst zu sehen ist sein Großvater im Film nur kurz in den Amateurfilmaufnahmen. Stattdessen sieht man seinen guten Freund Nikos, der auch spricht und einen ähnlich rheinischen Einschlag in seinem Deutsch hat wie Andreas, was verwirrend ist. Das geht auch Serpil Turhan so, die sich mit „Köy“ selbst filmisch dem kurdischen Dorf ihrer Familie und Kindheit sowie den Erinnerungen an ihre Großmutter genähert hat. Ein Vergleich, der sich aufdrängt. Wo Turhan aber ihr Dorf durch die Augen  verschiedener Generationen von Frauen zeigt, selbst eine ambivalente Haltung dazu einnimmt und offenbart, dass es sich um einen konstruierten Sehnsuchtsort handelt, verweilt Karakatsanis in seinen leuchtenden Kindheitserinnerungen.

Von Therese Koppe auf diese Tonalität der Bildsprache angesprochen, rekurriert der Filmemacher auf seine Sommer im Heimatdorf des Großvaters. Für den Film habe er sich an die schönsten Orte und die Tageszeit für das beste Licht erinnert. Die Begriffe Kitsch oder Postkartenidylle fallen zwar nicht, aber ein gewisses Unbehagen angesichts der warm-verklärten Naturpanoramen ist spürbar, die Bildgestaltung wird mehrfach als „romantisierend“ bezeichnet. Besonders irritierend ist das Passepartout, das Karakatsanis für Andreas’ Schilderungen über den Zweiten Weltkrieg dient. Es handele sich dabei laut seiner Recherche um die Orte, die die Deutschen tatsächlich durchquerten, bevor sie ein paar Kilometer bei einem Massaker an 800 Dorfbewohner:innen ermordeten. Karakatsanis findet dort heute friedlich im Wind rauschende Olivenhaine vor. Wie die Inszenierung im buchstäblichen Licht seiner eigenen Erinnerungen so die Biografie seines Großvaters überlagert, wirkt befremdlich

Annette Brauerhoch interessiert sich für die Entscheidung, analog auf 16mm zu drehen, fragt aber auch, warum der Film dann nicht konsequenterweise projiziert statt digital vorgeführt wurde. Karakatsanis spricht von seiner Faszination für den analogen Film und die sich dadurch ergebenen Limitierungen. Er selbst sei filmisch digital unterwegs gewesen und habe die Gelegenheit genutzt, an der Kunsthochschule für Medien mit Analogmaterial zu experimentieren. Eine Projektion sei nach der Montage technisch nicht mehr möglich gewesen. Er kommt dann noch einmal selbst auf die Bildsprache zurück und gibt zu: „Wenn die Bilder dank 16mm noch ein bisschen wärmer oder romantisierend wirken, ist das für mich die cherry on top.“

Einen nach vorne in die Zukunft gerichteten Blick erkennt Can Ünlü – mit seinem Film „Daidai“, der Erinnerungen an seinen Onkel verarbeitet, auch Teil des diesjährigen Programms – in einer Szene mit Karakatsanis’ jungen Cousin Giorgos, der darin das Basketballtrikot von Giannis Antetokounmpo trägt. Ünlü überlegt, ob sich in der Verehrung des griechischen Basketballstars, der es bis in die NBA geschafft hat, nicht in der Gegenwart die einstigen Hoffnungen des Großvaters wiederholen, im Ausland ein besseres Leben zu führen? Karakatsanis war das gar nicht aufgefallen, kommt bei der Gelegenheit aber auf die Menschenleere in seinen Bildkompositionen zu sprechen, die doch eine Spur von Reibung und Kritik erzeugen. Das Dorf schrumpfe, vor allem junge Menschen würden nach Athen oder ins Ausland gehen. Die legendären Partys von damals kenne er nur aus den begeisterten Erzählungen seiner Mutter über rauschende Dorffeste.

Da ist sie wieder, diese Nostalgie. Eigentlich lautet Karakatsanis Antwort auf die meisten Fragen nach seinen künstlerischen Entscheidungen, dass er versucht habe, nach dem Tod des Großvaters dessen „Spuren festzuhalten, die dabei waren, mir durch die Finger zu gleiten“. Was in sich konsistent wirkt und auf einer persönlichen Ebene auch nachvollziehbar und legitim ist, dient dem Filmgespräch nicht. Die Festivalausgabe durchzieht ohnehin als roter Faden, dass viele Filmemacher:innen ihre Arbeit nicht erklären, sondern sich auf ihre Autor:innenschaft zurückziehen, was schade ist. Denn mit „Man hätte es anders machen können aber ich habe es eben so gemacht, weil es sich richtig anfühlte“ wäre dann auch schon alles gesagt.