Film

Background
von Khaled Abdulwahed
DE 2023 | 64 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 47
9.11.2023

Diskussion
Podium: Khaled Abdulwahed, Alex Gerbaulet
Moderation: Ute Adamczewski
Protokoll: Ronny Günl

Synopse

Das Telefon läutet. Stimmen im elektronischen Knistern der Leitung. Ein Filmemacher in Leipzig, sein Vater in Aleppo. Die Verbindung reißt immer wieder ab. Der Vater kam 1956 zum Studieren in die DDR, nun spürt der Sohn seiner Geschichte nach. Auf akribischer Spurensuche collagiert er historische Fotografien mit aktuellen Aufnahmen, setzt das Vergangene wieder und anders ins Bild. Dazwischen: Fragen nach der Gegenwart und der Wunsch, sich noch einmal wiederzusehen.

Protokoll

„Die Fotos, ein Dokumentarfilm braucht Dokumente, das versteht sich von selbst“, sagt Abdulwaheds Vater an einer Stelle des Films, während Baryt-Fotografien gescannt und digital neu montiert werden. Ein Satz, der wieder schnell in Vergessenheit gerät.

Die Frage, wie man sich erinnert, wird über den Kontakt von Bild und Gesprochenem freigesetzt. So erzählt Abdulwahed, dass der Film bei seiner Kindheit einsetze, in der sein Vater oft vom Studium in der DDR berichtete. Er bat seinen Vater, wieder davon zu erzählen und die Gespräche aufzuzeichnen. Ohne dabei an einen Film zu denken, habe er eine große Dringlichkeit verspürt, die außergewöhnlichen Erinnerungen des Vaters aufzubewahren.

Die Moderatorin Ute Adamczewski teilt mit, dass ihr persönlich ähnliche Vorstellungen wie jenen des Films begegnen, in denen sie versucht, enge Familienmitglieder an bestimmten Orten zu imaginieren. Dieser (unheimliche) Blick könnte vielleicht den Kern des Films bilden. Abdulwahed stimmt Adamczewski zu, auch er suchte, als er nach Deutschland kam die Orte auf, an denen sein Vater lebte – beispielsweise Eisenhüttenstadt, was in den väterlichen Erinnerungen noch Stalinstadt hieß. Seine Erinnerungen und Vorstellungen hätten ihn immer wieder verfolgt. Als seine Tante ihm die Fotografien zuschickte, entstand der Impuls, an einem Film zu arbeiten.

Laut Alejandro Bachmann gäbe es im Film sowohl eine autobiografische, eine geopolitische als auch eine technologische Ebene und er möchte wissen, wie sich dieses Verhältnis auch in Hinblick auf die Differenz von analoger und digitaler Fotografie entfaltet. Zu Abdulwaheds Antwort, dass sich in seiner Familie die benannten Ebenen überlagern, ergänzt die Produzentin Alex Gerbaulet, zu Beginn ihrer gemeinsamen Arbeit viel über die Verbindung der Familie zu den Fotografien diskutiert zu haben. Digitalität wäre hierzu eine Möglichkeit für den Zusammenhalt zwischen unterschiedlichen Orten und erinnerten Zeiten. Dem entspreche die Vision, der Vater könne digital werden.

Ansonsten aktiv im Publikum, sitzt Gerbaulet diesmal auch auf dem Podium, womit auch die alleinige Autorschaft von Abdulwaheds Film hinterfragt werden könnte. Denn in besonderer Weise war die Entstehung des Films von einer kontinuierlichen Diskussion des Materials und der Positionierung des Regisseurs durch Gerbaulet und Philip Scheffner begleitet, was Abdulwahed sehr schätzte. Ihre Zusammenarbeit begann bereits 2015 an einem unveröffentlichten Film, als Abdulwahed von Syrien nach Deutschland kam. In Gedanken beim Kriegsgeschehen, entwickelten sich erste Überlegungen, wie man spezifisch in Deutschland darüber nachdenken könne. Seit Abdulwahed hier lebt, fragt er sich, wie er sich zum Land und seiner Geschichte, die mit seiner Familiengeschichte zusammenhänge, verhält. Immer wieder verworfene Filmideen führten dazu, dann auch die benannten Orte aufzusuchen, um am Ende wieder zu den Tonaufnahmen als wichtigster Bestandteil des Films zurückzukehren.

Während der spontan geführten Telefonaten hätte sich sein Vater immer gefreut zu erzählen. Nach seinem zeitnahen Tod wären dann zwei Jahre vergangen, in denen Abdulwaheds Recherchen zunahmen. Diese bestand vor allem darin, Fotografien und eigene Notizen zu sammeln. Wie sich auf Nachfrage herausstellt, befinden sich die Stimmen des Sohnes und Vaters auf unterschiedlichen Spuren, auch weil die Gespräche wegen Verbindungsschwierigkeiten asynchron stattgefunden hätten. Gerbaulet habe sich dann gefragt, ob die Konversation nicht über den Tod hinaus gehen könnte. Darin will Adamczewski erkennen, wie sich das Gesprochene des Vaters in etwas Universelles transformiere. Es sei durch die Diskussionen entstanden, in denen abgewogen wurde, welche Rolle der Vater einnehmen kann, ohne Vergleiche zur eigenen Geschichte zu evozieren, schiebt Abdulwaheds nach. Wichtig sei gewesen, dass er nicht seine Position als Sohn bzw. Künstler aufgibt, um aus der eines Geflüchteten zu sprechen.

Michael Baute greift nochmal die Retouchierungen der verwendeten Fotografien auf und interessiert sich für den Hintergrund der Einstellungen in Innen- und Außenräumen. Für Abdulwahed wäre die Technologie ein Versuch, sich den Erinnerungen anzunähern, bei denen sich Ton und Bild ineinander verwickeln. Einerseits gehen die Bilder den Orten nach, über die er aus den Erzählungen seines Vaters erfuhr, und andererseits, wo er mit ihm, wie beim Blick aus dem Fenster seiner Wohnung, darüber sprach. An Details wie dem Schornstein nach sowjetischer Bauart fällt so in bemerkenswerter Weise auf, was für eine immense Rolle der Blick auf die Architektur bzw. ihre Veränderung im Film spielt. Adamczewski erinnert an das Schneetreiben in einer Leipziger Straße, woran jede:r auch seine eigenen Erinnerungen knüpfen könnte. Leider muss die Moderatorin dann aber das Gespräch, das sich mit jeder Frage kreiselnd vertiefte, abrupt beenden.

(Das Gespräch fand auf Englisch statt.)

 Khaled Abdulwahed, Ute Adamczewski v. l. Foto: Maria Kotylevskaja
Khaled Abdulwahed, Ute Adamczewski v. l. Foto: Maria Kotylevskaja