Synopse
Die Tiere sind Zeugen. Wie die Motorsägen die Stille zerreißen und sich in die uralten, meterdicken Bäume schneiden. Saft rinnt die Stämme hinunter wie Blut. Regen prasselt auf die Hütte der Holzarbeiter, die in den Urwäldern von Westneuguinea ein Auskommen gefunden haben. Die Männer haben keine Wahl: Entweder sie plündern den Wald oder sie bleiben mittellos. Aporien eines Systems, das nur Zerstörung kennt.
Protokoll
„Kayu Besi“ bedeutet Eisenholz auf Indonesisch. Denn der nach dem tropischen Holz benannten Film von Max Sänger und Andrianus „Oetjoe“ Merdhi zeigt Arbeiter bei der illegalen Abholzung des Regenwaldes auf einer Insel in Westneuguinea. Wie vielleicht erwartet sind knatternde Kettensägen zu sehen und vor allem zu hören. Doch betont der Film auch, dass es gar nicht so einfach ist, einen riesigen, uralten Baum zu fällen: In einer Einstellung wird zwar gesägt und gesägt, doch der Baum bleibt stehen. Und meist liegt der Fokus auf den ruhigen Geräuschen des Waldes und seiner Tiere, nicht dem Krach der Zerstörung. In der anschliessenden Diskussion, die von Therese Koppe geleitet wird, erklärt Regisseur Max Sänger, dass die Arbeiter während des Drehs bloss etwa einen solchen Baum pro Woche geschafft hätten. „Es ist eine Riesenarbeit, so einen Baum mit den Mitteln, die sie haben, zu zersägen und aus dem Wald zu schaffen“, sagt er.
Die Mittel: Motorräder, Holzplanken als Weg im Regenwaldsumpf, und eben Kettensägen. Denn Heindom Mambrasar, Hadi „Pur“ Purwanto, Rudi Wijayanto, Gabriel „David“ Klagilit, Sujarno und Wempi Klasin dürften gar keine Bäume fällen, beziehungsweise nicht so viele – und doch sind die Männer auf die Arbeit angewiesen. Wie im Film gesagt wird: Die Arbeit sei nicht einfach, man müsse ständig nachdenken, ob die Polizei komme. „Eigentlich will man nur essen“. Sänger erzählt, dass das Holzfällen eben nicht nur Arbeit gebe, sondern die Menschen gleichzeitig schädige. „Der Wald ist die letzte Versicherung für sie, da er auch Apotheke und Supermarkt ist, wo gefischt, gejagt und Kräuter gesammelt wird“. So würden die Holzfäller mit der Arbeit ihre eigene Lebensgrundlage vernichten.
Es ist wohl diese offensichtliche Prekarität, in der sich die Arbeiter befinden, die in der Diskussion zu kritischen Fragen und Reaktionen führt. „Der Film bedient etwas Romantisierendes“, „Die Ambivalenz zwischen Schön und Schrecklich wird zwar gesehen, aber nicht wirklich ausgehalten im Film“, „Ich habe grosses Misstrauen empfunden gegenüber den mystischen Bildern“, lautet es im Diskussionssaal.
Vor allem zwei inszenierte Szenen, die Heindom Mambrasar mit Speer im Fluss zeigen, rufen im Publikum Reaktionen hervor. Während eine Person findet, die Szenen hätten Zeitlichkeit manifestiert und den Blick geöffnet, hinterfragt eine andere die Wahl der Perspektive von oben auf den Körper, der sich durch den Fluss bewegt. Sänger antwortet, dass ihm klar sei, dass sich diese Bilder an der „Grenze von problematischem oder vertrautem Bild“ befänden. Doch sei West Papua auch einfach ein wunderschöner Ort. „Es ist nicht so, dass wir versucht hätten, etwas schöner oder poetischer darzustellen, als es schon ist“, sagt Sänger. Was in Papua als alltägliches Bild gesehen werde, würde hier vielleicht als zu ästhetisiert wahrgenommen. Und: Diese Bilder seien basierend auf einem Vorschlag Mambrasars entstanden.
Als Koppe zu Beginn nach der filmischen Form, die etwas Miniaturhaftes hat, fragt, spricht Sänger direkt die eigene privilegierte Position an. „Der Schnitt ist durch den ambivalenten Blick geprägt worden, den wir da werfen“, sagt er. Sie hätten sich immer fragen müssen, was man sich anmasse zu zeigen und bis wo man gehen könne. Den politischen Konflikt in Papua etwa habe man bewusst nicht angesprochen. „Ich würde mir nicht anmassen, die Dynamiken vor Ort ausreichend nachvollziehen zu können“, erklärt Sänger.
Was im Gespräch fehlt, ist die Perspektive des indonesischen Co-Regisseurs Andrianus „Oetjoe“ Merdhi, den Sänger im Rahmen eines Austauschs der Hochschule der bildenden Künste Hamburg und dem Goethe Institut in Jakarta kennengelernt hat. Man wünscht sich, von seinen Überlegungen zum und Erfahrungen mit dem filmischen Prozess zu erfahren. Auch nach der Einstellung der Holzfäller gegenüber des Projekts wird gefragt. „Eigentlich müsste man sie selbst fragen“, findet Sänger. Er wäre nach Papua gereist, musste aber seinen Flug verschieben. „Dann hätte ich ihnen den Film gezeigt und wüsste, wie sie darauf reagieren“, sagt er. Zudem: Sie wollten durch die Dreharbeiten und das Zeigen der illegalen Arbeit niemanden gefährden. Die Leute seien zu Beginn des Drehs skeptisch gewesen, doch im Verlaufe der Dreharbeiten sei so was wie eine gemeinsame Perspektive entstanden.
Moderatorin Koppe erinnert daran, dass es unterdessen schon nach Mitternacht sei, und die Fragen und Anmerkungen langsam zum Schluss kommen sollten. Doch es melden sich noch mehr Leute aus dem Publikum mit Fragen zum Thema der Waldrodung als global verstandenes Problem und Anmerkungen zur fast schon distanzierten, ruhigen Machart des Films – „Es entsteht das schöne Gefühl, dass man sich im Film umschauen kann“. Zum Schluss kommt dann noch ein grosses Lob an die Filmemacher: „ich habe heute eine wundervolle Erfahrung gemacht und gelernt, dass es ein schmaler Grat zwischen dem Dokumentarischen und der Kunst ist“, sagt eine ältere Frau. Der Film sei mit so viel Gefühl angegangen worden, dass sie jetzt noch Herzklopfen habe. Dass Dokumentarfilm so sein könne, habe sie gar nicht gewusst.
Schlussendlich kann die viel angesprochene Ambivalenz nicht aufgelöst werden. Denn was ohne die kritische Einordnung und Hintergründe der Filmemacher bleibt, sind die Bilder. Und die entwickeln bekanntlich oft ihre eigene Dynamik, ungeachtet der Absichten ihrer Macher:innen. Wie Sänger selbst anmerkte: „Bestimmte Szenen lesen sich für verschiedene Leute unterschiedlich“ – vielleicht als kaleidoskopische filmische Miniatur über die Zerstörung des Regenwaldes, vielleicht aber auch als privilegierter Blick auf Menschen in prekären Lebensverhältnissen.