Film

Benedikt
von Katrin Memmer
DE 2021 | 72 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 46
9.11.2022

Diskussion
Podium: Katrin Memmer
Moderation: Dominik Kamalzadeh
Protokoll: Marius Hrdy

Synopse

Mensch, Tier und Material atmen, pfeifen und ächzen im Gleichklang. Vom Morgengrauen bis tief in die Nacht verrichtet Benedikt sein Werk: präzise Handgriffe, kurze Pausen und lange Wege. Eingelassen in seine Umgebung und alleingelassen mit seiner Arbeit, leiten ihn die Jahreszeiten. Das Holz qualmt, das Fleisch dampft, die Bienen summen. Ein Mann im Austausch mit der Welt, doch kaum mit den Menschen.

Protokoll

Zur nächtlichen Stunde geht Dominik Kamalzadeh, so er, „in medias res“: „In Duisburg sind wir immer wieder mit Filmen des bäuerlichen Daseins konfrontiert. Es gibt nicht viele Filme die sich so haptisch, gar sinnlich an diesen Lebensraum annähern.“ Er erwähnt dazu Jean Eustaches „Le cochonsowie Raymond Depardons Filme von den Bauern in den Cevennen, die er aber alle viel stärker in prozessualen Verarbeitungen verortet. Memmers Film aber, so er, orientiert sich an nur einer Person – Benedikt, einem Einsiedler, der für ihn in einem symbiotischen, organischen Miteinander mit der Natur lebt und arbeitet. „Wie hat dein Annäherungsprozess da ausgesehen? Wie war dieser im Vorhinein schon ausgelegt?“

Memmer erzählt sie ist mit Benedikt in die Schule gegangen, sie kennt also ungefähr seine Abläufe und Rituale. Rituale wie in einer Szene, in der Benedikt „We wish you a Merry Christmas“–pfeifend einen Weihnachtsbaum bei seinen Bienenvölkern abstellt und ihnen dabei „Frohe Weihnachten, Mädels“ hinterherwünscht. Es ist, wie ich finde, einer der wenigen Augenblicke in dem die Konzentration auf Benedikts Arbeitsprozesse ein wenig aufbricht, durch Stimme auch seine Persönlichkeit fernab von Arbeit durchscheinen mag. Memmer führt weiter aus, sie wollte ihn im landschaftlichen, tierischen und materiellen Umfeld zeigen, da er ja diesen Ort – an dem die Arbeit geschieht – niemals verlässt.

Kamalzadeh fügt an, ein konventionellerer Zugang des Films hätte auch nur die Etappen der Arbeitsprozesse zeigen können. Er sieht diese aber in „Benedikt ausgesplittert, nicht-linear verteilt. Wie hat sie die Montageidee zu diesem achronologischen Zugang geplant? Er verortet eine Spur in der persönlichen Beziehung: Ist das Kennen von Benedikt für sie der Zugang mehr als die Arbeitsprozesse selbst, sucht sie sozusagen nach der Manifestierung des Ortes über bildhafte Prozesse? Dann fragt er konkreter: „Nach welchen Bildern sucht man gewissermaßen?“

Memmer betont die Wichtigkeit des Zeigens der einzelnen Prozesse für Benedikt selbst. Sie sagt es ist auch ihre Heimat und kennt die Gegend daher sehr gut um an anderen, ungewöhnlichen Bildern zu forschen. Memmer erwähnt dazu sehr passend – aber für mich nur etwas im Vorbeigehen – die Szenen in der ihre Kamera sich auf Dampf bezieht, der von einem Prozess aus entsteht, sich quasi von diesem materiell verabschiedet: Zum Beispiel wie Benedikt die Bienenzuchtgerätschaft von Holzrahmen in einem Topf voll Wasser auskocht. Dann Benedikts Atem im Freien; weiter ein auf den Hinterbeinen zum Häuten aufgehängtes, frisch geschlachtetes Schaf von dessen Wärme eine Dampfwolke die Scheune emporsteigt, als würden seine Lebensgeister aus ihm ausblasen und gleichzeitig die Energie der Arbeit selbst mit ihm. Leider zerstäubt dieser wundervoll haptische Gedanke über die Ränder der Arbeit zu schnell um in der Diskussion nachhaltige Spuren zu hinterlassen.

Eine weitere Frage bezieht sich auf die gestischen Manöver, die Kamalzadeh dem Film zuschreibt. Wie im Eingangstext aus dem Filmwochen-Katalog eingeführt sieht er einen Fokus auf das mit-den-Händen-arbeiten. Memmer führt diesen Hand-Gedanken weiter: einerseits sind Hände etwas Kleines im Bild, aber man sieht genau was mit ihnen passiert. Anhand dieser Körperdetails wollte sie mehr über Benedikt selbst erfahren. Im Allgemeinen spielt sich, in einem Film über größtenteils manuelle Arbeit, natürlich sehr viel mit Benedikts Händen ab: sie reinigen, richten, reparieren, – und in ihrer Erweiterung mit Werkzeugen und Maschinen – schaben, füllen, dreschen und hacken. Oft geschehen diese Hand-Prozesse in Windeseile und mit einer professionellen Routine. Zweimal jedoch machen die Hände auch Pause und führen Essen zu oder wärmen sich schlicht an einem Metallbecher mit Heißgetränk. In diesen kurzen Einstellungen, in denen Film und Protagonist rasten und wieder, wie schon bei den Dampfbildern das mechanisch-prozesskonzentrierte Alpha und Omega des Films durchbrechen, läge einiges Potenzial hier am Film selbst weiterzusprechen.

Das Gespräch im Diskussionsraum interessiert sich jedoch stärker für Interpretation und Inspiration. Ein paar Frage-Antwortrunden kreisen um die Zurückgezogenheit Benedikts und den Bezug zwischen Alleinsein und den ökonomischen Prozessen, in denen er eingebettet ist. Für Kamalzadeh zeigt der Film auch eine Einsamkeit voller Tätigkeiten. Manche Szenen zeigen den vollen Prozess – dass man die Dauer „austrägt bis das Fell komplett abgezogen ist“. „Wie hat sich das nochmal in die Dauer der Einstellungen übersetzt?“ Für Memmer geben die langen Szenen eine Entwicklung preis, die man eben im Hintergrund sieht.

Danach driftet die Diskussion vollends an thematische Ränder außerhalb des im Film erfahrbaren. Nach einigen Klärungsfragen zum vermeintlich Benediktinischen in Benedikt (ora et labora) und dem Züchten von Königinnenablegern bringt Kamalzadeh das von Memmer als Inspiration für den Film beschriebene „Resonanzbuch“ von Hartmut Rosa ins Spiel – einer Kritik an Beschleunigung. Memmer meint dazu, dass wenn man berührt auch berührt wird; dass man Material – auch filmisches – „nicht zwingen kann“. In diesem Sinne endet auch die Diskussion mit losen Enden.