Film

Procedere
von Simon Quack
DE 2015 | 44 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 39
05.11.2015

Diskussion
Podium: Simon Quack
Moderation: Till Brockmann
Protokoll: Christian Lailach

Synopse

Limousinen rollen vor imposante Gebäude, Journalisten drängen hektisch in enge Räume, Richterroben bewegen sich in immer gleichen Choreografien: Gerichtsberichterstattung produziert Ersatzbilder für das, was nicht gezeigt werden darf. Auch die Interviews mit schneidigen Juristen kleiden unsichtbare Prozesse nur notdürftig in Worthülsen.

Protokoll

Wie kommt man an so viel Material? Mit dieser Frage müsse er starten, meint Till Brockmann. Gekauft habe er es, so Simon Quack. Zum Ende seines Studiums habe er für den SWR und dessen Gerichtsreporter Karl-Dieter Möller gearbeitet und dort Zugang zu den Archivschränken erhalten. Anfangs nur auf der Suche nach O-Tönen, wurde Quack auf das andere Material aufmerksam und begann, sich mehr und mehr dafür zu interessieren. Dabei habe er sich auf einen Zeitraum von fünf bis sechs Jahren beschränkt, wobei er nie nach einem Prozess gesucht habe, der sich selbst über einen längeren Zeitraum erstreckte.

Ob denn die Kameraleute auf die immer gleichen Ideen kämen, will Brockmann wissen. Ideen, so Quack, was seien da schon Ideen. Es läge nahe, zum Thema Energierecht die Raumbeleuchtung als Bild zu nutzen. Dies könne womöglich als Idee herhalten, letztlich sei es jedoch alles Handwerk. Zumal es bei tagesaktueller Berichterstattung verpönt sei, auf irgendwelches Archivmaterial – und seien es auch nur Außenaufnahmen des Gerichtsgebäudes – zurückzugreifen.

Die Schwierigkeit, Bilder zu finden, etwas zu filmen, was man nicht filmen, also zeigen könne (Brockmann), liefere einen schnell der Kritik aus, führe gar ins Lächerliche, Komische, meint Quack. Wenngleich es auch substanziell Sinn ergäbe, da man genötigt sei die „perfekten zehn Sekunden“ zu bekommen. Bei aller Kritisierbarkeit könne man in dem Metier nichts neu erfinden. Dies sei unmöglich.

Brockmanns Frage, inwieweit die dauernden Wiederholungen eine Inhaltsleere der Bilder offenbaren, setzt Quack entgegen, dass diese im Film ihrer Funktion beraubt wurden. Er habe versucht, die Bilder anders lesbar zu machen, Fragen, ob der Kameramann nicht schwenken könne, würden sich im Fernsehformat nicht stellen. Er habe den Anspruch gehabt, das originale Kameramaterial in seiner Ursprungsform zu erhalten, ausschließlich zu montieren, nicht zu schneiden. Dabei hätte er gern mit solch Material geendet, aber leider kein brauchbares finden können, bei dem er auf einen Schnitt hätte verzichten können.

Ihm sei von vornherein klar gewesen, dass der Betrachter das „fertige Produkt“ nicht zu sehen bekommt. Stattdessen solle dieser den Prozess, die Bilder ernst nehmen, weshalb sie Quack anfangs vollumfänglich zeige, bevor sie „zerpflückt“ würden. Das Resultat kennen wir alle, das bräuchte es seiner Ansicht nach nicht.

Pepe Danquart im Publikum schaltet sich ein. Er sei überrascht über die bisherige Diskussion. Eine Auseinandersetzung mit der „Inhaltsleere“ oder dem „Anbieten der Möglichkeiten“ sehe er nicht. Der „Wahrheitsgehalt eines Bildes“ würde hier weit mehr infrage gestellt als die „Ernsthaftigkeit eines Materials“. Und auch Ute Holl sieht zwei Rhetoriken aufeinanderstoßen: die der Kamera und die des Rechts. Der Film offenbare damit, dass sich die Gerichtsbarkeit der Fernsehrhetorik unterwerfe und das Fernsehen somit als Souverän auftritt.

Damit entfacht sie einen Disput im Publikum. Gerichtsreporter des WDR stemmen sich lautstark und vehement gegen diese Sichtweise, möchten gern das Gegenteil festgehalten haben. Quack zeigt Verständnis, schließlich könne es auf beide Art und Weise gesehen werden.

Und während Michael Sennhauser gern anders an die Frage herangehen, den Film auf den Handwerksprozess beschränken würde, ein generelles Misstrauen gegenüber dem Endprodukt in den Raum stellt und fordert, dass jeglicher Stolz ausbleiben müsse, sieht wiederum ein andere Stimme im Saal die Lust im Film, sich über die Bilder und Rituale lustig zu machen. Lange Zeit würde der Film einen auf die Folter spannen, bis die Ernsthaftigkeit im Schnitt deutlich zutage trete. Eine weitere Wortmeldung zum Schneideprozess findet es wichtig – und richtig: Die Ernsthaftigkeit käme nur durch ein Bild zustande, das Bild, das ganz kurz den Schneideraum, die beiden Bildschirme zeigt.

Brockmann möchte keineswegs Kritik am Fernsehjournalismus üben, dieser habe eine Verpflichtung zum Bild, und der Film zeige, was dies bedeute. Letztlich halte der Film diesem Verfahren einen Spiegel vor.

Daraufhin macht sich ein weiterer Gerichtsreporter Luft. Der Film zeige den spannenden Prozess, wie ein Fernsehbeitrag entsteht. Möller, der SWR-Reporter, hingegen interessiere sich nicht für das Bild, sondern nur für den Inhalt. Quack entfleucht ein „egal“ ins Mikro.

Allmählich kommt wieder Ruhe in den Saal. Eine neue Stimme findet die Diskussion irritierend, den Film lustig und eine klare Kritik an Fernsehbildern. Er offenbare Witz in der Ernsthaftigkeit und sie bedauere, dass Quack versucht, all das kleinzureden.

Danquart meldet sich noch einmal zu Wort. Ihm zufolge würde sichtbar, was diese Art von Bilderwelt bedeute: Nichts! Das Bild stünde für den Text. Das Kleinredenwollen über die Ernsthaftigkeit sehe er deutlich als Widerspruch.

Auch Werner Ružička habe gelacht, doch das Schlusswort sichert sich in dieser aufgeregten Runde Sennhauser: Sinnfreie Bilder gäbe es nicht und die Serialisierung sei ein entlarvendes Moment. Was sie entlarvt, zeige sich erst hinterher.