Film

Im imaginären Museum – Studien zu Monet
von Klaus Wyborny
DE 2014 | 103 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 39
05.11.2015

Diskussion
Podium: Klaus Wyborny
Moderation: Katrin Mundt
Protokoll: Iris Fraueneder

Synopse

Bildausschnitte als Passformen für Wirklichkeiten: Gemalte Landschafts­bilder Monets überlagern die aufgenommenen Kamerabilder der gleichen Motive. Leuchtende Impressionen begegnen einander und ihren Betrachtern und schaffen neue Möglichkeiten ästhetischen Erlebens – vor gläsernen und menschlichen Linsen, in der Natur, im Museum.

Protokoll

Auftakt – Wybornys Film setzt mit einem Museumsrundgang ein. Auf einer Tour durch verschiedene Stilrichtungen vom Realismus über den Impressionismus bis hin zu Duchamp werden Schritt für Schritt einzelne Exponate in den Blick genommen. Der Regisseur, beginnt Moderatorin Mundt die Diskussion, nähere sich dem Museum damit und auch im Folgenden nicht auf institutioneller Ebene, wie es aktuell Filme wie beispielsweise National Gallery oder Das große Museum tun. Er wähle einen anderen Zugang, den sie eher als physisch bezeichnen würde, denn es gehe um Prozesse der Annäherung an Bilder, um die physischen Vorgänge beim Betrachten, aber auch beim Verfertigen von Bildern.

Variationen vom i. Museum – Wyborny steigt mit der Erwähnung von André Malraux’ Konzept des imaginären Museums ins Gespräch ein, das für sein Filmprojekt ein wichtiger Ausgangspunkt gewesen sei. Wir befänden uns ständig in einem imaginären Museum, die ganze Welt stelle ein imaginäres Museum dar beziehungsweise würde als solches wahrgenommen. Besuche im realen Museum seinen nur Abstecher um unser Gefühl für das imaginäre Museum real werden zu lassen.

Mundt lenkt von der Welt als imaginärem Museum zu Wybornys Film als imaginärem Museum. Weite Strecken spielen mit einer seriellen Aneinanderreihung von Landschaftsansichten, die Wyborny an der Küste Pourvilles nach den Vorlagen von Monets Malereien aufnimmt und im Filmbild mit Reproduktionen der entsprechenden Originale überlagert. Einerseits knüpfe Wyborny an Malraux’ Gedanken dazu an, wie Kunst durch Fotoreproduktion transportabel wird, nicht zuletzt indem auch sein Film ein bewegliches Kunstwerk darstellt, andererseits aber auch an Malraux’ Geste des Nebeneinanderlegens. Sie erinnert an die bekannte Fotografie, die Malraux inmitten einer Sammlung von vor ihm auf dem Boden ausgebreiteten Foto-Reproduktionen zeigt.

Mundt weist auf die Präsentationsform der Slideshow hin und damit auf eine möglicherweise bewusst gesetzte Referenz des Films auf ein unkünstlerisches, aber unsere Wahrnehmung von Bildern prägendes Format. Sie merkt weiters an, dass die sich durch den Film ziehende Frage der Wahl des Ausschnitts durch physische Bewegung, durch Verschiebungen des Blicks, des Körpers, der Haltung zur Landschaft für sie an die Anfangssequenz im Museum anschließt und fragt, ob diese Bewegung von der Arbeit an den Monet-Bildern ins Museum gewandert sei oder umgekehrt.

Technologie, Akribik und Akrobatik – Sich dem Entstehungshintergrund des Films zuwendend fragt Mundt Wyborny nach dem Anlass für seine Langzeitauseinandersetzung mit Monet – warum gerade Monet? Wyborny holt aus: Zu seiner Arbeit an Im imaginären Museum habe ihn im Grunde sein 1990 entstandener Film Das offene Universum mit H. Zischler und T. Swinton geführt, der durch die enttäuschende Ablehnung in Cannes einen einschneidenden Bruch innerhalb seiner Karriere bewirkt hatte. Während der langen Wartezeiten rund um die Filmeinreichung in Paris hätte er viel Zeit in Museen verbracht und in Wechselwirkung mit Textlektüre seine Faszination für Monet entdeckt. Bei einem Kurzaufenthalt in Pourville filmte er erstmals einige seiner Motive, war jedoch äußerst ernüchtert was die Qualität seiner Aufnahmen verglichen mit der von Monets Bildern betraf. Ein Problem der Technologie, zumal er sich ja doch als anerkannten Künstler bezeichnen würde? Jedenfalls veranlasste ihn diese Irritation zu der akribischen Suche nach den Orten, wo Monet seine Leinwand positioniert haben musste um seine vielbeachteten Ergebnisse zu erzielen. Von zentraler Bedeutung war für ihn dabei der damals neu erschienene vierbändige Wildenstein-Katalog zum Gesamtwerk Monets, der ihm erst die serielle Dimension von Monets Werk bewusst gemacht und die enorme Anzahl von Variationen desselben Motivs vor Augen geführt hätte. Sieben, acht Jahre und dreißig, vierzig Stunden an Filmmaterial hätte es gebraucht, bis Wyborny Monets exakte Blickwinkel aufgespürt und entsprechende Kameraaufnahmen angefertigt hatte. Dazu außerdem insgesamt vier Wildenstein-Kataloge (à 200€ – der teuerste Teil des Projekts), die ihm vor Ort beim Abgleichen seiner Aufnahmen mit den Monet-Reproduktionen (was ihm teils turnerische Höchstleistungen abverlangt habe), wiederholt ins Wasser abgestürzt waren.

Hungriges Monument – Entlang der Verschiebungen des Seriellen, in der Dauer, die das Serielle produziert beziehungsweise durch die Differenz der Überlagerungen von Reproduktion und Videobild schleiche sich Geschichte in die Bilder ein – Bunkerreste am Strand, ein Hinweis auf einen Küstenabbruch. Mundt fragt ob etwa Wybornys emphatische Anrufung der Kinder am Strand, die Wiedereinführung des Menschen ins Bild, eine Wiedereinführung des Akteurs in der Geschichte darstelle, was in der Antwort offen bleibt. Mit Michael Snow, dem Autor von La Région Centrale, bringt Wyborny jedenfalls eine zentrale Figur des Landschaftsfilms ins Spiel. Auf die Idee, Snow als lebendes, bewegtes Monument zu inszenieren, das in seinem imaginären Museum mit der Kamera in einer mehrminütigen Einstellung umkreist wird (wie die Vitrine mit Duchamp-Exponaten an anderer Stelle des Films), habe ihn die Frage gebracht, wie man es heute noch schaffen könne, einen sprechenden Menschen ins Bild setzen, ohne dass es platt journalistisch wirke. So sei die Aufnahme auch zu einem probaten Anschauungsmaterial für seine Studierenden geworden, Snows Geduld und Vertrauen sei Dank.

Die Sache mit dem Realismus – Mundt spricht das Spiel mit dem Material an, die Farbumkehrungen, die Spiegelungen: eine ironische Auseinandersetzung mit dem Realismusanspruch des Mediums Video? Wenn impressionistische Bilder und Videobilder sich in seiner Überlagerungstechnik maximal annähern? Wyborny antwortet, er habe für die Spezialeffekte extra technische Verfahren entwickelt mit dem Anliegen, die realistische Minderwertigkeit des Films zu bekämpfen.

Da es Wyborny aufgrund der Komplexität unterlassen möchte ad hoc den Versuch zu unternehmen, sich in Zusammenhang mit seinem Filmschaffen in Bezug auf den Gang der Gesellschaft oder der Ästhetik ausführlicher zu äußern [der Auftakt sei in die Flüchtigkeit des Verbalen entlassen, Anm. d. P.], bleibt eine Frage aus dem Publikum tendenziell unbeantwortet – eine Diskutantin wendet Wybornys artikulierten Anspruch, die Wahrnehmung müsse aus dem was wir antreffen herausgezerrt werden und fragt danach, was es denn sei, das er aus unserer Epoche hervorzerren möchte (Fotografie befreit Malerei – Youtube befreit Film).

Abschließend merkt jemand aus dem Publikum an, dass die Ubiquität des Imaginären in Wybornys Film im Grunde nur funktioniere weil es den Referenzpunkt der Realität gibt: die Klippen. Ja, stimmt Wyborny (gerührt von seinem eigenen Film, wie er meint) zu: die Klippen seien in der Tat ein Glücksfall. Und der Film zwar handwerklich alles andere als ohne, aber dann doch nicht so furchtbar kompliziert.

 Katrin Mundt, Klaus Wyborny v.l. © Duisburger Filmwoche, Foto: Simon Bierwald
Katrin Mundt, Klaus Wyborny v.l. © Duisburger Filmwoche, Foto: Simon Bierwald