Film

Feldarbeit
von Henrike Meyer
DE 2012 | 38 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 36
06.11.2012

Diskussion
Podium: Henrike Meyer, Bruno Derksen (Kamera)
Moderation: Peter Ott
Protokoll: Constanze Berschuck

Synopse

Eine Berliner Filmstudentin kehrt zurück aufs Land. Bei einer Traktorfahrt mit ihrem Vater fühlt sie sich wie auf der Kommandobrücke eines Schiffes – er nicht. Saisonarbeiter aus Rumänien werden abgeholt. Ein Auto wird gekauft. Und immer wieder der Versuch, mit dem Vater ins Gespräch zu kommen.

Protokoll

Sonnenlicht scheint in den Saal des Grammatikoffs, im Hintergrund des Barbetriebs hört man fließendes Wasser, die drei Diskussionsteilnehmer nehmen ihre Plätze ein und mit ihnen kehrt so langsam Ruhe in den halbvollen Saal, der Wasserhahn wird abgestellt und nachdem die Uraufführung des Filmes noch einen anerkennenden Applaus bekommt, startet die Diskussion.

Die visuelle Kraft des Filmes springt schon in den ersten Kamerabildern ins Auge, wie etwa die ersten horizontalen und vertikalen Filmbilder der Spargelernte oder der poetische Streifzug der Protagonistin durch ein buschiges Feld von Spargel-Nutzpflanzen, in dem sie sich gedankenvoll umblickt und nach etwas sucht – ihrem Vater. Die Protagonistin Henrike Meyer ist gleichzeitig die Regisseurin und Cutterin des Films. Ihre Kontaktaufnahme zum Vater sowie ihre Eigendarstellung wirkt irgendwie künstlich und irritierend, meinen Moderator Peter Ott und das Publikum. Viele Gefühlsposen wirken mehr inszeniert als dokumentiert, insbesondere durch die „viel zu schönen“ Kamerabilder die aussehen wie „100mal geübt“. Mitunter wird die Protagonistin so schön in Szene gesetzt, dass aus dem Publikum sogar ein Vergleich mit Antonioni kommt. Doch Kameramann Bruno Derksen verneint die gewollte Inszenierung der Filmbilder. Vielmehr wurde er von der Protagonistin geleitet, zudem verstehe man sich nach drei Jahren Zusammenarbeit mittlerweile ohne viele Worte. Henrike Meyer gesteht, dass ihr Film „narzisstisch hoch zehn“ ist und wie schwer es ihr fiel, die Kamera beim Dreh zu vergessen, doch sie sei keine Schauspielerin. Ebenfalls verneint wird die Frage, ob die Irritation, zwischen fiktionalen und dokumentarischen Ebenen zu wandeln, bewusst gewählt wurde, mit welcher der Film „in die heiße Wunde der Dokumentarfilmpuristen stößt“. Zwar erahnte die Regisseurin die Probleme ihrer „narrativen Inseln“, doch diese seinen wichtig für den Film und nach 1 1⁄2 Jahren Schnittzeit empfindet sie das Gleichgewicht im richtigen Verhältnis.

Ein Zuschauer bedauert die knappe Darstellung von der titelgebenden Feldarbeit, doch die Regisseurin erläutert, dass Filmen an sich bereits eine Arbeit darstellt, was sie auch ihrem Vater während der Dreharbeiten verständlich machen konnte. Ferner ist es immer schwer alle interessanten Themen, wie z.B. die Arbeiter, in einen Film zu packen. Aus diesem Grund wurde darauf verzichtet, ein Besäufnis mit den rumänischen Feldarbeitern zu zeigen, nur weil dies jeder gerne sehen wollte. Die Szene passte einfach nicht in den Film und sie ist nun mal die „Tochter vom Boss“, verteidigt Kameramann Bruno Derksen diese Entscheidung. Peter Ott fügt diesem Diskussionspunkt hinzu, dass die englische Übersetzung von „fieldwork“ Feldforschung bedeutet und somit auch der Film im Sinne eines wissenschaftlichen Beobachtungsprozesses verstanden werden kann.

Der Konflikt den die schizophrene Figur von Tochter und Regisseurin in einer Person ergibt, lässt die erwartete Auseinandersetzung mit dem Vater aus. Es gibt eigentlich keinen Konflikt, meint die Regisseurin, nur ein „komisches, unbestimmtes Gefühl“. Im Laufe der Diskussion erklärt sich auch die filmische Abwesenheit der Mutter, die nicht tot ist, wie oft angenommen, sondern lediglich im Westen wohnt, während der Vater saisonweise auf dem Spargelhof im Osten arbeitet. So bleibt, für einen Publikumsgast, der Film an einem Moment stehen, doch für die Tochter hat der Film etwas in ihrer Beziehung zum Vater minimal in Gang gesetzt. Für manche entsteht durch die differenzierte Kommunikation der Hauptfiguren sogar eine eigenartige Komik, welche von den Filmemachern diesmal nicht verneint wird.

Den riesengroßen Ort des früheren LPG-Betriebs findet die Regisseurin unglaublich spannend, sowie die vielen Spuren aus der Zeit die dort noch zu finden sind, aber um die sich keiner kümmert. Anderseits ist es ein komischer Ort, der nur saisonweise zum Leben erwacht, um für drei Monate Geld zu verdienen. Auf die Frage worüber genau ihr Film handelt, antwortet Henrike Meyer, dass ihr Film verschiedene Ebenen hat: Den Hof, den Vater, die Tochter und irgendwas das zwischen den Spargelfeldern liegt.