Synopse
1979 lässt Jimmy Carter Solarkollektoren auf dem Dach des Weißen Hauses anbringen. Bereits unter Amtsnachfolger Reagan werden sie wieder abmontiert. Das Roadmovie begibt sich auf die Spuren dieser ökologischen Avantgardetat und fragt nach den historischen Chancen und Grenzen symbolischer Politik.
Protokoll
A ROAD NOT TAKEN – der erste Film des Postpetrolismus, dessen Proklamation im Jahre 2006 ein neues Kapitel der Kunstgeschichte einläutete: Ein künstlerischer Befreiungsschlag, der das Erdölzeitalter hinter sich lässt, einen neuen Standpunkt setzt. Allerdings, versichert Keller, „klingt das besser, als es ist“. Letztlich gehe es darum, Humor und Distanz zu wahren im Umgang mit den Fragen, die im Zentrum ihrer gemeinsamen Arbeit stehen.
Konzipiert war A ROAD NOT TAKEN ursprünglich als Performance und Ausstellungsprojekt, Hemauer und Keller fühlen sich eher im Kunstkontext daheim. Erst als Jimmy Carter auf ihre Einladung zur Ausstellungseröffnung mit einen Interviewangebot erhielten, sahen sie sich mit einer größeren Verantwortung konfrontiert und beschlossen, einen Kinofilm zu produzieren, um ein breiteres Publikum zu erreichen. Als Verbreitungsmedium fungierte allerdings das Internet: Aufmerksamkeit erregte der Film vor allem durch die Präsenz bei Google und der Huffington Post. Auch die kürzlich produzierte DVD ist für Keller wichtiger als der Kinovertrieb, hier könne man auf eine Nische hoffen.
Ein Film, der durch seinen Aufbau besticht, so Öhner: Wie bei einer archäologischen Prozedur werden die Solarmodule zunächst als Objekte „ausgegraben“, um dann anhand ihrer Herkunftsgeschichte die weitere Erzählung zu entfalten. So wird die physische Reise zum Objekt gleichsam zu einer Reise in die Vergangenheit – und das Ausgrabungsobjekt wird zum Anlass, die Geschichte neu zu bewerten.
Dies betrifft vor allem Jimmy Carter, den immerzu lächelnden Prediger und tragischen Helden des Films, der nicht nur auf Öhner „wahnsinnig sympathisch“ wirkt. Was zum Problem werden könnte, würde der Film nicht auch darstellen, warum Carter scheitern musste. Eva Hohenberger merkt an, dass es im Trend liegt, Carter wieder zu entdecken: Auch Michael Moores letzter Film geht in dieselbe Richtung.
Für Ružička ist der Film eine weitere Gelegenheit, sich an der Klarheit des HD-Materials zu erfreuen: wie es ermöglicht, das Charisma in Carters Gesicht zu lesen. Gerade im direkten Kontrast mit dem Archivmaterial, dessen „sehr roher Zustand“ vom Publikum keineswegs als störend empfunden wird.
Die zweite Kamera, durch die zuweilen das Dispositiv sichtbar wird, war vor allem Backup, gerade in der überaus stressigen Interviewsituation mit Carter. Und doch, ergänzt Keller, habe man sich auch involvieren wollen als Teil der Szenerie („Zwei Schweizerchen mischen ein bisschen mit“), um zu signalisieren: Jeder könnte das machen. Wichtig sind für Hemauer auch die Reisepassagen: In einem so „vollgeschwatzten“ Film brauche es Entspannungsphasen zum Verdauen und Weiterdenken des Gesehenen. In denen es den Künstlern auch gelungen ist, die eigene Freude am Fahren zu vermitteln und nebenbei die Romantik des Road Movies wieder aufleben zu lassen.
An den historischen Zusammenhängen hat Keller vor allem beeindruckt, wie schnell es unmöglich werden kann, wiedergewählt zu werden. Hier wird eine Geschichte erzählt, die zur Randgeschichte gemacht wurde, betont Ružička. Der Film entlarve die Funktionsweisen von Symbolpolitik. Vor diesem Hintergrund erscheine die Intervention der Künstler als kluge Strategie, das Symbol durch die Verschiebung in den musealen Kontext „mit Bedeutung zu kontaminieren“. Großartig. Kleinartig? Gutartig!