Film

Unten links
von Holger Mohaupt
DE 2008 | 30 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 32
03.11.2008

Diskussion
Podium: Holger Mohaupt
Moderation: Werner Ružička
Protokoll: Nina Selig

Synopse

Eine Kindheit und Jugend in der Werkswohnung einer Arbeitersiedlung in Duisburg-Meiderich. Die Mutter lebt heute noch dort. Der Sohn lässt die Orte des Familienlebens Revue passieren.

Protokoll

Werner Ruzicka eröffnet die Diskussion mit der Feststellung, dass alle Ruhrgebietler Fachleute für diesen Film sind.

Holger Mohaupt hat zur Diskussion nicht nur die beiden Protagonisten seines Films, die Mutter und seinen Bruder mitgebracht, sondern es sind auch Nachbarn aus der Siedlung in Duisburg-Meiderich gekommen.

Mohaupt wollte immer schon einen Film über die Mutter machen und beginnt nach dem Tod eines Nachbarn, der eine Woche lang unentdeckt in der Wohnung über der Mutter lag. Mohaupt realisiert, dass dieser nicht älter als seine Mutter war. Er beginnt, auch, wie er später sagt, um seinen Kindern etwas zeigen zu können, was es so bald nicht mehr geben wird, sehr bald danach mit den Dreharbeiten. Die Mutter, als Trägerin von Duisburger Geschichten wird auf Film festgehalten.

Da seine Mutter eine tolle Gastgeberin ist, hat sich Mohaupt für die geführte Tour durch die Wohnung als Leitmotiv seines Films entschieden. Für Werner Ruzicka erzählt der Film die Biografie eines Hauses, das durch das verwendete historische Film- und Fotomaterial von Mohaupt in einen historischen Bogen eingefügt wird. Der Film wird so, über die mit dem Haus verbundene Lebensgeschichte der Mutter hinaus, allgemeiner und struktureller. Mohaupt stimmt dem zu. Sein Film handelt von Architektur und den Menschen, die sich in dieser Architektur bewegen. Der Film wird so auch von Publikum außerhalb des Ruhrgebiets, z.B. in Schottland, wo Mohaupt lebt, verstanden. Das montierte historische Material will der Regisseur auch als ironische Geschichte der Retrokultur verstanden wissen, denn „was heute schick ist war damals normal“.

Die Detailaufnahmen von Postern und Gegenständen in der Wohnung und im ehemaligen Partykeller des Bruders sollen so weit wie möglich über die Interviews hinaus, das Bild der Protagonisten erweitern. Seinen Film will Mohaupt auch ethnologisch verstanden wissen, das „Selbstgemachte“ und Improvisierte zeigt, wie Leute befragt werden und dass es ein „davor und danach gibt“ (Mohaupt).

Der Film zeigt, so Ruzicka, das Ende der Arbeiterklassengeschichte in ihrer architektonischen Manifestation. Wo früher Kinder in „urbanen, ungenauen Schrotthalden“ (Ruzicka) spielten, ist es heute menschenleer. Die Vergangenheit, so Mohaupt, sei mit Leuten besetzt gewesen. Heute ist Meiderich eher eine Geisterstadt.

Aus dem Publikum wird gefragt, ob sich durch den Film Mohaupts Blick auf die Siedlung verändert hat. Mohaupt verneint, sagt aber auch, dass es ihm sehr schwer gefallen sei, Bilder für etwas so Vertrautes zu finden, da er sonst nur Dinge filmt, die ihm neu sind. Zunächst hat er nur mit seiner Mutter die geführte Tour durch die Wohnung gedreht, was ihm aber nicht ausreichend erschien und durch zwei weitere Besuche, die Detailaufnahmen und das Interview mit dem Bruder ergänzt wurde.

Mohaupt fragt das Publikum, wie die Musik des Films gefallen hat. Die elektronische Musik, so ein Diskutant, lässt die Vergangenheit nicht zu süßlich erscheinen. Ein anderer findet die Musik zu illustrativ. Mohaupt erklärt, er habe mit dem Musikeinsatz und die Wahl der Bilder auch die Schwere aus manchen angesprochenen Themen wie z.B. den Tod des Vaters oder des Nachbarns, nehmen wollen.

Duisburg, die Stadt in der sie lebe, so eine Diskutantin, habe sie bisher immer ganz anders wahrgenommen. Für die völlig andere Erzählweise und die Art von Realität die ihr in Mohaupts Film gezeigt werde, sei sie sehr dankbar. Ein Blick, so Ruzicka, gegen die Propaganda, denn nicht die Zentren machen das Leben aus, sondern die Peripherie.