Film

Verlieren
von Gintersdorfer/Klaßen
DE/FR 2006 | 81 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 31
10.11.2007

Diskussion
Podium: Monika Gintersdorfer, Knut Klaßen
Moderation: Reinhard Braun
Protokoll: Roman Fasching

Synopse

Eine Künstlergruppe versucht die Unruhen in den Banlieues zum Thema eines Dokumentarfilms zu machen. Nach Schwierigkeiten lernen sie die ivorischen Stars DJ Arafat, Maga Din Din, Gadoukou la Star in deren Wohnungen besser kennen. Kontakt entsteht über Performance, Gesang, Bewegungskultur. Ein Film über Begegnungen und Nichtbegegnungen und über die koloniale Frage.

Protokoll

Gintersdorfer spricht über den Produktionshintergrund des Filmes, über die regelmäßige Notwendigkeit spontan zu drehen, den daraus entstehenden Zeitdruck, und die bescheidenen finanziellen Mittel der Produktion. Daraus ergab sich was Reinhard Braun die “eigenartige Performativität und Erzählstruktur“ des Films nennt. Das Regieduo war mit ihren bis dahin einfach nur mitgefilmten Performances nicht zufrieden. Also versuchten sie, Performance und Film in eine neue Form – mehr Richtung Film – zu bringen. Somit wurde auch mehr sichtbar, diskutierbar, und auch besser bewertbar. Der Film hatte seine Premiere in einer Galerie, dann lief er in einem Theater, Duisburg ist das erste „Filmpublikum“ das den Film sieht.

Wenn sie politisieren wollten, sagt Gintersdorfer, könnte sie noch viel mehr über die Banlieus, über die Gewalt, über die Sans Papières sagen, weil sie noch viel mehr darüber erfahren hat. Sie wollten das aber nicht ins Zentrum rücken, weil sie sich dadurch die politische Relevanz auf Kosten ihrer Protagonisten erschleichen würden. Den Regisseuren ist wichtig, dass ihre Protagonisten danach den Film gerne sehen. Sie machen Filme für das Publikum, aber eben auch für die Leute im Film.

In den Banlieus glaubten die Bewohner immer sofort, dass sie Journalisten sind. Das wollten sie natürlich nicht. Sie wollten mit dem Film auch keine Medienbilder reproduzieren. Deswegen wurde außer bei den Aufführungen immer nur in den Wohnungen gedreht – um andere Bilder zu machen.

Die Bilder, so Klaßen, „kommen von den Rändern heraus und öffnen sich.“ Da mit nur einer Kamera gefilmt wurde, muss sich der Bildausschnitt für den Schnitt ständig ändern. Dabei ging es ihm immer darum, zu sagen „Ich hab nicht die Totale, ich hab nur den Ausschnitt.“ Er musste sich allerdings bei anderen Projektionen des Films oft dafür rechtfertigen, dass man nicht alles sieht. Braun sieht hier eine Verbindung zu The Halfmoon Files, zu der Suchbewegung, die immer sucht, um zu finden, was sie beschreibt. Dadurch, so Braun weiter, erhalten die Personen die Verlieren beschreibt, eine große Autonomie, da er sie eben nicht komplett beschreibt.

Die Schuhszene wurde natürlich auch besprochen. In ihr, sagt Gintersdorfer, sieht man „am besten wer Frank ist und was Frank kann.“ Eigentlich ging es darum, dass Frank seine Wohnung auf eine performative Art zeigt. Die Szene wird von ihr mit der Trainingseinheit verglichen, die ein echtes Training zeigt, denn da wollten die Jungs keine Show nur für die Kamera machen. Das war echt, fünf Stunden. Wenn schon, denn schon.

Die Künstler, die für den Film Performances machen, wissen natürlich auch genau welches gefilmte Material in ihren eigenen künstlerischen Kontexten brauchbar sein kann. Da findet also auch ein pragmatischer Gebrauch von Material statt, Material wird untereinander ausgetauscht und für ihre eignen Shows oder Video-Clips benutzt. Dabei kommt ihnen ihre professionelle Wandlungsfähigkeit zu Gute. Der Text-Tanz, ihre Performances sind auch immer ein Spiel voller Ironie, Subversion und Brechungen.

Bemerkenswert, dass die letzte Diskussion der diesjährigen Filmwoche viele Punkte enthielt die in der einen oder anderen Form schon in anderen Diskussionen vorkamen: die Auswirkung der Produktionsbedingungen, ein freundliches Verhältnis zu den Protagonisten haben, die suchende Kamera führen, die Reproduktion ablehnen, den Zweifel pflegen.