Film

Kinder. Wie die Zeit vergeht.
von Thomas Heise
DE 2007 | 86 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 31
09.11.2007

Diskussion
Podium: Thomas Heise, Börres Weiffenbach (Kamera)
Moderation: Werner Dütsch
Protokoll: Roman Fasching

Synopse

Mit 16 zum ersten Mal Mutter, mit 17 das Elternhaus verlassen. Dann das zweite Kind. Tommi, der Ältere, macht Probleme. „Den Kleinen krieg ich schon noch hin.“ Umbruch. Umschulung. Jahre später: Tommi hat seine letzte Chance auf einen Schulabschluss, Paul will nicht aufs Gymnasium. Nicht nur eine Familienbilanz.

Protokoll

Schwarz – Grau – Weiß

Der Film wurde auf Farbnegativ gedreht und dann S/W entwickelt. Der technische Hintergrund: Farbfilm ist mittlerweile weiter entwickelt, feinkörniger, qualitativ besser, erklärt Weiffenbach die Einstiegsfrage. Der andere Grund: Farbe lenkt ab und S/W bringt bestimmte Dinge besser auf den Punkt. (Besonders diese Aussage weckte beim Diskussionspublikum großes Interesse.) Die Buntheit ringsherum, so Heise weiter, macht verrückt, auch hier in der Duisburger Innenstadt. Zu viel Werbung. Rot wird auf S/W zu Grau und somit brüllt es nicht. Weder auf Werbezügen, noch in Jeanettes Bus. Außerdem waren frühere Filmzitate auch in S/W. Dütsch ergänzt dazu, dass beim Betrachten des alten S/W-Materials der Abstand fehlt, dass dadurch die Zitate aus früheren Filmen eine gewisse Gegenwärtigkeit im Film erhalten.

Die Wohnwelt und die Industriewelt

Dütsch: Wir sehen Industrieanlagen in der Nähe von Wohnsiedlungen, die gerade oder bald abgerissen werden. Jn den Wohnwelten sehen wir Menschen, die gewissermaßen in den Industriewelten verschwinden. Der Film zeigt, dass diese zwei Welten nicht zusammen finden. Die Ausnahme bildet dabei Jeanette, die durch die Erfüllung ihres Traumes Busfahrerin zu werden, als einzige diese zwei Welten verbinden konnte. Die Frage, was diese Welten so weit auseinanderdrängt, wird im Film nicht beantwortet. Dem stimmt Heise wortlos zu. Später in der Diskussion sagt er dann, dass der Drehort einfach eine Industrielandschaft zwischen Halle und Leipzig ist, aber es könnte auch irgendwoanders sein. Der Film ist auch ein Film über das Verschwinden.

Das Umfeld

Während der Dreharbeiten sah Heise am Flughafen Leipzig Maschinen aus denen US-amerikanische Soldaten auf Fronturlaub vom Irak ausstiegen. Da entsteht ein Militärflughafen, aber über solche Sachen redet keiner. Das ist auch ein anderes Thema, das nicht in diesen Film passt. Aber seine Protagonisten leben in dem Umfeld dort.

Der Ton

Die Töne an den Drehorten waren laut, brüllend. Heise hatte dort das Gefühl, dass man, wenn es still wird, genauer hinzuschauen beginnt. Zum Beispiel bringt der Lärm des Automotors nichts, wenn man die Jungs auf der Rückbank schlafen sieht. „Am liebsten hätte ich einen Stummfilm gemacht.“ Die Publikumsfrage nach der Verbindung zwischen dem Ton und dem Schlusssatz des Films bleibt unbeantwortet.

Tommy

Heise bestätigt den Eindruck von Werner Dütsch, dass die Jungs und Mädchen das Kriegspielen sehr ernst nehmen und das auch so zeigen wollten. Dies ist einer der wenigen Momente, wo Tommy und Chris ernst und auch sehr aktiv sind. Das Filmteam hat sich innerhalb dieser Szenerie wirklieb wie Kriegsreporter bewegen müssen.

Tommys Grund für den Besuch in seinem alten Kindergarten war einfach, er suchte dort eine alte Freundin. Aber es war fUr ihn schockierend und irritierend, auf der Suche nach seinen Wurzeln, dort unter all den Kindern nur ein deutsches Baby zu finden. (Woran man in diesem Kindergarten ein deutsches von einem asiatischen oder afrikanischen Baby unterscheiden kann, wurde in der Diskussion nicht erklärt.)

Der Regisseur erzählt auch, dass er versuchte, mit Tommy und Jeanette eine nachgestellte Szene zu drehen, aber das klappte überhaupt nicht und entlarvte sich schnell als schlechte Idee. Aber, meint er, vielleicht muss man so etwas drehen, um es dann später wegzuwerfen.

Während dem Dreh wurde Tommy von zu Hause rausgeworfen und zog bei seiner Freundin ein. Die beiden lebten dann wie ein altes Ehepaar zusammen. Zu Heises großem Bedauern erlaubte Tommys Freundin aber nicht, in ihrer Wohnung zu drehen.

Die Zeit und die Einführung der Figuren

Die Publikumsfrage nach der Entscheidung, sich dem Thema Zeit zu widmen, beantwortet Heise damit, dass es ihm einfach mal aufgefallen war. Es ist nicht so wichtig, dass man die Bilder alle immer zeitlich einordnen und unterscheiden kann. Irgendwann einmal wird man sagen, das war „um die Jahrhundertwende,“ irgendwann ist ein exaktes Vorher/Nachher egal und es wird alles zu einem Zeitpunkt. Tommy sagt im Film „Die Zeit vergeht“.

 Werner Dütsch, Thomas Heise, Börres Weiffenbach v.l. © Duisburger Filmwoche, Foto: Simon Bierwald
Werner Dütsch, Thomas Heise, Börres Weiffenbach v.l. © Duisburger Filmwoche, Foto: Simon Bierwald