Film

KEHRAUS, wieder
von Gerd Kroske
DE 2006 | 100 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 31
09.11.2007

Diskussion
Podium: Gerd Kroske
Moderation: Werner Ružička
Protokoll: Nina Selig

Synopse

1990 waren Gabi, Henry, Marlen und Stefan Gelegenheitsarbeiter bei der Leipziger Stadtreinigung. Der Film nimmt die auseinander gelaufenen Fäden wieder auf. Sechzehn Jahre Zwischenzeit und ein halbes Leben später sind zwei von ihnen tot, und Gabi und Henry haben sich durchgekämpft, durch die Wogen ihrer Geschicke.

Protokoll

18 Jahre Mauerfall, Bilanzierungen in allen Medien. Werner Ruzicka beginnt die Diskussion mit einer historischen Einordnung des Films und des heutigen Tages. Kehraus (df 1990), ein Wendefilm und die erste Begegnung mit Gabi, Henry, Stefan und Marlen. Kroske hat eine Freundin in Leipzig, die irgendwann nicht mehr bereit ist, mit ihm ein Bett zu teilen. Sie schlafen in zwei Schichten und so muss er sich nachts in den Straßen Leipzigs die Zeit vertreiben. Er trifft auf die Straßenkehrer, Pauschalarbeiter, die es nach den ökonomischen Vorstellungen der DDR eigentlich gar nicht geben durfte. Sie kommen ins Gespräch, die DEFA, bei der Kroske eigentlich kündigen wollte, überredet ihn, einen Film über vier der Arbeiter zu machen.

Unfreiwillig wird aus Kehraus eine Langzeitbeobachtung. Eine hartnäckige Autorin überredet Kroske, 1996 die Fortsetzung Kehrein, kehraus zu drehen. Auch nach diesem Film bleibt er weiterhin mit den Protagonisten in Kontakt. Ein Grundvertrauen ist also da, das auch die Offenheit der Protagonisten ermöglicht.

Die Beziehung von Regisseur und Protagonisten geht über den Film hinaus. Kroske gibt Ratschläge, vermittelt Gabi den Kontakt zum Leiter der im Film vorkommenden Suchtklinik. Außerdem bringt der zweite Film Kehrein, kehraus Gabi und ihre Tochter einander wieder näher. Katharina sah den Film als Wiederholung im Fernsehen und nahm über Kroske den Kontakt zur Mutter wieder auf. Auch hier wieder, wie in anderen Diskussionen der diesjährigen Filmwoche, die Aussage, dass man nur mit Leuten dokumentarisch arbeiten kann, die man mag. Den Besuch im ehemaligen Heim von Katharina hat Kroske, wie andere Situationen auch, durch „thematisches Antippen“ geleitet. Die Enthüllung, dass ihr Stiefvater sie missbraucht habe, hatte er jedoch nicht erwartet.

Die Dokumentation von Zeit und von Leben (Marlen und Stefan sind schon verstorben) geschieht nicht nur durch altes Filmmaterial und durch Fotos, sondern auch durch Akten. Akten, die im Film immer wieder auftauchen und, so ein Diskutant, die Aufzeichnungen eines gescheiterten Lebens bilden. Der Zugang zu den Archiven wird Kroske zunächst erschwert. Den Behörden ist die Auseinandersetzung mit der Tatsache unangenehm, dass der tote Stefan erst nach vier Monaten in seiner Wohnung entdeckt wurde.

Der Kontakt, den die Protagonisten mit den Behörden haben, gibt ihrem Leben einen Rhythmus. Kroske beschreibt sie als „konditioniert“ für den Umgang mit den Sozialbehörden. Diese betreiben, so der Regisseur weiter, nichts weiter als eine Scheinverwaltung von Biographien.

Von einem Diskutanten werden Vergleiche zu Chris Wrights und Stefan Kolbes Film Das Block gezogen. KEHRAUS, wieder befriedige das Informationsbedürfnis stärker, man bekäme „zu sehen, wo man ist“. Doch Kroske will die Filme nicht gegeneinander ausspielen und verweist auf den langen zeitlichen Vorlauf und die anders angelegte Thematik seines Films. Als ein „Musterbeispiel“ für „dokumentarische Regeln“ (so ein Diskutant) möchte Kroske seinen Film aber auch nicht bezeichnet wissen.