Film

Workingman’s Death
von Michael Glawogger
DE/AT 2005 | 122 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 29
01.11.2005

Diskussion
Podium: Werner Ružička, Mark Stöhr, Vrääth Öhner
Protokoll: Roman Fasching

Synopse

Wo ist die Arbeit geblieben? In einer indonesischen Schwefelhalde findet man sie noch, auch in einem Schlachthof in Nigeria oder an einem Strand in Pakistan, wo ausrangierte Tanker zerlegt werden. In den Stollen einer ukrainischen Kohlegrube ist sie inzwischen schon illegal geworden, im Duisburger Landschaftspark ist sie nur noch Kulisse. Wo ist die Arbeit geblieben? Eine globale Suche nach den Schwundstufen körperlichen Arbeitens. 

Protokoll

Die Einladung zum Gespräch über den Film trotz Abwesenheit des Regisseurs wurde vom Publikum angenommen. Der Diskussionssaal war voll.

Gleich die ersten zwei Wortmeldungen polarisieren und prägen die Diskussion, zeigen das von der Auswahlkommission bewusst in Kauf genommene, erwünschte Konflikt- und Diskussionspotenzial des Filmes auf.

Didi Danquart spricht von einer Ästhetisierung des Bösen. Er sieht Schönes im Film, obwohl er sich bewusst ist, dass das Gezeigte „ganz schön heftig“ ist. Besonders das aufwendige Sounddesign des Films macht die Bilder zwar brutaler, ästhetisiert aber auch gleichzeitig.

Lars Henrik Gass, dagegen hat sich geärgert. Er wirft Glawogger vor, keine Ahnung von den Verhältnissen zu haben, die er in seinem Film zeigt. Der technische Aufwand, 35mm, Steadicam, Dolby Ton, bleibt unangebracht. Die Ästhetisierung erinnert an Otto Mühl, der Film wird somit reaktionär und langweilig, man erfährt eigentlich viel zu wenig.

Brigitte Werneburg richtet darauf ihre Frage an die am Podium vertretene Auswahlkommission: Worauf will der Film hinaus?

Als hätte Ruzicka die Frage erwartet, verweist er zuerst auf die Echtheit des vor der Projektion verlesenen Briefes von Glawogger. In der Auswahlkommission war man sich natürlich der Überwältigungsstrategie und -ästhetik des Filmes bewusst. Auch dass der Film Kritik inspirieren wird.

Vrääth Öhner stimmt dem Vorwurf der Ästhetisierung teilweise zu, auch ist der Vorwurf, der Film sei reaktionär, durchaus möglich. Andererseits ist gerade das eine Stärke des Filmes. In Workingman’s Death verliert das Bild der Arbeit den Sinn der Arbeit, welcher im 18./19. und teilweise noch Anfang des 20. Jahrhunderts als Motor der Entwicklung konzipiert wurde. Gerade die Monumente, sowie die Archivbilder aus Russland führen die Brüchigkeit dieses Mythos vor Augen.

Gabi Hinderberger merkt an, dass diese Ästhetisierung der Schwerarbeit gerade im Ruhrgebiet zur Genüge bekannt ist. Auch kritisiert sie, die, abgesehen von den wenigen Ausnahmen, Konzentration auf schwere Männerarbeit. Auch der Epilog bleibt unverständlich.

Lars Henrik Gass wittert die Absicht des Regisseurs, einen Festivalfilm zu machen. Der Epilog verführt in einen sinnentleerten Raum, das filmische Hantieren mit dem Mythos Arbeit bleibt unakzeptabel.

Abermals kontert Danquart, dass der Film das so deutlich bringt, und zwar ohne Moral, dass die Ästhetisierung eine Entmoralisierung erlaubt. Konsequent findet der Film diesen Weg, und sagt niemals: Diese armen Menschen!

Gass fragt, wohin denn dieser Ästhetizismus führen soll? Wofür wird dieser inszenierte Exotismus vorgeführt? Die gezeigte Arbeit ist nicht mehr zeitgemäß, die gibt es nicht mehr, sie verschwindet.

Michael Möller widerspricht. Arbeit, Ausbeutung und schwere, körperliche Arbeit verschwinden nicht, und Ruzicka erinnert an die auch nicht ganz leichte Arbeit des Steady- Cam-Operators in der Sequenz in Indonesien.

Die Diskussion schrammt darauf hin kurz an einer Defintion des Begriffs „Arbeit“ vorbei. Danquart erkennt im Film nicht Arbeit, sondern „etwas Archaisches“, das heute nicht mehr mit „Arbeit“ gemeint ist. Die Reflexion darüber funktioniert mit den zwei Polen Glorifizierung/Helden und Gefahr/Anstrengung im Film seiner Meinung nach sehr gut. Eine Zuschauerin glaubt zu erkennen, dass die Touristen in Indonesien ja eigentlich dort sind, um den Vulkan zu besichtigen, und dass die Arbeiter normalerweise nicht an den Touristen genau dort vorbeigehen. Für sie ist es ein Glücksfall, dass die Schwefelplatten in den Körben der Träger goldenen Engelsflügeln gleichen. Auch in den Kuhköpfen kann man durchaus sakrale Chiffren entdecken.

Michael Girke folgt Gass’ Argumentation. Der Film bewegt sich im Imaginären, dort wo sich Arbeit heutzutage nicht mehr befindet. Die Art und Weise des Umgangs mit dem Thema und mit der Arbeit selbst kommt zu einem Punkt, an dem der Film nur mehr zum Selbstzweck wird.

Auch Öhner stimmt dem, im Prinzip, zu, und zieht kurz den Vergleich zu Glawoggers Megacities. Auch in Workingman’s Death kommt die kinematographische Maschine beim Zeigen des Imaginären ins Stottern. Es handelt sich teilweise um eine Art Ausschlachten. Ruzicka schließt ab, mit dem Hinweis auf die Diskussion zu Annett Schützes Moskatchka, in dem der in Gang gebrachte kinematographische Apparat (z.B. Foley Artists) während der Diskussion gelobt wurde, hier aber wird er kritisiert.