Synopse
Wie entsteht aus einer Idee ein Buch, aus einem Buch ein Industrieprodukt? Über fünfzehn Monate begleitet Jörg Adolph den Autoren John von Düffel, während dieser schreibt, läuft, schwimmt und schreibt. Hat er sich leer gelaufen, spricht er seine Gedanken in eine kleine DV-Kamera, die zu seiner „elektronischen Klagemauer“ wird. Schließlich war seine Arbeit getan. Aus hundert Stunden Material entstand nun dieser Film.
Protokoll
Während der Recherchen zu seinem letzten Film Kanalschwimmer (Duisburger Filmwoche 2004) stieß Jörg Adolph fast zwangsläufig auf John von Düffel, der seit seinem erfolgreichen Roman „Vom Wasser“ immer wieder als Wasser- und Schwimmexperte herangezogen wird (wie auch in Houwelandt mehrfach zu beobachten). Die beiden freundeten sich an und gingen gemeinsam schwimmen; und als Düffel von seinem geplanten neuen Roman „Houwelandt“ erzählte, bat Adolph, ihn dabei begleiten zu dürfen. Nach einiger Bedenkzeit stimmte Düffel zu, unter anderem da es ihn zusätzlich zum Schreiben motivierte, einen Beobachter an seiner Seite zu haben.
Die vielen Erzählstränge, über denen Houwelandt trotzdem nie den Faden verliert, benennt Gudrun Sommer als Stärke des Films und fragt, ob Adolph die Komplexität der Buchproduktion von Anfang an klar war, ob er eine klare Vorstellung von der jetzigen Struktur des Films und seinen verschiedenen Stationen hatte. Adolph kannte die Abläufe ungefähr und hat sie auch so eingeplant, aber letztlich hat er doch einen Film mit einem Gesicht gemacht – dem von John von Düffel. Trotzdem handelt es sich nicht um ein Porträt des Schriftstellers. Es geht um das „Nadelör, durch das die halbe Million Zeichen muss“.
Die Szenen mit Düffel hat Adolph alleine gedreht, um mehr auf „Augenhöhe“ zu sein. Kameramann Luigi Falorni kam nur bei öffentlichen Szenen hinzu, wo ohnehin mehrere Personen anwesend waren, also z.B. bei den Lesungen. Rund 15 Stunden Material wiederum hat Düffel selbst von sich aufgenommen. Die Idee zu einer solchen „Tagebuchkamera“ (für Adolph eigentlich ein „scheußliches Stilmittel“) tauchte während der Produktion auf. Ausgangspunkt war der Wunsch, längere Telefongespräche mit Düffel aufzuzeichnen. Dahinter stand auch die Frage, wie der Film den Autor während der Phasen der Buchproduktion, die ohne ihn stattfinden, im Blick behalten kann. Das Material bot eine konstante Strukturhilfe und war gut einsetzbar, weil Düffel sehr souverän mit und vor der Kamera agiert, zugleich aber nicht unangenehm durch übergroße Eitelkeit auffällt. Nicht verwendet wurden Aufnahmen, die Düffel zu sehr „demontiert“ hätten, so Adolph.
Einem Zuschauer scheint es, als zerfalle der Film in zwei Teile: Anfangs steht der kreative Akt im Mittelpunkt, doch sobald das Buch fertig ist, „verschwindet“ der Autor. Adolph stellt klar: Houwelandt ist ein Film über Arbeit, über einen Produktionsprozess (er stellt ihn damit in eine Reihe mit On/Off the Record, Duisburger Filmwoche 2002). Und Kreativität liegt nicht nur in der Innenwelt, sondern auch in der Außenwelt. Letztlich sei eben nicht John von Düffel die Hauptfigur, sondern das Buch – „der Film ist, wo das Buch ist“. Und Spannung resultiert auch daraus, zu sehen, was Düffel außer Schreiben alles können und aushalten muss (darunter viele absurde Gesprächssituationen und TV- Sendungen, in die er als „Wasser-Düffel“ eingeladen wurde). Trotzdem gibt es ja durchaus Versuche, den kreativen Akt des Schreibens selbst sichtbar zu machen – indem der Zuschauer z.B. genötigt wird, mehrere Minuten mit auf Düffels Monitor zu starren.
Werner Ruzicka stimmt zu, dass man das Kunstprodukt nicht ohne den Markt sehen kann, und streift die Analogien des Schreibprozesses zum filmischen Arbeiten. Das Schutzargument, man hätte Düffel mit Teilen des Materials nicht demontieren wollen, bringt ihn zu der Frage, ob man nicht überhaupt demontieren statt montieren sollte. Über die Mitarbeiter des DuMont-Verlages möchte er wissen, ob ihnen das Risiko des Abgebildet-Werdens bewusst war – dass sie durch den Film letztlich als schnöde „Krämer“ dastehen könnten. Vrääth Öner dreht diese Perspektive um: Der Film sei doch letztlich ein willkommener Existenzbeweis gelungener Verlagsarbeit, die es so nur noch selten gibt.
Risiken und Chancen des Abgebildet-Werdens waren den Mitarbeitern von DuMont natürlich wohl bewusst, so Adolph, sonst hätten sie ja nicht so toll „mitgespielt“. Begriffen sie das ganze sogar als „verlängerte Marketing-Maßnahme“? Der Verlag war sehr einverstanden mit der Aussicht, dass der Film keinen Kommentar haben würde, behielt sich allerdings ein Vetorecht vor. Heikel waren Szenen wie die Vertreter- Versammlung. Ohne Düffel als Türöffner hätte Adolph den Film so nicht machen können, wenn er es also z.B. direkt über den Verlag versucht hätte. Doch die Zusammenarbeit erwies sich tatsächlich als willkommen. Aktuell liegt Adolphs Film einer Neuauflage des Romans als DVD bei – das „freut beide Autoren“.
Michael Girke merkt positiv an, der Film verharre nicht in romantischer Genie-Tradition; er bleibe aber dennoch nah am Autor und schaffe so eine eigene Dialektik – zwei Bewegungen gibt es darin, zum Industrieprodukt und zum Kunstwerk. Adolph bestätigt, dass es ihm nicht um Romantisierung, aber auch nicht um völlige Demontage bzw. „Entzauberung“ ging, sondern eben einfach um das Zeigen eines Prozesses.
Erfreulich viele Fragen richten sich an die Cutterin Anja Pohl. Christoph Hübner fragt nach ihrer Arbeit mit der Zeitachse einerseits und der großen Materialmenge andererseits. Die Herausforderung für sie lag darin, die Chronologie der Buchentstehung zu nutzen, den Ablauf der Ereignisse dabei jedoch nicht einfach „abzuhaken“. Was die Materialmenge angeht, hat Jörg Adolph nicht einfach alles bei ihr „abgeladen“, sondern selbst vorgesichtet und Rohfassungen von den einzelnen Drehs zusammengestellt. Seine Herangehensweise bezeichnet er selbst als tendenziell „überstrukturiert“ – z.B. Festlegungen wie „nach der 60. Minute des Films muss das Buch gedruckt sein“. Auf eine Länge von 90 Minuten bringen konnte und wollte er den Film nicht (heute sieht er ihn „gnadenloser“ und hätte vielleicht auch das geschafft). Oliver Baumgarten lobt die Montage, der man anmerke, dass Anja Pohl auch Spielfilme geschnitten hat – in der Art, wie sie „szenische“ Momente einbezieht (gemeint sind z.B. die „kleinen Alltagsrituale“ wie Düffel am Kühlschrank etc.).
Eindrückliche Bilder von der Einsamkeit des kreativen Subjekts sieht Werner Ruzicka in Houwelandt – aber eben keinen Spitzweg-Kitsch, sondern eine moderne Form der Einsamkeit, wenn Düffel etwa im Zug oder in anderen öffentlichen Räumen an seinem Laptop sitzt: ein „Aus-der-Welt-Sein“.