Film

Between the Devil and the Wide Blue Sea
von Romuald Karmakar
DE 2005 | 90 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 29
04.11.2005

Diskussion
Podium: Romuald Karmakar
Moderation: Vrääth Öhner
Protokoll: Torsten Alisch

Synopse

Musik ist Arbeit. Neun Konzerte, von Alter Ego über T.Raumschmiere bis Rechenzentrum. Die Kamera beobachtet, hinter, vor und auf der Bühne. Emotionen, Aggressionen, Sex. Drehen, Ziehen, Schreien, Springen, Rufen, Kreischen, Fallen, Aufstehen, Trommeln, Trinken, Singen, Verausgaben. Hauptsache es rockt: „Show me your power!“  

Protokoll

VÖ: Eine bildliche Auseinandersetzung mit Musik und Performance.

RK: Das formale Prinzip der Plansequenz lässt den Zuschauer am meisten erfahren.

VÖ: Ein Gegenwartsfilm in doppelter Bedeutung

– das Aufgezeichnete passiert jetzt (im Moment der Aufnahme)

– diese Gegenwart wäre sonst verloren (nicht festgehalten worden).

RK: In Berlin kommt elektronische Musik „auffällig auf einen zu“. Im deutschen Kino gibt es kaum Annäherungen daran, das wird komplett dem Fernsehen überlassen. Die Schnittsprache eines Live-Konzerts unterscheidet sich dort kaum von einer Sportsendung. Beiträge über Bands bedienen sich der Clip-Ästhetik. Die Musik wird austauschbar, was auch im Sinne der Künstler ist, die sich so besser verkaufen lassen und hinter ihrem Image verschwinden. Wie kann man das anders erzählen? Wie den Künstler wieder in den Mittelpunkt stellen? Man muss auch die Orte mitreflektieren und das Verhältnis zwischen Künstler/Performer zum Publikum.

RK (auf das Statement eines Zuschauer, der schon lange darauf wartet, dass sich endlich jemand der Abkehr von der MTV-Ästhetik annimmt): Ja, der Gegenwartsbezug … Musik wird im Fernsehen gern wohlwollend rezipiert, wenn sie nichts mit der Gesellschaft zu tun hat. Man verliert den Blick für gegenwärtige Jugendkulturen. Dieser Film kann dem Goethe-Institut in 20 Jahren helfen, wenn es eine Filmreihe zu diesem Thema zusammenstellen will.

RK (auf die Frage Öhners zur Vorbereitung der Aufnahmen oder ob die „spontan“ entstehen): Natürlich muss man sich den Künstlern vorstellen, wer man ist, was man machen will. Und das am Besten nicht erst kurz vor dem Konzert … man kann da nicht einfach mit einer Kamera auf die Bühne gehen. Oder mit den Bands befreundet sein. Beim Soundcheck dabei sein und Kamerapositionen ausprobieren. Fast alle Bands wurden zwei- bis dreimal gefilmt. Man muss wissen, wer die projizierten Bilder macht (bei Alter Ego ist dieser dominierende gelbe Rochen beispielsweise gar nicht typisch für die Musiker – für diese Bilder war der veranstaltende Club verantwortlich).

VÖ: In anderen Filmen kann man von objektiver oder subjektiver Kamera sprechen. Gibt es einen Begriff für diese sehr spezielle Kameraarbeit? Ein „Mit-Sein“ der Kamera etwa?

RK: Nein, Begriffe/Festschreibungen interessieren hier nicht. Wenn man viele Filme macht, kommt das automatisch – und oft gelingt es ja auch nicht. Auf jeden Fall wurde nie extra Licht gesetzt, und immer versucht, sich auf die Atmosphäre einzulassen.

VÖ: Gab es eine „Ansteckung“ durch die Musik, den Sound?

RK: McCarthy ist der klassische Frontman, und es ist beeindruckend, welch energetisches Verhalten er erzeugt.

(… im Folgenden wurde sich dann etwas im Ton vergriffen…)

VÖ: Kommen wir (wieder) zum guten Ton: Dieser „fette Sound“ hat überrascht!

RK: Es ist alles Live-Ton, als Tonquellen standen bereit:

– das Kameramikro

– der Sound direkt aus dem Mischpult

– der Stereoton vom DAT-Recorder

RK (auf die Frage eines Zuschauer, ob die Anwesenheit der Kamera die Show/Performance beeinflusst hat): Bei einer Live-Show, die keinen festgelegten Abläufen folgt, ist es schwer, den Anteil der Realität auszumessen, den die Kamera verändert haben könnte. Erfahrene Musiker kümmern sich auf jeden Fall wenig um die Kamera.

(Der Fragesteller merkt an, dass mit der Kamera ja auch ein ganz neues Publikum die Bühne betritt, ob das nicht relevant sei – aber darauf wird nicht eingegangen.)

Zum Schluss kommt die besondere ästhetische Qualität dieses Films zur Sprache – die sich beim Vergleich der Aufnahmen des Auftritts von Alter Ego gegen Ende des Films (den noch ein weiteres Kamerateam dokumentiert hat, und das man sich als MP3 beim Sponsoren des Konzerts runterladen kann) zeigt.