Film

Für den Schwung sind sie zuständig
von Margarete Fuchs
DE 2003 | 58 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 27
06.11.2003

Diskussion
Podium: Margarete Fuchs
Moderation: Stefan Reinecke
Protokoll: Andrea Reiter

Protokoll

Ein ruhiger, präziser Film, der sich verhalten seinem Thema annähert, so die erste Einschätzung von Stefan Reinecke. Wie ist Margarete Fuchs ihrem Thema entgegengetreten, man hört, sie stamme nicht aus dem Osten? Wie verlief diese Annäherung aus der Distanz?

Auf ihr Thema ist die Regisseurin ganz zufällig über einen Zeitungsartikel gestoßen: Das Foto des Rettungsturms mit skurriler Form habe ihr Interesse geweckt und sie habe zu recherchieren begonnen. Für die DDR schien ihr die Bauart des Turms sehr ungewöhnlich. Sie wollte mehr über die Hintergründe der Architektur erfahren, auch über die Leute, die damit zu tun hatten.

Es existiert momentan ein Trend, die Faszination dieser Bauweise findet sich in vielen Medien und ruft die Bauten von Ulrich Müther in Erinnerung. Auch Margaret Fuchs habe die Idee für ihren Dokumentarfilm aus den Medien, der Trend aber interessiere sie nicht.

Sie verwendete Archivmaterial, das die Nutzung der eigenwilligen Bauten zeigt, gleichzeitig wollte Margarete Fuchs den heutigen Zustand zum Thema machen. In der sozialistischen Welt einen konkreten Nutzen besitzend, sind jene Bauwerke in Ostdeutschland heute oft heruntergekommen oder nicht mehr in Verwendung. (Müthers Bauwerke sind jedoch auch in vielen anderen Ländern rund um den Globus zu bewundern.)

Um diese Räume in ihrer Ästhetik darzustellen, habe sie sich entschlossen, alle Bauten auf 16mm zu drehen. Für das Inselparadies am Meer habe sie mit einem 360°-Schwenk gearbeitet. Gerne hätte sie den Rettungsturm mit einem Kran gedreht, doch die technischen Möglichkeiten für ein vollendetes Bild standen nicht zur Verfügung.

Stefan Reinecke weist auf eine interessante Mischung hin: Einerseits die moderne, in den Worten des interviewten Architekten Kiel „Architektur zum Fliegen“, moderner Baustoff, leichte Formen – andererseits die Bastelarbeit, das handwerkliche Tüfteln, das im Film deutlich gemacht werde. Der Stolz, der in den Bauten mitschwingt, Konstruktionen auf Weltniveau, werden kontrastiert durch das „Basteln“. Dass darin eine Metaphorik der Staatsästhetik zu sehen sei, bietet Werner Ruzicka als Lesart an. Könne man in den Bauten nicht eine kollektive Idee eines Landes erkennen? An den Rändern, auf dem Lande, sei eine Bricollage-Ästhetik entstanden – eine aufkeimende, nicht erfüllte Hoffnung. Diesen Aspekt will Margarete Fuchs für ihren Film nicht deklamieren.

Stefan Reinecke greift diesen Deutungsversuch auf: Hier wäre etwas Kreatives am Rande entstanden, man könne das als Metapher der DDR lesen. Auch ein Gleichklang zwischen untergegangenem Staat und untergegangener Technik schwinge in dem Film mit. Die Bauten wären im Film allerdings nicht als politische Metapher inszeniert.

Margarete Fuchs’ Reaktion: Sie habe die Pragmatiker, als solche würden sich die Beteiligten darstellen, in dieser Form zu Wort kommen lassen wollen, eine andere Herangehensweise habe sie nicht gesehen. Sie habe den aktuellen Zustand zeigen wollen, außerdem sei die Aufbruchstimmung doch auch thematisiert.

Aus dem Publikum wird bemängelt, dass das Hoffnungsvolle, das deutlich aus den Bauten spreche, durch den in den Vordergrund gerückten „melancholischen Sozialrealismus“ erdrückt werde. Wieso wurde diese Hoffnungsstimmung nicht aufgegriffen und hinterfragt?

Kritik wird auch an der Vernachlässigung der Geschichte des Ahornblattes in Berlin geübt. Der Abriss habe in Berlin für große Kontroversen gesorgt. Die Geschichte der Konstruktion bis zur Zerstörung strukturiere den Film, die Debatte im Jahr 2000 käme deshalb zu kurz. Die Regisseurin erwähnt, dass auch Herr Kiel dies bemängelt habe, nachdem er den Film gesehen habe, sie sehe das nicht unbedingt so.

Das Basteln an den Rändern, ohne Programm, das vermittelt der Film, ein „Basteln für die Moderne, auf Rügen“. Das Gefühl, dass in dem Film zu wenig über das Verborgene hinter den modernistischen Bauten, der Kreativität und der Idee dieser Architektur vermittelt worden sei, und der Wunsch mit dem Film an diese Leerstelle herangeführt zu werden, bleibt in der Luft.