Film

A Bookshelf on top of the Sky
von Claudia Heuermann
DE 2002 | 82 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 26
06.11.2002

Diskussion
Podium: Claudia Heuermann
Moderation: Werner Ružička
Protokoll: Andrea Reiter

Synopse

„Das musst Du Dir anhören!“ – Dieser Musiktipp ändert das Leben der Filmemacherin für immer. Jetzt, zehn Jahre später, ist ihr Film über den New Yorker Komponisten und Saxophonisten John Zorn entstanden. In 12 Kapiteln erforscht sie, parallel zu ihrem Leben, sein Motto: Anything goes!

Protokoll

Der Obsession, die sie bei der filmisch umgesetzten Annäherung an ihren Protagonisten angetrieben hat, ist sich Claudia Heuermann durchaus bewusst. Ihre Bewunderung und der daraus entstandene Wunsch, den vielseitigen Musiker Zorn zu porträtieren, haben ihren Ursprung im Hören einer Platte von John Zorns Hardcore-Band – vor langen Jahren. Dabei möchte Heuermann zwischen fan und groupie unterschieden wissen, denn als Zweiteres sieht sie sich keineswegs.

Dass Zorn bereits in ihrem letzten Dokumentarfilm Sabbath in Paradise über ein New Yorker Festival jüdischer Musik zu sehen war, hat die Regisseurin in ihren aktuellen Film integriert, und dokumentiert in zwölf Episoden den Prozess der Suche nach dem Komponisten und Musiker. Diese dauerte so lange, dass sie mit der eigenen Bewusstseinsgeschichte verwoben werden musste.

Die chronologische Unordnung wie auch die zeitliche Umkehrung der Stories, beginnend mit der „Gegenwart in der Vergangenheit“, nutzte Claudia Heuermann, um die Entstehung des Filmes zu kommentieren. Es existierte eine „Materialnot“ bezogen auf das begehrte Objekt John Zorn, der ein pokerartiges Annäherungs-/ Ablehnungs-verhalten an den Tag legte, das Claudia Heuermann irgendwann als eigene Methode übernahm, sich umgekehrt auch John Zorn entziehend. Die schwierigen Phasen veranlassten sie zu grundsätzlichen Überlegungen über das Darstellen von Realität, über Phänomene des Zeitlichen und das Dokumentieren als solches. Bald stand für die Filmemacherin fest, diese Reflexionen in den Film zu integrieren und ihren „Erkenntnisgewinn“ des anything goes zu manifestieren. Die Spiegelungen ihrer Position, über die biografische Angaben in ein konstruiertes Subjekt verwandelt und dadurch gebrochen, halfen ihr, das gesammelte Filmmaterial zusammenzuführen.

Die „Materialnot“ in finanzieller Hinsicht stellte Claudia Heuermann vor ein weiteres ernstzunehmendes Problem. Sie ließ sich nicht entmutigen, nahm viele Stunden Nachtarbeit auf sich, alle Kräfte aufwendend, und schreibt es ihrem „Kamikazedenken“ zu, dass sie um alles in der Welt diesen Film vollenden wollte. Heuermann spekuliert, dass darin ein Gewinn zu sehen ist, denn mit einer abgedeckten Finanzierung hätte John Zorn sie wohl nicht mit jener entgegenkommenden Achtung vor ihrem Projekt unterstützt.

Verschiedene in Duisburg gezeigte Dokumentarfilme beschäftigen sich, bei unterschiedlichsten Herangehensweisen, mit dem Porträtieren. Wie auch A Bookshelf on Top of the Sky legen alle in ihrer Konzeption Wert auf einen Ansatz, der in sich kohärent sein muss. Auf die Frage von Werner Ruzicka äußert Claudia Heuermann ihre Sicht. Man kann in einem Dokumentarfilm den Menschen und ihrer Lebensgeschichte nie hundertprozentig gerecht werden, müsste doch ein alles umfassender Film angestrebt werden, was ein nie zu erreichendes Ziel darstellt. Deshalb versuche wohl jeder/jede für das Porträt einen subjektiven Zugang zu finden und eigene Kriterien zu definieren, die einem objektiven Blick standhalten müssten.

Dokumentarische Spielweisen, mit realem oder dramaturgischem Fake, Irreleitungen der Zuschauer durch Zeitsprünge oder die Vervielfältigung der Blicke wurden dem Publikum als Diskussionsbasis zugeworfen, blieben jedoch ungenutzt. Claudia Heuermann nahm dies zum Anlass ein ermunterndes Statement im Zeichen des Filmwochenmottos in die Runde zu werfen:

_was geht?

Alles geht. Wer den Wunsch hat einen Film zu realisieren, der schafft das.