Film

Thomas Pynchon – A Journey into the Mind of [P.]
von Fosco Dubini, Donatello Dubini
DE/CH 2001 | 95 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 25
10.11.2001

Diskussion
Podium: Fosco Dubini, Donatello Dubini
Moderation: Werner Ružička
Protokoll: Roman Fasching

Synopse

Der Schriftsteller Pynchon ist „Kult“ – obwohl oder weil er sich seit drei Jahrzehnten der Öffentlichkeit verweigert? Der Film folgt den Motiven seiner Romane, sucht nach der Präsenz seiner Person im Internet und in den Städten Amerikas. Schließlich am Ende: Ist da doch ein Bild?

Protokoll

Die letzte Diskussion des Festivals wird von Werner Ruzicka mit der Frage eröffnet, warum die, in Duisburg schon jahrelang bekannten, Regisseure sich für einen Film über Thomas Pynchon entschieden haben. Schon 1985, so Fosco Dubini, bei der Arbeit an einem Film über die Pershing Raketen, sei man auf Pynchon gestoßen. Die Idee hat sich über die Jahre weiterentwickelt, dabei existierten verschiedene Schablonen für den Film, aber eine wirkliche ”Initialzündung” gab es nicht.

Der Film, so Ruzicka, ist ja einerseits eine biographische (Nicht-)Erzählung, aber auch ein Themenfilm. Donatello Dubini erklärt, dass zuerst geplant war, sich nur mit Themen, die man bei Pynchon findet, zu beschäftigen. Man musste aber schnell einsehen, dass dies schwer machbar ist. Pynchons Hauptwerk, der Roman ”Die Enden der Parabel”, ist ob seiner Komplexität und Länge das” am öftesten nicht zu Ende gelesene Buch.” In diesem Buch und Pynchons Roman ”V” haben die Themenkomplexe Raketen, Verschwörungen, Deutschland im 2. Weltkrieg, und die USA zentrale Bedeutung. Die Filmemacher erkannten, dass es unmöglich ist, ein einziges Konzept für alle Themen zu finden, daher verlegten sie sich dann wieder auf einen biographischen Ansatz. So orientierten sich die Dreharbeiten zunächst an Pynchons Biographie, man filmte an ehemaligen Aufenthaltsorten des Autors.

Während der Produktion entstanden dann auch wieder Zweifel, ob eine Biographie wirklich so interessant sei – im Hinblick auf andere Themen, wie zum Beispiel der Import von deutschen Raketenkonstrukteuren in die USA nach 1945. Die ursprünglich biographische Struktur des Filmes erlaubte letztendlich, doch auch einige der Thematiken zu behandeln, da sie die unvermeidlichen thematischen Sprünge verbinden konnte. Erst durch das Wechselspiel, beziehungsweise die Berührungspunkte von Pynchons Biographie und seiner Thematiken wird der Film interessant.

Fosco Dubini merkt an, dass das im Film angesprochene ”Horrorkabinett der unkontrollierten Forschung” (Drogenexperimente) auch heute noch existiert – und zwar unter einer relativ dünnen Decke. Während der Diskussion wird auch kurz der russische Zeichentrickfilm in Thomas Pynchon – a journey into P Film angesprochen, in dem eine Rakete auf Manhattan zusteuert. Die Animation, so Fosco Dubini, hört wirklich an der Stelle auf, an der sie auch in Thomas Pynchon – a journey into P. stoppt: kurz vor dem Einschlag der Rakete. Im Gegensatz zu heute wurde also das Szenario in dem Trickfilm nicht zu Ende gebracht.

Die formale Entscheidung für Splitscreens und interne Parallelmontagen hat zwei Gründe: Erstens, die Interviews wurden mit digitalem Video gedreht. Im Hinblick auf die Projektion auf der Kinoleinwand (Auflösung) verkleinerte man sie dann. Zweitens, die Filmemacher wollten Pynchons Form, die Sprünge und Parallelmontagen in seinen Texten, im Film imitieren.

Die überhöhten Farben einiger Sequenzen sollen ein Gefühl von 60er–Jahre–Ästhetik vermitteln. Auch die verwendete Musik der ”Residents”, von 1973/74, arbeitet, ähnlich wie Pynchon, mit ausgeschnittenem, montiertem und verzerrtem Material. (Der ganze Soundtrack wurde direkt von einer einzigen Platte der Gruppe übernommen.)

Einzelne Kapitel strukturieren den Film, um als ”Rettungsanker” für das Publikum zu funktionieren, denn, so Fosco Dubini, je komplexer die Thematik, desto nachvollziehbarer sollte die Struktur sein.

Ruzickas Schlussfrage dreht sich um das letzte Kapitel im Film. Das Motiv des Bildersuchens im restlichen Film wird gebrochen, da plötzlich ein Bild von Pynchon vorhanden ist und man sich dann in diesem Kapitel fragt: Ist er es, oder ist er es nicht? Donatello Dubini stimmt der Lesart zu und ergänzt, dass dieses Kapitel wie ein kleiner, eigenständiger Film funktioniert, der noch einmal die vorangegangenen Themen und Fragen einfängt, obwohl er die Struktur verlässt.

Ein Diskutant merkt an, dass auch der Film selbst so geheimnisvoll wie Pynchon sei, viele Bilder seien doppelbödig, fiktional. Fosco Dubini: Die Genregrenzen wurden eigentlich schon eingehalten, aber eine Genrediskussion ist dann wieder ein Fall für sich. Allerdings stimmt es, dass der Film keine Doku ist, wie sie die beiden Regisseure bisher gemacht haben. Der Grund für die Verfremdung der verwendeten Archivbilder liegt darin, dass diese Bilder heutzutage eine andere Bedeutung bekommen haben, da sie durch verstärkte Nutzung in vielen Bereichen immer präsenter werden. So wollten sie Begriffe, die als Archivbild im Film auftauchen, wie ein Zeichen benutzen.

Während des Gesprächs fallen auch Anekdoten von mysteriösen Interviewpartnern (”Alle wollten von uns wissen, wieviel wir wissen.”), und das Duisburger Publikum erfährt bisher unbekannte Details aus Pynchons Leben: Er wurde als Kind, Winter wie Sommer, mit kaltem Wasser in einer Badewanne aus Metall gewaschen.

Die Diskussion war nachvollziehbar, verständlich und bewegte sich, auch zum Glück für den Protokollanten, nicht auf einer pynchonesquen Ebene.