Film

Fontaine de Vaucluse
von Wolfgang Lehmann, Florian Krautkrämer
DE 2001 | 62 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 25
07.11.2001

Diskussion
Podium: Wolfgang Lehmann, Florian Krautkrämer
Moderation: Hilde Hoffmann, Fred Truniger
Protokoll: Torsten Alisch

Synopse

Die berühmte Quelle „Fontaine de Vaucluse“ im gleichnamigen Dorf in Südfrankreich ist Anlaß für Besucherandrang aus aller Welt. Das ganze Jahr über strömen Menschenmassen durch eine von fließendem Wasser geprägte Landschaft. Wechselströmungen werden entfesselt. Klangvolles Bildmaterial enthüllt wortlos die verborgenen Strukturen einer eindrucksvollen Natur. 

Protokoll

Touristen, die solche Filme sehen, bevor sie die jeweiligen Orte & Landschaften aufsuchen, könnten sich eine Menge Reiseführer sparen – und hätten doch die Orte & Landschaften im voraus schon mehr erlebt als später auf ihrer „wirklichen“ Reise.

Die übereinandermontierten Aggregatzustände eines ganzen T ages, zum Beispiel, in verschiedenen Jahreszeiten und komprimiert auf eine einzige Stunde. Oder die Veränderung des Ortes in den verschiedenen Jahreszeiten an einem einzigen Tag.

Solch Zeitersparnis bei gleichzeitigem (Film-)Erlebnisreichtum gibt es selten. Und eine extreme Emotionalität kann einen ergreifen, die zum körperlichen Film-Erleben wird, wenn man sich diesem Bilderteppich aussetzt – einer Wanderung gleich, wo der Geist frei schweifen und man die Zeit vergessen und sich fallen lassen kann: in Bild & Ton.

Weniger schön kann es für die dargestellten Touristen werden, die auf das grafische Element des Strömens reduziert oder gleich ganz ausradiert werden (per Einzelbildschaltung, die nur ausgelöst wird, wenn im Bild kein Mensch zu sehen ist). Der Tourist im eigenen Strom empfindet keine Hektik, erst als Außenstehende nehmen wir diese wabernde Masse wahr: Eine gemeinschaftliche Landbesichtigung, die vielleicht nur im gleichklingenden Strom möglich ist. Zusammensein, aber Distanz halten. Die Konkordanz vom Bedürfnis des kurzweiligen Naturerlebnisses.

Die plastische Modellierung der Realität durch die vollständige Kontrolle über das einzelne Filmbild (aus 270.000 Einzelbildern wurden ca. 84.000 für den fertigen Film verwendet). Die Kamera als Zeichengerät. Sicht- & Unsichtbarkeit als Pinsel der Wirklichkeit.

Der Ablauf eines Tages findet sich im Bildinhalt wie auch im Rhythmus dieses Films:

Ein ruhiger morgendlicher Auftakt,

die Steigerung zur Mittagshitze,

dann eine Siesta in Realfilmgeschwindigkeit,

die erneute Steigerung zum nachmittäglichen Höhepunkt

und das Abebben am Abend.

Schritte, Autos, Grillen und Wassergeräusche bilden die Grundlage für Samples aus dem Natürlichen: Jedes Geräusch im fertigen Film wurde am Drehort aufgenommen und später umstrukturiert, verlagert, gedehnt oder verkürzt. Neben der bemerkenswerten Qualität der Bilder entfalten die Töne erst das endgültige Kinoerlebnis – der Sound forciert das Visuelle – und am Ende mag man dem Ton fast mehr vertrauen als den Bildern.