Film

Asta E
von Thomas Ciulei
DE 2001 | 92 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 25
09.11.2001

Diskussion
Podium: Thomas Ciulei
Moderation: Werner Ružička
Protokoll: Andrea Reiter

Synopse

Am Rande Rumäniens liegt die Stadt Sulina, eingebettet in Natur. Die Bewohner arrangieren sich zwischen Arbeit, Alkohol und Außenseiterdasein. Der Film führt uns mit poetischen Bildern in die Alltagswelt dieser Menschen und deren Leben mit und von der sie umgebenden Landschaft. Asta E: so ist’s nun mal.

Protokoll

Asta e ist ein Film über die Menschen und die Landschaften des rumänische Städtchen Salina in der Nähe des Schwarzen Meeres. Salina erscheint als Grenzort, nicht nur in topographischer Hinsicht, sondern wie Werner Ruzicka einleitend bemerkt, auch in Bezug auf die Menschen, die einen Grenzzustand verkörpern.

Inszenierte Realität

Im Abspann des Films werden die Porträtierten als Darsteller bezeichnet. Der Dokumentarfilm erhält dadurch einen inszenatorischen Charakter, der auch im Film deutlich sichtbar wird. Deshalb bittet Werner Ruzicka den Regisseur zu Anfang etwas über das Konzept des Films zu erzählen.

Thomas Ciulei wollte den Menschen einen Freiraum geben, in dem sie sich hätten verwirklichen können. Er versteht sich nicht als Regisseur und Kameramann, der den Menschen hinterherrennt, um die besten Bilder einzufangen. Er versuchte im Einverständnis mit ihnen einzelne Szenen zu entwickeln. Diese Art des inszenierten Dokumentierens funktioniert nur, wenn mit den Menschen klar verabredet ist, was sie zu machen gewillt sind. So kamen u.a., die „Woodoo“-Szenen oder die ausgedehnten Beobachtungen der Streitereien zwischen dem älteren Ehepaar zustande, allerdings mit Überzeugungsarbeit des Ehemanns, wie Cuilei anmerkt.

Die Menschen stellen sich selber dar, haben eine Art Spiegel vor ihr Leben gestellt, nach dessen Bild sie agieren. In diesem Sinne ist auch die Kamera als Spiegel zu deuten.

Wie ist dieser Freiraum innerhalb eines Rahmens zu verstehen? Er richtet sich nach Ciuleis Konzept, die Menschen in ihrem gewohnten Umfeld zu filmen, wobei die Handlungen auf den jeweiligen Ort zurückweisen sollen. Ciulei erwähnt die Szene mit dem Jungen, der auf der Suche nach einem Stück Kabel durch den Schiffsrumpf klettert. Sie ist inszeniert, auch das laute und für die Sequenz äusserst wichtige Krachen eines fallenden Gegenstandes. Es weist über die Bilder hinaus auf die ständige Gefahr, in der sich der Junge auf seinen regelmässigen Schiffserkundigungen befindet.

Der Mensch hinter der Kamera

Eine kritische Stimme aus dem Publikum findet den Film durch die Nähe zu den Menschen sehr schön, liest ihn als eine Art Selbstporträt und fragt aber, wie weit man in der filmischen Offenlegung sehr persönlicher und intimer Momente gehen dürfe, gerade auch in Bezug auf die Darstellung der aufgebahrten, toten Frau im Schiff.

Die Frage „Wie kann man so nah bei den Menschen und doch so weit weg sein?“ will das Verhältnis Regisseur – Kamera – Porträtierte ergründen. Cuilei ging darauf nur am Rande ein. Verteidigend bemerkt er, diese mehrfach geführte Diskussion führe zu keiner Lösung. (Der folgende, kleine Schlagabtausch wird vom Publikum staunend verfolgt. Es stellt sich heraus, dass die Fragestellerin die Cutterin des Films und die Ehefrau des Regisseurs ist, die nicht auf das Podium wollte, um aus dem Publikum heraus ihre Frage an den Regisseur zu stellen.)

Zur surrealen Darstellung des Todes oder auch des durch die Stadt „schwebenden“ Schiffes erwähnt Werner Ruzicka Fellinis La nave va als Referenzpunkt des ganzen Film.)

Der Regisseur will den Umgang mit Zeit, dieses andere Zeitgefühl, die Weltordung der Menschen und ihre Lebensweisen zeigen, dies versuchte er mit dem Stilmittel ausführlicher, langer Darstellungen einzelner Handlungen.

Eine Zuhörerin fragt nach im Film fast nicht vorhandenen Frauenfiguren, wozu sich der Autor nicht zu äussern scheinen will. Er habe keinen politisch korrekten Film machen wollen, natürlich gebe es viele Frauen in Salina, aber er könne nun mal nicht alles zeigen.

Komposition der Figuren

Werner Ruzicka stellt fest, dass die Menschen „aus drei Generationen“ gecastet wirken. Anfänglich wollte Cuilei eine Dokumentation verschiedener sozialer Gruppen machen, aufgrund des politischen und sozialen Wandels nach 1989, der sich auch bei den von Ciulei bereits ausgewählten Personen bemerkbar gemacht hatte und die Durchführung seines Konzept verunmöglichte, entschied er sich für die Darstellung verschiedener Generationen. Insofern seien sie natürlich speziell ausgewählt.

Blickstrategien des Films

Für Cuilei ist die Rahmenfigur Pal im Film bedeutend. Sie eröffnet den Film mit einem langen Gang auf die Kamera zu und einem langen Blick in sie hinein und beendet ihn mit Pals – nicht vorgeschriebenen – philosophischen Monolog über das Leben und das Verhältnis von Natur und Menschen. (Der Blick in die Kamera wird zu einem Anblicken der Kinobesucher und zu einem Blick in den Kinosaal.)

Die verschiedenen Ebenen des Blickens/Anblickens, jene der Menschen und jene der Kamera auf die Menschen und Landschaften haben eine besondere Bedeutung in diesem Film. Detailaufnahmen werden Totalen gegenübergestellt, die Bilder erhalten dadurch etwas Unwirkliches. Ciulei zitiert seinen früheren Kameramann, der davon ausgeht, dass in der Totalen das Detail und in der Grossaufnahme das Totale besser zu erkennen ist. Diese Idee übernimmt er, um so durch Nähe den gefilmten Menschen eine Distanz gegenüber dem Zuschauer wiederzugeben.