Film

Die Erklärung des ersten Kapitels Luce. (das doch eyn yeder lernte mit eynem halb Aug sehen)
von Andreas Goldstein
DE 1998 | 36 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 23
04.11.1999

Diskussion
Podium: Andreas Jakob Goldstein
Moderation: Rembert Hüser
Protokoll: Hilde W. Hoffmann

Synopse

Im ausgehenden Mittelalter predigte Thomas Müntzer in Thüringen. 1525 stirbt er mit 6000 Bauern in der letzten Schlacht des thüringischen Bauernkrieges. Was für ein Leben war da gewollt und verteidigt? Der Schlachtberg ist das erste Bild des Films. Er ist den Bergarbeitern des Eichsfeldes gewidmet.

Protokoll

[Der Film beginnt mit einem Bericht über die Bauernaufstände im 16. Jahrhundert, setzt sich in einer Kette der Landschaften, dem tatsächlichen Ort der Kämpfe fort und endet mit einer Predigt Thomas Müntzers aus den selben Tagen. Der Bericht, die Landschaften und die Predigt gehören also zu einer Geschichte und sie erzählen sie jedes Mal als Ganzes.]

Gewidmet ist der Film den Bergarbeitern des Eichsfeldes.

Goldstein erzählt von einem radikalen Aufstand nach dem Ende der DDR in dieser, sehr katholischen Gegend. Er stellt sich am Ende des Jahrhunderts die Frage, wo man sich verortet und „in der deutschen Geschichte sucht man Revolution und Konterrevolution“.

[Die lineare Abfolge stellt keine kausale Verbindung her. Der Film ist weder eine historische Rekonstruktion, noch eine Verkleidung des Jetzt in die Kostüme der Vergangenheit, noch die Verspottung der Vergangenheit durch das elende Inventar der Gegenwart.]

Rembert Hüser fragt nach filmischen Traditionen und nennt Jean Marie Straub. Goldstein erzählt über seine Arbeiten, als Versuch Dinge miteinander in Beziehung zu bringen und zu konfrontieren. Er berichtet vom „Widerstand der eigenen Materialien“.

[Die Kamera verteidigt dieses „Weder-noch“.]

Aus dem Publikum wird nach Sinn gefragt, die Bilder werden „als Behauptung“ die man nicht kenne empfunden. Die Panoramaschwenks haben kein primäres Erkenntnisinteresse, keine Beweiskraft, sie zeigen Orte, klärt Goldberg.

[Die Filmarbeit erscheint hier als eine fast pathetische Anstrengung, etwas dasein zu lassen.]

Volker Heise spürte „Elemente von Widerständigkeit“. Die Landschaft, versuche einen Geist herbei zu holen, – „ein fast heidnischer Vorgang der Beschwörung“.

[Die Rezitation der Müntzerschen Predigt wiederholt diese Anstrengung.]

Die Rezitation ohne Schauspiel, ohne rettende Mittelbarkeit, ist der Versuch Sinn zu unterlaufen um neuen Sinn zuzulassen. Ein „leerer Ausdruck damit der Hörer die eigene Emphase entfalten kann“. Höre ich bei Gesprächen nach der Diskussion.

[Diese Rede, eine Morddrohung und ein Gebet, ein Fluch und ein Verzweiflungsschrei zugleich, ruft nicht nur zum Aufstand – sie selber ist schon der Aufstand.]

Ein Diskutant macht den Vorwurf, daß man sich auf dem Duisburger Festival nicht mehr traue, gesellschaftspolitisch zu arbeiten, es sei eine „Flucht in Poesie“.

Später spricht Michael Pilz von einer anderen Angst: Die Angst über das eigene Erleben zu kommunizieren, nur über das Projezierte Bild, nicht über das Innere Bild sprechen zu können, auch aus der Sorge man habe etwas vielleicht nicht verstanden.

Eine Kommunikationslosigkeit, die sich in einer anderen Form der „Widerständigkeit des Materials“ manifestierte: Defekte Mikros erschwerten an diesem Morgen eine „gemeinsame Sprache“ zusätzlich.

[zitiert nach: Olga Fedianina]