Film

Der Duft des Geldes
von Dieter Gränicher
CH 1998 | 79 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 22
1998

Diskussion
Podium: ?
Moderation: ?
Protokoll: Diana Ebster

Protokoll

Ähnlich wie Reinhold Messner auf seiner jahrelangen Suche nach dem Yeti, so legte sich auch Dieter Gränicher auf die Lauer nach einem scheuen Tier. Obwohl längst nicht so selten wie der Yeti, ließ sich „das Geld“ zumindest in ausgewachseneren Formen nur schwer vor die Kamera bekommen. Fündig wurden auf ihre Art und Weise mittlerweile beide.

Der Moderator Volker Heise eröffnete die Diskussion zu Der Duft des Geldes mit der Feststellung, er habe wenigstens zwei Dinge aus dem Film gelernt, nämlich, daß Geld nicht stinkt sondern duftet, und daß man über Geld nicht spricht. Zumindest für die Gattung des sogenannten „alten Geldes“ gilt das nahezu absolut. Eine der intimsten Stellen des Filmes war daher auch die, in der ein Baron (also altes Geld) während eines pompösen Abendessens bei Mr. Neureich sich zu einer persönlichen Äußerung zu diesem Thema verführt sieht. Einen zweiten Bruch erkennt man an der Stelle des Filmes, an der der ansonsten gespannt vor seinem Computer agierende Börsianer lachend zugibt, daß sein Gewinn sich natürlich aus dem Verlust eines anderen ergibt, während er sich mit verschränkten Händen hinterm Kopf entspannt in seinem Sessel zurücklehnt. Aus diesen beiden knappen Szenen folgt für Volker Heise die Frage, ob man seine Darsteller nicht etwas härter hätte anfassen können. Aber vermutlich wollte Gränicher nicht nur nicht die letzten vier Objekte vergrätzen, die er nach langer Recherche endlich und als einzige vor die Kamera gebracht hatte; er schien tatsächlich kein Interesse daran zu haben, seine Figuren vorzuführen. Nicht nur, da ihm seine Akteure „immer auch sympathisch seien“, hätte er kein Interesse daran, sein filmisches Personal zu denunzieren.

Die zwei Grundabsichten des Autors und Regisseurs für dieses Projekt waren also erstens, daß er keinen denunziatorischen Film machen wollte. Es liege ihm nichts daran, so Gränicher, seine Figuren zu denunzieren, wenn schon, dann wolle er sie eher verführen, aber auch dies nicht bedingungslos… Und zweitens, – das zur beabsichtigten Uneindeutigkeit seiner Figuren – wollte er es auch dem Publikum bei diesem Thema und den gezeigten Typen nicht zu leicht machen. Im Grunde steht dahinter die Idee des aufklärerischen Anstoßes, über das eigene Verhältnis zum Geld nachzudenken, selbst wenn man kein Schweizer ist. Bei diesem Anspruch gelingt es dem Film aber gleichzeitig, in einer intelligenten Weise humorvoll zu sein, worauf nachdrücklich und wiederholt aus dem Auditorium hingewiesen wurde.

Man erfuhr in Dieter Gränichers Schilderungen der Entwicklung des Projektes, daß der Film zunächst in einer tagebuch-ähnlichen Form gedacht war, die schließlich verworfen wurde. So erklärt sich auch, daß er immer wieder selbst im Bild erscheint. Abgesehen davon aber entspricht die Präsenz des Machers im Werk auch der eigenen Haltung zur Arbeit.

Den vier unterschiedlichen Typen, die den „Duft des Geldes“ nun charakterisieren, kann man sich auch über das auffallende Motiv der Musik im Film nähern. Diese Ebene wird komplett von den vier Sätzen Tschaikovskys 6. Symphonie bespielt. Das Thema der Musik im Film leitete Thomas Rothschild mit seiner Vermutung zur Funktion der Symphonie ein, denn ihm schwante ein verborgener Sinn, was der Regiesseur bestätigte. Auch hier, erfährt man, wächst sich wieder einmal der Zufall zur tragenden Konzeption aus. Gränicher mochte die Musik von Tschaikovsky ganz einfach und war von ihr während seiner Arbeit am Projekt begleitet, bis ihm plötzlich auffiel, daß die vier Sätze der 6. Symphonie jeweils zu den einzelnen vier Personen seines Filmes paßten. Trotz anfänglicher Zweifel, die Musik könnte womöglich zu pathetisch sein, erschien deren Einsatz doch an einigen Stellen wie ein ironisches Glanzlicht, durch das die Figuren zudem recht erstaunlich interpretiert wurden.

Wenn auch Werner Ruzicka „bei der Abstraktionsfähigkeit, die dieses Thema braucht“, eine subtilere Lösung als die praktizierte musikalische gewünscht hätte, wies er doch auf eine weitere interessante Setzung auf tonaler Ebene hin: die geheimnisvoll rauhe Stimme aus dem Off. Ihre Abwesenheit im Bild, wie auch der immer wiederkehrende Blick auf bloße Zahlen, erinnern daran, daß sich Geld eigentlich nicht zeigen läßt. Und vielleicht ging dieser Gedanke auch in die Richtung einer Zuhörerin, für die Der Duft des Geldes eine „deutlich philosophische Dimension“ besaß.

Neben der Figur des Medienproduzenten, der in seiner etwas prollig protzigen Pracht doch ziemlich tiefe Eindrücke hinterlassen hatte, tauchte im Gespräch auch immer wieder die Figur des Börsianers auf. Heise fiel auf, daß Gränicher ihn wiederholt scheinbar bewußt einsetzt. Und nicht nur einer Zuhörerin aus dem Publikum erschien genau dieser Börsianer als perfektes Klischee des Schweizers. Auch für Gränicher verbildlicht er eine ganz spezielle und faszinierende Energie des Geldes. Eben diese immer wieder auch zu den anderen Personen des Filmes in Bezug zu setzen, habe ihn interessiert.

Der Ausblick, der dem Film gelingt: über Geld ließe sich noch vieles sagen…

Zumindest eines von Werner Ruzickas Bedürfnissen mußte aber ungestillt bleiben – um hier auch wieder mit einem Bild aus dem Tierreich zu enden – : Zu Beginn des Filmes, als die Kamera auf einem Boot vom Fluß aus das Zür’cher Stadtpanorma abfilmt, kann die Kollision mit einem, dem Boot entgegensteuernden Jung-Schwan eben noch verhindert werden. Dazu Ruzickas Anmerkung an den Regisseur: „Ich hätte mir gewünscht, du hättest den Schwan überfahren, ich hätte es auf jeden Fall getan“.