Film

Altenheim
von Wolfram Seeger
DE 1998 | 90 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 22
1998

Diskussion
Podium: ?
Moderation: ?
Protokoll: Hilde Hoffmann

Protokoll

Mit dem Wunsch: „Viel Spaß beim Blick in eure Zukunft“ entließ Seeger das Duisburger Publikum in seine Beobachtende Dokumentation Altenheim. Ein Autorenfilm im klassischen Sinne – Wolfram Seeger führte Regie, Kamera und war beim Schnitt beteiligt.

Die Hoffnung, Dokumentarfilm könnte das individuelle Abwerhrverhalten gegenüber gesellschaftlichen Tabuthemen angehen, wird auch mit Altenheim zum Thema. Der ‚blinde Fleck‘, den Seegers Dokumentation berührt, wird durch Werner Ruzickas Bemerkung, auf dem Weg in den Diskussionsraum habe habe ihn ein Gast angesprochen, der nach fünf Minuten des Films, aufgrund von Schuldgefühlen den Kinosaal verlassen mußte, verdeutlicht.

Die Frage an den Filmemacher, warum er diesen „ausgeblendeten Bereich“ angegangen sei, beantwortete Seeger mit seinem Interesse an der „vierten Phase“ des Lebens, wenn man auf die Hilfe anderer angewiesen ist. Er wollte der Frage, „wie ist das mit dem Älterwerden“, nachgehen.

Seeger ließ sich mit den Vorbereitungen des eigentlichen ‚Drehs‘ Zeit, er habe 2-3 Monate im Seniorenzentrum Köln Riedel beim „Essenausteilen und anderen Alltäglichkeiten mitgeholfen, um Bewohner und Abläufe kennenzulernen.“ Er beschreibt ein städtisches Altenheim, das unterschiedliche gesellschaftliche Schichten und unterschiedlichste Stationen, von der ‚geschlossenen‘ bis zur ’normalen‘ Station vereint.

Nach den Kriterien für das Casting gefragt, erklärt Seeger, daß einige Personen nicht gefilmt werden wollten, einige erst während des Projekts Interesse entwickelten. Die Personenauswahl habe sich auch während des Drehens noch verändert. Primär wäre für ihn die Möglichkeit zur Kommunikation gewesen.

Von einigen Personen aus dem Publikum wurden die Gesichter der Gefilmten als suggestiv empfunden, man „wurde fast eingesaugt“. Seeger Statement, er sei „Handwerker und nicht Theoretiker“ und versuche, „entsprechend der Gesprächssituation den Personen gerecht zu werden“, leitete das Publikum zum nächsten Fragenkomplex:

Auf die Frage, wie es möglich war, während der Gespräche zu filmen, erklärt Seeger, daß die Kamera im Gespräch neben ihm stehe, er die Bilder mit einem kleinen Monitor kontrolliere und so frei für das Gespräch sei. Auch wenn er dieses als „Spagat und Doppelbelastung“ empfinde, unterstreicht er, daß die Arbeitsweise zu zweit, mit einem Tonprofi, der die Gefilmten ebenfalls kenne, besser und konzentrierter sei. Ihm falle es als Kameramann generell schwer, mit anderen Kameraleuten zusammenzuarbeiten. Auch die Interviewtechnik erschien Teilen des Publikums fraglich: Aus welchem Grund Segmente gezeigt wurden, die offensichtlich noch einmal gespielt waren? Ob er als Autor diese Stellen nutze, um präsent zu werden? Auch Fragen nach dem teilweise manipulativen Charakter seiner Fragestellung konnten auf generelle Probleme des Dokumentarfilms hinweisen, „wenn Protagonisten im Vorgespräch schon einiges sagten, aber bei laufender Kamera die ‚wichtigen Dinge‘ nicht nennen“.

Einer Diskutantin war unverständlich, warum demente Bewohner keinen Raum fänden, da diese auch im Heimalltag verschwiegen würden; für sie eine verlorene Chance. Ruzicka gab zu bedenken, daß in dem Film deutlich wurde, daß „beide Seiten auch anders können (Bewohner und Personal). Die Fantasie läßt viel offen. Revierkämpfe usw. werden bis an eine Grenze gezeigt, die andeuten, aber nicht vorführen.“

Einerseits wurde gelobt, daß die „Alten nicht mehr nur Speicher von Erinnerung“ wären, daß der Film den Leuten eine Gegenwart gebe, andererseits wird in diesem Zusammenhang der Einsatz historischen Materials kritisiert. Die verarbeiteten alten Fotografien wurden als „unnötige Einschübe“ empfunden. Der Film hätte die Personen so nahe kommen lassen, daß man gerne eigene Bilder ihrer Vergangenheit entwickelt hätte, „anstatt Bilder geliefert zu bekommen“.

Die Meinung eines Diskussionsteilnehmers, er habe Mut bekommen, sich weiter mit alten Menschen, auch filmisch zu beschäftigen; die Dokumentation weise immer auf ein Heute, auf das eigene Leben hin und habe viel angestoßen, fand allgemeine Aufnahme. Ein Gespräch über die „Notwendigkeit, sich innerlich auf das Alter vorzubereiten, sich Gedanken über den eigenen Lebensabend zu machen“ und Fragen von „wie kann ich mein eigenes Leben gestalten?“ bis „wie will ich alt werden“? beschloßen die Diskussion.

Dem Publikum war eine offene Nachdenklichkeit über die eigene Endlichkeit und über die Möglichkeiten der Planung der eigenen „4. Phase“ anzumerken, die vielleicht von einer aufreibenden und intensiven vergangenen Duisburger Filmwoche positiv unterstützt wurde.