Film

Dear Fritz. Der Schriftsteller Fritz Habeck
von Joerg Th. Burger, Andreas Weber
AT 1996 | 30 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 20
08.11.1996

Diskussion
Podium: Joerg Th. Burger, Andreas Weber, Johannes Rosenberger (Ton, Musik)
Moderation: Sabine Fröhlich, Didi Danquart
Protokoll: Torsten Alisch

Protokoll

„Man wartet darauf, daß man 80 wird“: Dieser Satz charakterisiert den Film, sagt Sabine Fröhlich, der Film beschreibt genau dieses Warten.

– Die folgenden und viele andere Sätze der drei Filmemacher, allesamt schnell redende Österreicher, können hier aus Verständnisgründen nur unvollständig wiedergegeben werden –

Jedenfalls haben sie das Material zu zweit aufgenommen und „irgendwie gedacht, daß es irgendwie funktioniert“.

– Das Lachen. Der Ostler. Die Probleme. – Alles diffamierend gefilmt, von ganz weit weg, nur Standardsätze, die wir da zu hören kriegen, „Wozu macht ihr diesen Film???“, dieser Mann will nicht sprechen usw. usw. usw. in bestem empörten Ostdeutsch. „HERZLOS ist das!“

Didi Danquart (aus Freiburg und Berlin) sieht das etwas anders: Wenn hier jemand jemanden im Griff hatte, dann doch wohl der Fritz Habeck das Filmteam! Da kommen junge Menschen, die den Fritz mögen, und in jeder Nacktheit spürt man seine Freude, daß es noch Menschen gibt, die sich mit ihm beschäftigen.

C H A R M A N T ist das!

Ruzickas Stichwort ist gefallen:

Der Film entreißt diesen Menschen der selbstgewählten Einsamkeit und gibt ihm eine Präsenz, die die Kamera zu zeigen vermag. Vielleicht rettet die Kamera ihn auch davor, seinen eigenen Tod zu arrangieren? Jedenfalls ist Fritz Habeck bereit, Bilanz zu ziehen: eine Bilanz des Scheiterns und des Alterns. Das ist filmisch GROSSARTIG. (Hemingway dagegen ist Scheiße, warum fällt mir nicht mehr ein). DEAR FRITZ ist ein stilsicherer Film, der zuläßt, daß dieser Mann seine Kraft aus dem Alkohol bezieht. Die Autoren ergänzen: Der Film ist auch Vehikel der Kommunikation: Fritz war/ist allein & einsam, die Familie bezahlt ihm sogar „Konversationspartner“, und mit diesem Film findet er endlich Beachtung.

Die leidigen Außenaufnahmen: Für die Wiener Macher deuten sie in Richtung „Tod, Sarg, Erde“, es sind „Orte der Erinnerung“, wo „Zeitsprünge“ möglich werden. Ruzicka widerspricht vehement: Ähnlich den Gefängnis-Aufnahmen in HINTER DIESEN MAUERN, wo die Filmemacherinnen Tage brauchten, um das Gefängnis von außen zu filmen und im Film dann nichts anderes zu sehen ist als ein normales Gefängnis von außen, sehen wir auch hier nichts als völlig normale Außenaufnahmen, die allenfalls „störend, aufdringlich und unnötig“ sind. Die Außenaufnahmen deuten an, es gebe eine Fiktionalität in seinem Leben, „es gibt aber eigentlich nur das Innere“! Johannes Holtzhausen dagegen sieht in den Außenaufnahmen „extrem komponierte Bilder“, einen eigenen filmischen Raum, der einen Subtext öffnet: Die Seelenverwandtschaft zwischen Hemingway und Fritz Habeck wird hier bildlich.

Die starke Präsenz Hemingways im Film erklärt sich aus der starken Präsenz Hemingways im Leben von Fritz Habeck – er galt als „Austro-Hemingway“, schrieb von diesem beeinflußte Geschichten mit stark klassenkämpferischen Untertönen.

Noch einmal wird Kritik laut, daß dieser Film einem Menschen die „Würde“ nimmt, ihm den „Schneid g’stohln“ hat, man nicht erfährt, wie es Fritz „wirklich“ geht. Ruzicka entgegnet: Vor dem Film kannten wir Fritz Habeck nicht, weder ihn noch sein Œuvre, wie kann man dann das Gefühl haben, daß einem Menschen was genommen wird, wenn wir ihn doch gerade erst kennenlernen? Mit diesem Film bekommt Fritz Habeck sein Leben zurück (ähnlich Dr. Sváb in L’AMOUR FOU). Und auch Didi Danquart kann Erkenntnisse nicht mehr zurückhalten: Die Schlüsselsequenz im Film, als Fritz Habeck am Tisch sitzt, mit 78 Jahren sein nacktes Fleisch ausstellt und über die Lächerlichkeit des Tuns im Alltag philosophiert – genau da werden alle Einzelheiten der schriftstellerischen Arbeit und des Heminwayschen Briefwechsels unwichtig, und das „existenzielle SEIN“ tritt zu Tage:

Nacktsein, Alkohol & Rauchen

(Drei Dinge braucht der Mann?)

– Das Lachen. Der Ostler. Die Probleme. – Alles diffamierend gefilmt, von ganz weit weg, nur Standardsätze, die wir da zu hören kriegen, „Wozu macht ihr diesen Film???“, dieser Mann will nicht sprechen usw. usw. usw. Und „HERZLOS ist das!“ … und nun: „Ich konnte nicht lachen! Ich dachte, ich lache über ihn! Über diesen Menschen! Das kann man doch nicht machen!“

Jemand muß behutsam erklären, daß nicht über Fritz Habeck gelacht wurde, sondern mit ihm, daß beide zusammen (Zuschauer & Protagonist) über die Lächerlichkeit & die Brüchigkeit des Seins lachen. (So wird denn auch niemandem wehgetan, im Film wie im Leben, und das ist ja die Hauptsache). Auch Sabine Fröhlich hält diesen Vorwurf des „Vorführens“ eines Menschen für Quatsch. Schon zu Beginn des Films sagt Fritz Habeck: „Ich fühle mich nun wie ein Schauspieler“ – und spielt dann mit spürbarer Lust seine Rolle.

Am Ende ging es um das „Entweder/Oder“ und um das „Und“: Dieser Film hat alles, so wie Constantin Wulff es in dem Österreichischen Roman „Das Land ohne Eigenschaften“ als Entweder Und Oder mal gelesen hat.