Protokoll
Ausgelöst durch einen Zeitungsartikel über die FBI-Bespitzelung begann vor langer Ianger Zeit das Interesse der Dubinis an der Person Jeon Seberg. Nachdem das 272 Seiten starke FBI-Dossier als Kopie in Washington besorgt und unzählige Fotos, Berichte und anderes Archivmaterial gesammelt waren, begannen die Dubinis mit Interviews und langwierigem Videoschnitt ihrer Aufnahmen -ohne sich erstmal um irgendwelche Rechte und Copyrights zu kümmern … bis sie feststellen mussten, daß die gewünschten Filmausschnitte gor nicht bzw. nur für sehr viel Geld zu bekommen sind. In der fertigen Fassung ihres Films finden sie die animierte Fotosequenz aus „A bout de souffle“ jetzt aber besser als mögliche Filmausschnitte.
Der Film wirke sehr sehr kalt, kritisiert jemand, worum denn nicht mehr privates Material zu sehen gewesen sei? Fosco Dubini hat einen ähnlichen Eindruck, und er hätte auch gern ihre Gedanken stärker im Film gehabt … aber diese Kälte hat auch mit Jean Seberg selbst zu tun, die sich in ollen gefundenen Interviews sehr professionell jeglichem privaten Zugang verwehrte. Eigentlich wollte sie ja Schriftstellerin werden … Während der „Block Panther“-Phase gibt es keine Bilder von ihr, und am Ende schleicht sie sich aus ihrer eigenen Geschichte (in den beiden Garreii-Filmen aus den 70ern bleibt sie stumm oder wird nur noch von hinten gefilmt).
Thomas Rothschild findet die „offenen Enden“ des Films interessant, aber stört sich an der vorgeblichen Krankenhaus-„Paranoia“ der Seberg, die doch sicherlich durch die FBI-Bespitzelungen ausgelöst worden sei, oder? Irgendwie wird das aber nie ganz zu klären sein …
Werner Ruzicka stellt die These auf, ob die Seberg nicht nur eine mehr oder weniger von ihr selbst erfundene Kunstfigur war … ober das bringt die „Diskussion“ auch nicht recht voran.
Filmstars funktionieren nur über Fotos, erläutert Fosco Dubini, Fotos sind immer eindrucksvoller als Filme. Von ollen großen Filmstars bleiben nur die stilisierten Fotos in Erinnerung, während Filmausschnitte fast dokumentarisch wirken. Die Magie der Standfotos. Das Einfrieren eines Gesichts … frozen … stills. Aus dem Originalnegativ der „Otto Preminger Foundation“ von Bonjour Tristesse hat jemand stills herausgeschnitten – und nun? Ikonen sind starr, lautet eine weitere Erkenntnis. Und im Gegensatz zu stills und Archivaufnahmen wirken die Gegenwartsbilder aus den Wohnungen in diesem Film unglaublich platt und flach: „Die Schärfe des Films kann eine Schwäche sein“, erkennt Dietrich Leder.
Irgendwie ist dies auch ein Nachtrag zu „1 00 Jahre Kino“, die Kehrseite der Medaille, daß sich nämlich die Filmindustrie auf den Knochen so vieler Leute entwickelt hat, die dafür bezahlen mußten … und es gibt auch gerade einen zweiten Jean Seberg-Film, von Mare Rappaport, der nur aus Filmausschnitten besteht und zusammen mit dem Dubini-Film in Locarno Weltpremiere hatte.
„Unsere Filme funktionieren dadurch“, hoffen die Dubinis, „daß sich in ihnen die Bilder transformieren, aufladen und verändern“, besonders schön zu sehen in den Interviewsequenzen, wo sich die Handkamera grundlos vom Interviewten abwendet und im Raum umherirrt. Durch die draufgelegten Musiken und Off-Töne entsteht dann immer eine andere Stimmung.
Die Dubinis betonen, daß sie sich strikt weigerten, mit dem Sohn, der Schwester oder den anderen Ehemännern Sebergs zu reden, weil den „Randfiguren“ mehr Raum gegeben werden sollte. Manchmal ist es ja auch besser, lieber keine Einzelheiten zu erfahren. In den 70er Jahren gab es viele schlimme Dinge, mit FBI, Drogen, Geld und vielen, vielen Toten und noch mehr und mehr Vermutungen. Conspiracy. Da soll man sich den NICO ICON- Film am Samstag ankucken, da kann man das auch sehen.