Film

Und sahen was zu machen war…
von Stephan Sachs
DE 1994 | 72 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 18
08.11.1994

Diskussion
Podium: Stephan Sachs
Moderation: Constantin Wulff, Klaus Kreimeier
Protokoll: Torsten Alisch

Protokoll

Klaus Kreimeier schilderte seine erste Begegnung mit Stephan Sachs: während einer F.W. Murnau-Ausstellung in Bielefeld, wo Drehsets von Stummfilmen der Zwanziger Jahre nachgebaut wurden und er Stephan Sachs als „Bastler“ kennengelernt hatte. Dieser Film nun, ein „listiges, fast hinterlistiges filmisches Bastelwerk“, so Kreimeier, besteche durch seine Montageleistung: durch die Konstruktion und anschließende De-Konstruktion im filmischen Material.

Stephan Sachs, der von der Bildenden Kunst kommt, erfuhr hier die Faszination des Monumentalen (der Bau einer Riesen-Statue in kleinster Werkstatt). Sachs kann sich dieser Faszination nicht so einfach entziehen, eine Art von Haß-liebe tut sich da auf. Er versteht sich selbst als Sammler, der zu Beginn gor nicht wußte, wie er das sich anhäufende Material ordnen und bearbeiten werde. Erst als die Reiter-Statue ihren endgültigen Platz auf dem Sockel gefunden hatte- ein Thema des Films also an einen vorläufigen Schlußpunkt gelangt war – begann er die Montage. Kreimeier: „Die politische Reflexion des Geschehens findet sich in der ästhetischen Organisation des Materials“, wie etwa der Verwendung von Zeitsprüngen und Zwischentiteln (die mehr irreführen als erklären). Hier offenbart der Film einen grundsätzlichen Zweifel an der soziologischen Methode von Gesellschaftskritik und ·Studien im klassischen Sinne. Es ist eine Strategie, den Zuschauer eine zeitlang bewußt im Unklaren zu lassen, und ihm dann „Aha-Effekte“ und Erkenntnismöglichkeiten zuzuspielen, so daß er eigene (lustvolle) Arbeit in den Film investieren muß, um ihn genießen (& verstehen) zu können. Stephan Sachs will mit „Bildern umgehen“, daran kratzen und sehen, was sich darunter offenbart (auch und gerade im Zusammenhang mit der Verwendung von Tönen). Es ist ein Freilegen von Erinnerungsschichten bei jedem einzelnen Betrachter wie das abgebildete Monument selbst, die Reiterstatue Wilhlem 1., das aus Einzelteilen zu einem Großen zusammengefügt wird, so offenbart dieser Film seine Wirkung aus der Summe der Bilder & Töne, die im Kopf des Zuschauers zusammenzufügen sind.

Als radikalen Stilbruch empfand Constantin Wulff die Passage über den Bronzeguß des späteren Denkmals. Hier scheinen auf den ersten Blick Bild & Ton parallel zu laufen, bis sich die persiflagenhafte Wirkung bzw. „Reflexion über den Kulturfilm“ (so Kreimeier) einstellt. Diese Stelle des Films bezeichnet genau jenen Teil, wo Geplantes in Definitives übergeht, wo also die Vorform aus Styropor in die endgültige Kaiserkrone aus Bronze verwandelt wird.

Constantin Wulff erwähnte den Begriff der geheimnisvollen Bilder, die sich durch den Film ziehen, Bilder also, die sich nicht auf den ersten einfachen Blick erschließen bzw. verstehen lassen, wie etwa die Reisegruppe, die sich vor dem Denkmal selbst fotografiert (Wulff dachte dabei an Rechtsradikalentourismus). Auch Stephan Sachs konnte diese spezielle, eigene Aufnahme nicht weiter erklären, etwa um was für eine Gruppe es sich da genau handelte, nur daß die Aufnahme am 3. Oktober 1991 entstanden sei – also ein „geheimnisvolles“ Bild, mit dessen Bedeutung der Filmemacher spielen kann, auch ohne dieses Geheimnis selbst zu kennen oder zu offenbaren.

Zum Schluß wies Klaus Kreimeier auf die Funktion der Musik im Film hin, die von einer linken Position gegen die rechte Bastion zu argumentieren scheint (französische Revolutionslieder, ein russisches Matrosenlied, Ernst Busch gegen die Rekonstruktion einer 14 m hohen männlichen Großmachtsphantasie), die sich aber im Verlauf des Films ebenfalls als monumentalistisch – und damit unbrauchbar – herausstellt.

„Und sahen was zu machen war …“ ist ein Film, der auch mehrmaliger Betrachtung immer wie der neue Facetten offenbaren kann, und der deshalb, wie der vorhergehende „Ich bin nicht Gott, aber wie Gott“, am Eröffnungsabend der diesjährigen Duisburger Filmwoche steht, wo man keine „gemütlichen“ Dokumentarfilme zeigen will.