Film

Nicht für die Liebe geboren?
von Angela Meschini
DE 1994 | 51 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 18
11.11.1994

Diskussion
Podium: Angela Meschini
Moderation: Elke Müller
Protokoll: Antje Ehmann

Protokoll

Ein auf sonderbare Weise ambivalenter Film, der irgendwo zwischen Stringenz und emotionalen Manirismus irrlichtert; einerseits nicht so naiv und distanzlos wirkt wie die· Bilder seiner Protagonistin, (die, ihrer Amtsbezeichnung trotzend, dann doch eine gar nicht so selbstverständliche, zumindest allegorische Kommentierung erfahren), andererseits aber auch versäumt, Zeugnis eines reflektierten Umgangs mit seinem Medium und Thema abzulegen. Der Zuschauer wird mal in diese, mal in jene Richtung fortgerissen, wenn er es denn zuläßt. Seine Versuche der Sache habhaft zu werden hoppeln hinterher: Scheinbare Eindeutigkeiten kippen stets aufs Neue in ihr Gegenteil, weichen“ schließlich einer sie auflösenden Grauzone. Kein Wunder, daß gleiches auch für das Portrait der Malerin resp. ihre Person selbst gilt. Auch sie scheint nicht recht faßbar zu sein. Vielleicht ein wenig (?) verwunderlich, daß das Bereden des Films eben jene Bahnen und Zwischenstationen des Nebulösen nachfuhr. Die Luft von Abstraktionslagen scheint wohl doch zu dünn zu sein, um durchatmen zu können, das sogenannte ‚Leben‘ erkämpft in seiner Verweigerung von Komplexitätsreduktion seine Recht -?

Elke Müller hob an, oben Genanntes zu thematisieren: Bis zur Mitte des Films habe sie sich in der Achtung! es fällt das inflationäre Wort des Festivals – diesmal schweizerischen IDYLLE des Films gewogen, habe sich dann aber gewundert, trotz des langsamen Aufbrechens der ‚naiven‘ Schale der Figur, unter der sich eine Mischung aus Trauer, Tragik, Trotz und Resignation bemerkbar mochte, doch immer wieder ins Harmonisch-Idyllische zurückgestoßen zu werden. Zum Beispiel aufgrund der die Stimmung des Films nie konterkarierenden, stets verstärkenden Musik. Das Violinenspiel etwa habe den bereits vollzogenen Bruch wieder brav gekittet. Die Musikszene stellte sich als erste, speziell für das Ausland erklärungsbedürftige Sequenz heraus. Das Lied sei eines, so erklärte die Regisseurin, das im Zusammenhang mit der historisch jüngst und Ietzt erfolgten Hinrichtungspraxis der Schweiz entstanden sei (Sie müsse wohl eine zweite Fassung des Films für das Ausland machen, stellt Maschini später fest). Doch gleich, ob es sich wie auch bei einigen anderen Szenen des Films – um fehlende Schweiz-spezifische Informationen handelt oder nicht; es ist die Struktur des Film nicht stringent strukturiert zu sein, sich aber ins Paradigma der Struktur einzufügen.

(Hier wäre ein thematischer Purzelbaum möglich, der zeigt, daß die im Film leider nicht akzentuierte Querverbindung zwischen naiver Malerei und Dokumentarfilm auf der Suggestion eines bekanntlich dann doch nicht stattfindenden Kopierverfahrens beruht. Und das hat wieder etwas mit Idylle zu tun. Und mit diesem Festival. Und mit dem letzten Zucken der scheinbar verschwinden wollenden Menschen. usw. Darauf wollten, so schien es, zwei Wortmeldungen hinaus, die das Bild im Bild befragten. Einer verließ dann die Runde, die nicht darauf eingegangen ist.)

Angela Meschini gibt zu verstehen, daß sie sich Sibylle Neffs Stil anpassen. Von daher sei sie bei ihren landschaftsaufnahmen so verfahren, weder die Bilder zu den Bildern zu suchen, noch sie dekonstruieren wollen. Der Film schmiegt sich insofern unforciert an den Stil Sibylle Neffs an. (Eine hohe, wenn auch gebrochene Identifikation der Regisseurin mit ihrer Protagonistin war Signum ihrer Wortbeiträge und offensichtlich der Grund für die ‚authentische‘ Ambivalenz des Films.) Das Problem und der Charakter des Films entpuppt sich als ‚Kunst des Bewegens auf unsicherem Terrain‘. Irgendwo an den Rändern dieses Problems schwamm die Diskussion des Films, die es insofern schlicht perpetuierte.

Das große ES reformuliert sich. Besprochen wurde die Szene des tanzenden Paares, die in ihrer merklichen Inszeniertheit wiederum den erfolgten Brüchen entgegenarbeite, welche aber dann, wenn man den schweizerischen Hintergrund versteht, zwar eine gewiße Note des Perfiden gewinnt, am Hin und Her von Komplexität und sie reduzierendem Kitsch letzlich aber nichts ändert.

Das große ES reformuliert sich. Besprochen wurde die schillernde Person der Sibylle Neff, die zwischen ‚Authentizität‘ und Koketterie, zwischen traditionellst naiver und moderner Malerei, zwischen anarchistischen und konservativen Worten und Taten, zwischen Genialität und Infantilismus hin und her sausen, durch die Maschen einer, wie auch immer gestrickten, Persönlichkeitskonstruktion fällt. (Ein – versteht sich – nicht zu Ende experimentierter Versuch einer tiefenpsychologischen Anamnese, als stattgefunden, in Paranthese.)

Das große ES reformuliert sich. Sibylle Neff sei (nocheinmal) wie die Wirkung des Films insgesamt: widerspenstig, widerborstig, sympathisch und irritierend.

Zwei bodenständige Anmerkungen fanden ihren Weg durch das borstige Dickicht: Geäußert wurde eine Begeisterung für die Bilder der Neff und eine Enttäuschung, diese nur als durch die Untertitel zerstörte und in zu kurzen Einblendungen gesehen zu haben.