Film

Malli – Artist in Residence
von Peter Zach
AT 1993 | 103 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 17
09.11.1993

Diskussion
Podium: Peter Zach, Walter Mali (Protagonist)
Protokoll: Antje Ehmann

Protokoll

Walter Malli, Hausaufsicht im Schloß Schönbrunn und avantgardistischer Instrumentalist in Personalunion. Und nicht nur das: Auch Zeichner, Schlagzeuger, Sänger, Pianist, Saxophonist, Texter, Anekdotenvirtuose, Polaroidliebhaber. Wie kann man diese Sphären vereinen? Der Filmemacher Peter Zach sah sich, schon nach der ersten Begegnung mit Walter Malli, angesichts der Entfaltung seines spannungsgeladenen Spektrums auf den Spuren eines Spielfilms. Tatsächlich gewinnt der Dokumentarfilm nach der breiten, fast elegischen Annäherung an den Stoff mit der allmählichen Facettenauffächerung der Person Walter Mallis spielerische Qualität und Spannung eines Spielfims.

Die von einem allgemeinen Wohlgefallen grundierte, gemütliche Besprechung des Films zentrierte sich nach einigen interessierten Detailfragen und Lobbekundungen über kameratechnische Finessen etc. auf die Problematik von Kunst und Leben im Allgemeinen und den Einfluß der Kamera während der Dokumentation auf das Kunst-Leben Walter Mallis im Besonderen.

Noch nicht einmal wie, sondern ob sich der Film-Held vom „echten“ Malli unterscheide, fragte sich das von Mallis unverkrampftem und authentischem Verhalten, das er trotz der steten Präsenz des Kameraauges im Film an den Tag legt, beeindruckte Publikum. Die Antwort auf die Fragen, ob der im Film stetig unter Starkstrom stehende Malli vielleicht doch von der Kamera angefeuert wurde und: wie er die skurrile Tätigkeit als Hausaufsicht, als „Kontrollor der Österreichischen Nostalgie“ mit seiner expressiven, keine Regeln kennenden Kunst (Malli: „Wie schafft man es, nur Falsche Töne zu spielen ?“) zusammenbringen kann, gab Malli schlicht dadurch, daß er die Fragen nicht verstand. (Es scheint also auch Künstler zu geben, die sich an dieser Differenz nicht abarbeiten, sondern sie zu umgehen bemüht sind.) Wie der Film überzeugend zeigt, liegt das vermittelnde Moment zwischen Kunst und Leben wohl darin, es nicht zu trennen. So klingelt das Schlüsselgeklimper, das Klacken seiner Schuhsohlen auf den langen Gängen, das Knarzen sich öffnender und schließender Fenster in Mallis Ohren als grundierende „Rhythmik der Monotonie seiner Tätigkeit“. Diesen groove, Mollis steten Begleiter, findet er sowohl im Alltag wie in jeder x-beliegenden Musikrichtung: auch das zeigt der Film. Publikum: „Können sie zu allem spielen?“, „Wenn ich sie engagiere, bekomme ich keinen Saxophonisten sondern Walter Malli?“ Molli, kurz und bündig: „Ja“.

So wie dos Publikum hat auch Zoch diese Flexibilität und Offenheit Mallis begrüßt: „Wir hätten ewig weiterarbeiten können“. Auf Fragen bezüglich der wohl darin begründeten Breite und Ausführlichkeit des Films, dessen Vollständigkeit auch von Kürzungen nicht beeinträchtigt worden wäre, erläutert Zach sein Konzept, das eben darauf fußt, Situationen in gegebener Länge zu belassen, um die jeweils vorgefundenen Stimmungen und Gefühle optimal transportieren zu können. Der „realistische“ Eindruck des Films rühre ja gerade daher, daß die diversen, unterschiedlichsten Fäden des geschilderten Lebens nuanciert und detailliert gezeigt werden. Die Verbindung oll dessen sei für den Film entscheidend gewesen, bestätigt auch MalIi. Dieses Konzept wurde von Seiten des Publikums honoriert. Werner Ruzicka wies daraufhin, daß gerade die langen Umwege, die aufzeigen, wie man aus der Banalität des Alltags Kraft schöpfen könne, die spezifische Spannung des Films erzeugen.

Wie nun fügt sich dieser sehr persönliche Film in das diesjährige Motto der Filmwoche „Krisen Augen Blicke“? läßt sich dieser Beitrag als ein das Motto kontrapunktierender Ausgleich verstehen? Für Peter Zach lag ein auslösendes Krisenmoment in der zu Beginn der Dreharbeiten drohenden Arbeitslosigkeit Mallis. Der Film und seine trotz nachmitternächtlicher Stunde ausführliche Besprechung haben Mallis zu Beginn der Dreharbeiten geäußerte Befürchtung – „zwecklos. Wozu ein Film? Das interessiert doch niemanden.“ – nicht bestätigt.

Hinzuzufügen bleibt daher: Auch Dokumentarfilme über Einzelschicksale, die zeigen, wie scheinbar unvereinbare Divergenzen und für nichtabgestumpfte Menschen unerträgliche Brotberufe dennoch sinnvoll gestaltet, ins Leben integriert werden können, sind für die Allgemeinheit gerade in krisenreichen Zeiten interessant und sehenswert.