Protokoll
Besuch bei einer Dame am Nachmittag
in 300 Bild- und 900 Tonschnitten mit über fünfzig (in jeweils acht Sekunden zu betrachtenden) Fotos.*
Petra Katharina Wagner mochte dieses Porträt, diesen Essay über die Fotografie, diese Gedankensammlung einer Künstlerin, diese schwierige Erinnerungsarbeit. Der Rest des Publikums auch, soweit er sich zu Wort meldete – mit einer Ausnahme: Claas Danielsen hätte, obwohl auch er Ilse. Bing, die ihn durch den Film zog, mochte, lieber einen anderen Film gesehen oder doch zumindest mehr Fotos und diese dann auch bitte besser ausgeleuchtet und nicht so wackelig (da sie doch exakt gearbeitet sind, sollten sie nicht so unexakt aufgenommen werden) und für ihn nachvollziehbarer in ihrer Anordnung, insbesondere was die Wiederholung einiger Bilder betraf.
Eine Zuschauerin verteidigte die von Antonia Lerch als lebendige Form be· zeichnete Präsentation der Bilder als kongeniale, respektvolle, behutsame und dem Reiz und Stil der Fotos entsprechende Herangehensweise.
Einziger weiterer Kritikpunkt war das Glätten von siebzehn Drehtagen auf einen auf Anschlüsse montierten Nachmittag, der allein durch die Betreuerin Brenda not· dürftig unter· bzw. aufgebrochen wird, bei Reduzierung von Brenda zum reinen Schnittbild.
Antonia Lerch hielt aber den Monolog auch für eine Form des Dialogs, in dem die Dynamik der sich zwischen ihnen entwickelnden Freundschaft, ihre Fragen, Brenda oder die Schwierigkeiten von Ilse Bing, ihre Fotos zu finden, nur gestört hätten. Die oben schon erwähnte Zuschauerin ergänzte, daß ja ein Dialog mit dem verstorbenen Mann im Film sei. Ein anderer Zuschauer war ebenfalls mitgegangen: In den von Ilse Bing** trotz ihres schlechten Zustandes tröpfchenweise dosiert verabreichten Weisheiten hat sie wie in einem Vermächtnis fast mit Regie geführt. Antonia Lerch ergänzte dies: Ilse Bing hat den Film weder für sie noch für sich (noch für die Zuschauer ?) sondern für ihre Arbeit gemacht.
An Martin Schaub in der Diskussion über Paolo Polanis Film anknüpfend sprach Antonia Lerch noch von dem großen Glück, daß bei den Dreharbeiten viel mehr (und zum ersten Mal) passiert ist als sie vorrecherchiert hatte, dafür bedankte sie sich bei der anwesenden Redakteurin; und zum dritten Mal meldete sich die bewußte Zuschauerin und fand es schön und berührend, daß diese Freundschaft rüberkommt. Durch sein Stichwort fühlte sich dann noch Martin Schaub aufgefordert zu bemerken, daß Antonia Lerch, als Filmemacherin durch die Fotografin herausgefordert, zwei spürbar Ilse Bing ebenbürtige Einstellungen gefunden hat.
Zurecht bedankte sich Antonia Lerch abschließend für dieses schöne Gespräch.
* Bei 53 Minuten Laufzeit ist das fast ein Foto pro Minute (Antonia Lerch).
** Die er in einem dem Protokollanten schwer nachvollziehbaren Zusammenhang mit „Apropos de Nice“ brachte.