Film

J.K. – Erfahrungen im Umgang mit dem eigenen Ich
von Fosco Dubini, Donatello Dubini, Mathias Kunkel
DE 1991 | 81 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 15
16.11.1991

Diskussion
Podium: Fosco Dubini
Moderation: Werner Ružička, Klaus Kreimeier
Protokoll: Lothar Leininger

Protokoll

Weißer Raum oder montierter Brei. Fragmente, Fluß oder Tautologie? Das waren die zentralen Fragen der Diskussion, doch zu Anfang fragte Klaus Kreimeier, selbst mit den Texten Kuczynskis durch seine Studien des Marxismus-Leninismus wohl vertraut, nach dem Grund des first contact der Dubinis mit ihrem Hauptdarsteller.

Sie seien auf J.K. innerhalb ihres letzten Films über den Atomspion Klaus Fuchs gestoßen, – das erste Interesse habe auf der Krimiebene – gelegen. Durch die Wende habe sich dieses Interesse dann verschoben; sie seien neugierig gewesen, was J.K. zu den Biographien der Politbüroleute sagen könne. Der Vergleich zu Kafka habe sich zuerst durch Kuczynskis Benutzung des Kürzels J.K. in seiner Biographie angeboten, an den Drehorten und in der Montage habe sich die Assoziation dann verstärkt, die Bilder seien gewissermaßen auf die Kafkatexte draufgefallen. Die Kontrastierung des Interviews mit relativ fremden Elementen mache dieses weniger affirmativ. Die Interviewsituation sei so gewesen, daß Kuczynski das Interview mit ihnen geführt habe statt umgekehrt; das Interview „pur“ wäre zu linear und zu wenig aggressiv gewesen. Thomas Tode sekundierte, dieses labyrintische überlagern verschiedener Geschichten und Figuren schaffe einen Raum, in dem er sich aufhalten könne; schwieriger schon sei es zu sagen, worum es in dem Film gehe. Einer anderen Diskussionsteilnehmerin dagegen hatte sich der Zusammenhang gar nicht erschlossen.
Fosco Dubini rechtfertigte sich, mit dem Vorwurf konfrontiert, J.K. manipuliert und untergebuttert zu haben, mit dem Hinweis, daß der Befragte keine Auskunft zu ihrem zentralen Anliegen, was ein Wissenschaftler mit einer gewissen Nachtfülle gesellschaftlich bewirken könne, habe geben wollen; auch sei es ihre Aufgabe als Filmemacher, ihre eigene Position darzustellen, sie hätten sich nicht darauf beschränken wollen, Kuczynskis Sprachrohr zu spielen. Klaus Kreimeier bezweifelte in diesem Kontext auch, daß J.K. alleine dazu in der Lage sei, die Situation in der ehemaligen DDR genauer zu beschreiben. Spannend an diesem Film sei, daß er ein eigenes ästhetisches Instrumentarium entwickle, welches im Widerspruch zu dieser eindimensionalen Verkörperung von DDR-Geschichte stehe.

Nach dem Konzept der zwei Kameras befragt, sagt Fosco Dubini, sie hätten versuchen wollen, die Selbstinszenierung J.K.‘s aufzuknacken; bedingt durch die Kürze der Interviewzeit habe er seine Rolle aber auch während des Rollenwechsels durchgehalten.

Nach einem einleitenden Kompliment, in dem er die genaue Zeichnung eines auch universeller gültigen Typs von Intellektuellen lobte, mochte Werner Ruzicka in seiner Kritik der unterlegten Texte doch etwas weitergehen als im bisherigen Verlauf der Debatte. Kafka alleine wäre als Konterkarierung einsichtig gewesen, aber der ganze Suhrkamp Armado von Janka über Kunze bis Deleuze erzeuge eine Art weißes Rauschen.

Es· sei aber zum Teil intendiert gewesen, so Fosco Dubini, diese Unsicherheit zu produzieren, was wenn nun noch Kafka oder schon Stasi sei. Ursprünglich seien noch andere Parallel-Biographien geplant gewesen, wie Ernst Bloch und Hanns Meier, da J.K. aber zu diesen nur anekdotisches geliefert habe, hätten sie die von Werner Ruzicka als Co-Autoren bezeichneten Janka und Kunze (J. und K.) verwendet, um ein differenzierteres Bild der DDR zu präsentieren. Der Text von Deleuze/Guattari sei bewußt als eine Art Sprachbrei eingesetzt worden, um die O-Töne zu verbessern; der mit den Texten; sei auch was deren endgültige Positionierung im Film angehe, mehr handwerklich als intellektuell gewesen. Die fragmentarische Arbeitsweise mache es einerseits einfach, viele verschiedene Ebenen einzuführen; die Schwierigkeit bestünde jedoch darin, wie man aus dem Film wieder herauskomme. Es gebe darin jedoch eine Analogie sowohl zur Medienrealität der DDR wie auch zum lesen der Exegese des Marxismus-Leninismus, die beide ausschließlich über Schrift funktionierten und die ähnlich wie Kafka eine Manie entwickelt hätten, alles zu verschriftlichen. Im Gegensatz dazu sei es weitergehend vielleicht wichtig zu untersuchen, welche Rolle die Bilder des Fernsehens bei der Wende gespielt haben.

 Fosco Dubini r. © Ekko von Schwichow
Fosco Dubini r. © Ekko von Schwichow