Film

Der König geht
von Klaus Wildenhahn
DE 1990 | 105 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 15
14.11.1991

Diskussion
Podium: Klaus Wildenhahn, Ingrid Milker (Schnitt)
Moderation: Dietrich Leder
Protokoll: Reinhard Lüke

Protokoll

Zu Beginn erläuterte Klaus Wildenhahn die Hintergründe für das Zustandekommen des Films. Zu Beginn des Umsturzes in der DDR habe er überhaupt keine Lust verspürt, jetzt auch noch einen „DDR-Film“ zu machen, da damals alle Medien mit diesem Thema völlig „überfüttert“ gewesen seien. Darüberhinaus sei er der Meinung gewesen, daß seine DDR-Kollegen wie Volker Koepp soetwas viel besser könnten. Letztlich habe er sich aber doch nicht vor einer Auseinandersetzung drücken wollen, ohne allerdings schon irgendwelche konkreten Vorstellungen zu haben. Sein Freund Christoph Hein habe ihn dann mit Friedrich Dickmann bekannt gemacht, der wiederum jenen Bauleiter in Dresden gekannt habe. So sei schließlich das Projekt mit der Schloss- Renovierung zustandegekommen. Seine anfängliche Skepsis gegen das Thema „DDR“ sei dann schnell verschwunden.

Zur Funktion des Einsatzes von Photos in seinem Film erklärte Klaus Wildenhahn, daß er während der Dreharbeiten immer eine Art photographisches Tagebuch führe. Er benutze sie dann einerseits zur Akzentuierung von Pausen, andererseits, um dem Film eine zusätzliche Informationsebene zu geben. Pepe Danquart zeigte sich von dem Film enttäuscht, da hier im Gegensatz zu anderen Arbeiten Wildenhahns die strenge formale Struktur derart dominant sei, daß die Menschen dahinter zu verschwinden drohten. Das habe ihm zumindest den Einstieg ungeheuer erschwert. Später sei es dann etwas besser geworden. Grundsätzlich hätten sich ihm jedoch auch die Pausen hier nicht vermittelt. Die Menschen seien fremd geblieben, woran auch die Nennung der vielen Eigennamen nichts habe ändern können. Klaus Wildenhahn hielt dem entgegen, daß er die Leute keinesfalls wie all jene Reporter habe „anstechen“ und mit Fragen zum Reden bringen wollen. Darüberhinaus halte er jene Pausen in Form von Einstellungen in denen scheinbar nichts passiere, für sehr beredt. Als Beispiel führte er jene Szene an, in der die Arbeiter auf den Beton warten während aus dem Radio eine Rede Theo Waigels zu hören ist und die Leute sich erst nach und nach dazu äußern. Diese Reibungen von Namen habe er sich, so Wildenhahn, zu einem „poetischen Prinzip“ gemacht. Er glaube da einfach an eine „Evokation“ (?) im Kontext der üblichen Fernsehnormen im Zusammenhang mit der kritisierten “Fremdheit“ der Menschen im Film zog ein Zuschauer den Vergleich mit Wildenhahns „Emden geht nach USA“ (75/76). Dort werde zwar eine große Nähe zwischen den Filmemachern und den Leuten vor der Kamera deutlich, doch nur um den Preis, daß einige der Beteiligten bereits zu schauspielern begännen. Diese Grenze sei in dem neuen Film nie überschritten worden, was er im Interesse des Dokumentarischen unbedingt für einen Fortschritt halte.

Der Regisseur auf Fragen zu seiner Entscheidung für s/w: Das sei eine sehr persönliche Geschichte. Er sei jetzt 61 und habe einfach wieder eine Sehnsucht nach s/w. Mit dem Thema „DDR“ habe das in diesem Fall überhaupt nichts zu tun. Bei der Einführung des Farbfernsehens habe er nicht aus einer simplen Anti-Haltung heraus auf s/w bestehen wollen. Auch um kein „Kunstgewerbe“ zu produzieren. Inzwischen sei der Verzicht auf Farbe jedoch durchaus wieder ein Mittel, um Aufmerksamkeit und Phantasie der Zuschauer anzuregen.

Dietrich Leder fragte die Cutterin nach ihren Erfahrunqen mit den Filmen Klaus Wildenhahns. Diese Arbeit, so Ingrid Milker, sei für sie ungeheuer interessant und spannend, weil sie völlig abseits der Fernseh-Konventionen liege. Das beginne mit der Fülle an Material, der Zeit, die man sich, mit dem Schnitt lassen könne. (In diesem Fall: 8-10 Wochen; Milker: 11, Klaus Wildenhahn hat da beim Sender Narrenfreiheit …) Vor allem hänge das aber mit der anderen Machart der Bilder zusammen. Lange Einstellungen beispielsweise, für die man nach und nach ein Gespür bekommen müsse. Darum gehe sie nie mit einem festen Konzept an eine solche Arbeit.

Großes Lob zollten mehrere Zuschauer der intensiven Art der Darstellung menschlicher Arbeit im Film. Da werde eine Beziehung der Leute zu ihrer Arbeit spürbar, wie sie hierzulande nicht zu finden sei. Das werde auch deutlich, wenn man beispielsweise die angespannte Atmosphäre auf der Baustelle in Klaus Wildenhahns Film „In der Fremde“ (1967) dagegenhalte. Das Gefühl der Arbeiter für ihre Tätigkeit, ihre Nicht-Entfremdung vermittle sich demgegenüber in „Der König geht“ auch dem Zuschauer. Klaus Wildenhahn: das sei zweifellos auch ein Stück DDR, dessen Verschwinden er nicht ohne Trauer beobachtet habe.

Und dann war da noch jener Diskussionsteilnehmer, der seit 5 Jahren in Deutschland lebt und sich noch immer darüber wunderte, warum in diesen Breiten Menschen manchmal so ergriffen vor – Baustellen stünden, wie anderenorts vor Sonnenuntergängen…