Film

Das Kino und der Wind und die Photographie
von Hartmut Bitomsky
DE 1991 | 60 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 15
17.11.1991

Diskussion
Podium: Hartmut Bitomsky
Moderation: Christa Blümlinger, Werner Ružička
Protokoll: Dietrich Leder

Protokoll

Entspannter Sonntagmittag und souveräne Schlußdiskussion in Duisburg: In der Haltung zurückgelehnt, in der Sache nicht arg so engagiert wie in den Tagen zuvor, dennoch allen Gerüchten über die vergangene Nacht zum Trotz hellwach sprachen Publikum und Podium über den Film von Hartmut Bitomsky. Daß der Film vom Dokumentarfilm handelte und somit auf einer Metaebene auch die vorangegangenen Debatten der Woche kommentierte (beispielsweise was den Umgang mit Inszenierung, Bildern, Archivmaterial und Tönen betrifft), kam allerdings nur am Rande zur Sprache. lm Zentrum des Gespräches stand vielmehr das Inszenierungsverfahren des Filmes selbst, mit dem der Regisseur die Auswahl seiner Beispiele dokumentarischer Arbeiten vorstellte. Es wurde durchaus unterschiedlich eingeschätzt.

Die einen priesen Bitomskys Methode als „gefilmtes Drehbuch“, als „Skizze eines zukünftigen Filmes … als eine neue Form, die mit der „kleinen Literatur“ zu vergleichen wäre. Indem sich Bitomsky auf der Szenerie als Kommentator und Inszenator gleichermaßen etabliere und seine Verfügbarkeit des Materials demonstriere, artikuliere er auf eine neue Weise die Autorenschaft im Film. Er exponiere seine Subjektivität als Urteil und Einschätzung der vorgestellten Filme, statt sich auf scheinbar objektive Ableitungen (“die dokumentarische Methode an sich“) oder individuelle Beliebigkeit („ich finde den Film einfach besser“) zurückzuziehen. Er lege die Bedingungen dokumentarischen Arbeitens offen und ironisiere es zugleich.

Die anderen kritisierten in der Selbstinszenierung die Eitelkeit des Autors (auf den Vorhalt „Mensch, der Bitomsky ist auch ein wenig eitel“ antwortete der Gemeinte „Richtig“) und die koketterie, nur ein Angebot unterbreiten zu wollen statt handfeste Urteile anzubieten. Der Film besäße die von anderen behauptete Leichtigkeit nicht, wirke statt dessen „Sehr gebaut, gezirkelt und ausgeknobelt“. Ein anderer schließlich verspürte beim Film „keine Nähe zum Thema“.

Hartmut Bitomsky erläuterte in seinen unmittelbaren Antworten, die weniger eine Gegenrede darstellten als einer Verlängerung der filmischen Reflexion ins unmittelbare Gespräch ähnelten, sein Verfahren. sein Interesse und wohl auch so etwas wie sein Ziel. Daß der Eindruck der „richtigen“ Wahl der Dokumentarfilm-Ausschnitte entstanden sei, die ihm von den Kritikern seines Filmes konzediert wurde, sei das Ergebnis seiner (auch inszenatorischen) Arbeit. Ebenso sei die Verfügbarkeit der Materialien (wie die Ubiquität des Fernsehens generell) eine Fiktion. Da hätten schon einige Leute mehrere Tage arbeiten müssen, daß die Videocassetten sich auf dem Set stapeln konnten. Der Film selbst sei eine Art von Selbstbeobachtung beim Drehen, indem sie nach jeder Szene sich auf dem Monitor angeschaut hätten, was sie gedreht hätten, und darauf wiederum reagiert hätten. So halte sich, während der Film fortschreite, das Vorhergehende im Kommenden auf: „Wenn es gelingt, schießt vieles zusammen, was zunächst getrennt schien“. Beim Drehen ging es stets darum, das, was sich nicht kalkulieren, planen läßt, in den Film zu integrieren. Daß sich dann aus lauter Bruchstücken, an denen er zuvor gearbeitet habe, ein Kontinuum ergab, damit habe er nicht unbedingt gerechnet. Bei der zehnten Wiederholung eines Takes hätte er den Text „gekonnt“. Diesen Take habe er dann aber beim Schnitt nicht genommen. Die Szene mit Carlos Bustamante sei gewiß cinema verite. Denn als Bustamante den Witz zum zweiten Mal vor der Videokamera und über die Filmkamera erzählte, habe er – Bitomsky – nicht mehr lachen können. Die Szenen mit der ins Blickfeld der Kamera gerückten filmischen Arbeit (als Inszenierung) habe er wie ein Schild für die Zuschauer begriffen: „Glotzt nicht so unbedarft!“ Im Gegensatz zu seinem ersten Video-Essay (Begriff des Protokollanten) „Das Kino und der Tod“, der als ein geschlossener Kosmos entwickelt und konzipiert worden sei, wehre sich diese Arbeit gegen eine solche Vorstellung. Die Produktion sei selbst in die Gestalt eingeflossen. Das habe sicherlich mit Video zu tun. Wenn man so etwas mit und auf Filmmaterial hätte drehen wollen, hätte es fünf Schneidetische in fünf Räumen bedurft, an denen man hätte vorbei – und nach Bedarf hineinfahren müssen. Im Umgang mit den gesehenen Filmen/Bildern sei es um eine Vielfalt möglicher Verhaltensweisen gegangen. So reichten seine Reaktionen von der Beschreibung und Nacherzählung über die Deutung bis zum Urteil. Bitomsky korrigierte den Eindruck eines Zuschauers, er habe Bunuels „Las Hurdes“ mit seinen Kommentarworten „Er ist unbarmherzig und ohne Gnade. Er ist ein Humanist. Er scheint die Leute noch tiefer ins Elend zurückzustoßen, denn er ist kein Heuchler“ kritisieren wollen: im Gegenteil, er könne gerade mit dem „feuchten sympathisieren der Dokumentaristen“ nichts anfangen. Seinen Film begreife er als ein Manifest gegen die Schnappschußfotografie und für ein bewußtes Bildermachen. Und: „Während das, was ich sage, vergeht (nicht zuletzt weil das Videoband nach zehn Jahren anfängt sich aufzulösen), werden die zitierten Filme bleiben“.