Film

Kriegsjahre in der Eifel
von Dietrich Schubert
DE 1989 | 151 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 13
17.11.1989

Diskussion
Podium: Dietrich Schubert, Jochen Schubert
Moderation: Didi Danquart
Protokoll: Reinhard Lüke

Protokoll

Die Eingangsmoderation: was war die Ursprungsidee bei dem Film und wie seien sie an die Leute herangegangen? Dazu Schubert: er lebe und arbeite seit Jahren in dieser Re(„kann mir vorstellen, bis an mein Lebensende dort zu filmen“). Nachdem er relativ schnell Abstand von der Vorstellung genommen habe, das Thema‚ flächendeckend für die Gesamteifel zu bearbeiten, habe er sich für diesen einen Ort entschieden, da es hier Archivmaterial (Photos) gegeben habe, ein reger Heimatverein tätig sei und schließlich von früheren Produktionen her bereits persönliche Kontakte bestanden hätten. Insgesamt habe er dann mit ca. 20 Personen Gespräche geführt, die auf Tonband aufgezeichnet worden seien (ca.50 Std.) und anschließend die Interviewpartner für seinen Film ausgewählt. Zur ‚Ursprungsidee’ äußerte sich Jochen Kaufmann. Man habe eine Reihe für das Schulfernsehen des WDR geplant, die anläßlich des 50. Jahrestages des II. Weltkrieges die NS-Zeit in einer für die Zielgruppe angemessenen Form thematisiere. Dabei habe es sich nicht um eine Militärgeschichte handeln können. Davon gebe es schließlich schon genug. Stattdessen habe man sich für eine Art ‚Zivilgeschichte des Krieges‘ entschieden, die ökonomischen und gesellschaftlichen Veränderungen während dieser Zeit am Beispiel eines eng umgrenzten Ortes nachspüren sollte. Dabei habe man bewußt eine ländliche Region mit einem vergleichsweise weniger spektakulären Kriegsgeschehen ausgewählt. Was die Methodik angehe, habe man weder in großem Maße mit Archivmaterial arbeiten wollen, noch die politischen Gesamtzusammenhänge einbringen wollen. Im Vordergrund habe stattdessen die Idee gestanden, Zeitzeugen zu befragen, die dem Krieg in genau dem Lebensabschnitt erlebt hätten, in dem sich auch die Zielgruppe der Reihe befinde.

Eine Zuschauerin wollte wissen, wie zugänglich denn die Leute im Ort für dieses Projekt gewesen seien. Schließlich wisse sie aus eigener Erfahrung, daß diese Zeit in der offiziellen Selbstdarstellung (‚Chroniken‘) solcher Dörfer doch meist verschwiegen werde. Dazu der Regisseur: natürlich hätten die Leute auch hier eine gewisse Scheu gehabt, sich dazu zu äußern. Nach und nach sei es ihm gelungen, diese Vorbehalte ein Stück weit abzubauen. Letztlich sei ihm jedoch wichtig gewesen, wie die Personen darüber redeten. Auch durch das, was sie erkennbar nicht sagen wollten, erfahre man schließlich eine Menge. Er habe keinen ‚Enthüllungsfilm‘ drehen wollen und die Leute nicht gedrängt, beispielsweise Namen von ‚Tätern‘ zu nennen. Das könne man in einer solchen Region, wo es noch einen vergleichsweise stabilen Sozialverband gebe, auch nicht erwarten.

Diese selbstauferlegte Zurückhaltung seitens des Filmemachers veranlaßte den Modetor zu der Frage, ob der Film so nicht ‚Verdrängung‘ impliziere, sofern die Leute hier nur das preisgäben, was sie (im Hinblick auf die Zielgruppe) ihren Kindern sowieso erzählten. Verfehle der Film. durch sein: Verharren an der Oberfläche nicht vielleicht seine pädagogisch-äufklärerische Intention? Schubert sah das nicht so. Schon der Umstand, daß hier mehrere Leute sich teilweise auch widersprüchlich äußerten, gewährleiste ein differenziertes Zeitbild. Nach Jochen Kaufmann gab es auch die Überlegung, die Interviews zu konzentrieren. Das habe man dann jedoch gelassen, da hier der Eindruck entstanden wäre, man wolle von höherer Warte Kritik üben, was letztlich einer Denunziation gleichgekommen wäre. Den Quellenwert dieser Äußerungen zu untersuchen und sie historisch ins rechte Licht zu rücken, sehe er mehr als Aufgabe eines begleitenden Unterrichts an. Da hoffe er auf die Lehrer.

Nichtsdestotrotz beharrten einige Zuschauer auf ihrer Ansicht, der Filmemacher habe es in manchen Szenen versäumt, durch Fragen weiter vorzudringen. Vornehmlich bei Aussagen, die das Wissen, bzw. Nichtwissen um die Deportation und Einordung von Juden beträfen. Dazu Schubert: das habe er bei seinen Tonbandinterviews teilweise gemacht, es vor der Kamera aus bereits genannten Gründen unterlassen. Im Übrigen denke er auch, daß ein solches ‚Nachbohren‘ bei den Leuten eher den Effekt der Abschottung, denn einer größeren Offenheit gehabt hätte. Jochen Kaufmann ergänzte, daß man hinsichtlich des ‚Verschweigens‘ ja auch immer auf Vermutungen angewiesen sei, die man letztendlich nicht beweisen könne. Zum anderen gebe es Szenen im Film, die auch die Unwissenheit der Leute in diesem Punkt als wahrheitsgetreu erscheinen ließen.

(An dieser Stelle sei dem Protokollanten gestattet, ein gewisses Stirnrunzeln seinerseits festzuhalten, das sich angesichts der Diskussionen zu diesem Punkt seines Kopfes bemächtigte. Hatte er doch noch die Debatte vom Vortag im Ohr, wo Ludwig Metzger massiv vorgeworfen werden war, er sei bei den Fragen in seinem Film geradezu menschenverachtend hartnäckig gewesen.)

Schließlich unternahm ein Teilnehmer den Versuch, sich einmal grundsätzlich mit der Methodik dieses Films (nach der auch viele andere hier gezeigten gestrickt seien) auseinanderzusetzen. Man müsse sich doch fragen, ob diese konventionelle Form der ‚oral-history‘ wirklich noch eine sinnvolle (=erkenntnisfördernde? d. Protokollant) Form der filmischen Geschichtsforschung sei. Die Euphorie über diesen methodischen Ansatz sei schließlich auch bei den Historikern seit geraumer Zeit verflogen.

Dazu Schubert: Er sehe das keineswegs so. Die erschreckende Erkenntnis sei beispielsweise bei diesem Film für ihn gewesen, auf welche Art und Weise die Leute damals in den Faschismus hineingeschlittert seien. Und an diesem Punkt sehe er auch die Aktualität des Films, da der Grad des historisch-politischen Bewußtseins in der Bevölkerung so anders heute auch nicht sei.