Duisburger Filmwoche
HALT
3.11.—9.11.25

Festival Plakatmotiv

Grafik: studio konter

Preisträger:innen

3sat-Dokumentarfilmpreis

Palliativstation
von Philipp Döring

Was mache ich mit der Zeit?
Welcher Zeit?
Der Zeit, die so langsam ist, auf einmal.

Film als Auseinandersetzung und Konfrontation mit dem Selbst. Wie umgehen mit dem letzten Stück Leben, mit den Schmerzen, der Erschöpfung, der eigenen Angst vor dem Tod und jener der Angehörigen? Wie richtig abschließen, das Sterben akzeptieren?
PALLIATIVSTATION von Philipp Döring gibt diesen Fragen einen besonderen Raum und eine besondere Zeit. Vier Stunden lang folgen wir den Abläufen in der titelgebenden Station des Berliner Sankt Franziskus-Krankenhauses. Vor allem aber einem Team aus Ärzt:innen, Pfleger:innen Therapeut:innen und Sozialarbeiter:innen, das in Momenten Worte findet, in denen sonst häufig geschwiegen wird.
In der Beobachtung verschaltet sich Systemisches mit Persönlichem: bei einer sanften Berührung während der Krankenvisite, bei einem tiefehrlichen Beratungsgespräch, in Momenten der artikulierten Überforderung und Überlastung während interner Feedbackrunden, in Situationen voller Hoffnung und unverstellter Verzweiflung.
Es sind vier Stunden, die erstaunlicherweise kürzer nicht sein dürften, weil das Kino sie als etwas selten Wertvolles bewusst macht: als Lebenszeit und als Geschenk; als ein Kreislauf mit steter, bisweilen schmerzhafter Repetition und umso kraftvolleren Überraschungen. Erst die Dauer des Films lässt die körperlichen wie emotionalen Widerstände schwinden, sich einem Thema zu stellen, das unbequem und nach wie vor tabuisiert ist. Und es entsteht eine Nähe, ohne dass sich die Kamera aufdrängen muss: Wir lachen und weinen mit den Protagonist:innen, lernen sie kennen und müssen sie wieder gehen lassen. So sind es vier Stunden voller Bekanntschaften. Aber auch voller Ambivalenzen im Dokumentieren und Erleben individueller Grenzerfahrungen. Als offener Raum zwischen Zumuten und Zutrauen.
Der 3sat-Preis der Duisburger Filmwoche geht an einen Film, der ohne Team gedreht und quasi ohne Budget realisiert wurde. Ein Film, der uns erfahren, fühlen und lernen ließ.

ARTE-Dokumentarfilmpreis

Holler for Service
von Kathrin Seward und Ole Elfenkämper

Elbows in Shatters
von Danila Lipatov

In diesem Jahr möchte die ARTE-Jury ihren Preis zu gleichen Teilen an zwei Filme vergeben, die sich in unseren Gesprächen über die nominierten Filme in besonderer Weise zueinander in Beziehung gebracht haben.
Diese Beobachtung möchte die Jury betonen – aber nicht gewichten. Daher möchten wir die Filme gleichwertig auszeichnen.
Zwei Filme, die von Gemeinschaften handeln, von der Arbeit mit und in Communities. Zwei Filme, die dies formal auf unterschiedliche Weise tun – aber mit besonderer Aufmerksamkeit.

Der erste der Preisträgerfilme beginnt mit einer Auseinandersetzung am Telefon. Darin geht es um eine Verabredung, die unbedingt, unter allen Umständen einzuhalten ist. Es geht um Zuverlässigkeit. True Values.
Mit jeder Szene erfahren wir mehr über die Gesetzmäßigkeiten, die im Hardwarestore von Kellie gelten. Sie ist eine Problemlöserin. Sie setzt ihr Wissen und ihre Weisheit – wisdom – dafür ein, sie alle bestmöglich zu lösen. So zeigt sie sich uns als Businessfrau, Gabelstapler-Fahrerin, Tierärztin, Handwerkerin, Nachhilfelehrerin, Notarin, …
Sie kann mit einem Streichholz ein Feuer entfachen, sich in die Welt der Werkzeuge und Baumaterialien einarbeiten. Work-Life-Balance scheint für sie zu bedeuten, zu jeder Tages- und Nachtzeit für ihre Kund:innen und Mitmenschen da zu sein.
Kellies Baumarkt ist ein Ort, den es überall in den USA gibt und geben kann. Er basiert auf dem Willen zu Eigenverantwortung und Selbstwirksamkeit. Ihr unbedingter Einsatz für ihr Geschäft ist nur zum Teil ein Business, Kellie erschafft in ihm konsequent einen Ort „to hang out“ und „to share“. Darin bezieht sie alle ein – auch die Tiere.
Und dann lehnt an ihrem Schreibtisch ein Gewehr.
Was uns mit Kellie sympathisch, offen, vielfältig erscheint, steht über der politischen Polarisierung, die die USA erleben. Für sich und die eigene Gemeinschaft einzustehen, den Staat mit seinen Ideen außen vorzuhalten, ist keiner politischen Richtung zuzuordnen. Kellie steckt den Wirkungsraum ab, der sich von Einzelnen gestalten lässt, und der nach außen abgegrenzt und verteidigt werden muss. Der Film zeigt dies, indem er das Außen nahezu vollständig aus seinem dokumentarischen Kammerspiel heraushält. Kathrin Seward und Ole Elfenkaemper haben mit HOLLER FOR SERVICE eine wichtige Beobachtung aus den USA mitgebracht.

Der zweite Preisträgerfilm nimmt sich den Gemeinschaften in einer anderen Gegend der Welt an. Danila Lipatov fährt auf der Suche nach konkreten Orten zu der Migrationserzählung seiner Tante nach Duschanbe in Tadschikistan. Es gibt diese familiäre Spur, der er folgt, aber anstatt auf dem Persönlichen zu bestehen, öffnet er sich der Stadt und den Menschen vor Ort, denen er begegnet. In den autoritären Verhältnissen und vor den Kulissen des postsowjetischen Tadschikistans haben sie sich Freiräume geschaffen, die sie mit Danila teilen. Genau hier endet sein Konzept, und es beginnt ein neuer Film, in dem die Wahrnehmung, die Erfahrungen, die im Prozess des Filmens gemacht werden können, ins Zentrum rücken. Alle gemeinsam nehmen sich Zeit, lassen sich aufeinander ein und beginnen Szenen zu entwickeln, aus denen der Film entsteht. In langen Einstellungen, Tableaus kristallisieren sich locker und ohne Zuspitzung Fragmente einer dringlichen Erzählung heraus. Ein Platz, auf dem sich Leute tummeln, ein mit einem weißen Tuch verhülltes Denkmal – welche Erinnerung mag darunter sein? Man schaut sich ein, gewöhnt sich. Dann fährt ein Kind in einem elektrischen Spielzeugauto von links in die Szene. Etwas Neues beginnt. Im Bühnenbild eines anderen Stücks trägt eine junge Schauspielerin in einer Uniform aus dem 2. Weltkrieg Swetlana Alexijewitsch vor. Als Soldatin soll sie keinen Ohrring tragen, soll ihr Frausein leugnen.
Diese Szene führt zu einer anderen. Kollektiv wird das Stechen von Ohrlöchern zum heiter-zaudernden Moment des Protests, in den Danila einbezogen ist. Karen Zimmermann kommt für die Montage nach Duschanbe und beginnt, die wiederkehrenden Themen, Orte und Figuren zu einem gemeinsam angereicherten Erlebnisraum zusammenzuflechten. Immer wieder sieht man, wie sich die Gruppe dem Verstehen, ihrer Kommunikation und Präsenz vergewissert. Dem Film gelingt es, dies zu einem widerständigen Chor zu verstärken, ein Chor, der nicht agitiert, sondern zur Teilnahme und Mehrstimmigkeit einlädt.

Preis der Stadt Duisburg

Ich hätte lieber einen anderen Film gemacht
von Suse Itzel

Dort, wo traumatische Wunden entstehen, bleiben sie oft im Verborgenen, versteckt. Sie rufen Risse in der Erfahrung, Erinnerung und Repräsentation hervor. Dem Film gelingt es, eine eindringliche Form zu entwickeln, die dieses grundsätzliche Darstellungsvakuum, das die Traumatisierung hinterlässt, zu füllen vermag.
Mittels Bild-Projektionen in Räumen, ausgeschnittenen Familienfotos und einem Voice-Over entstehen Überlagerungen von schmerzhaften Erlebnissen, ihrer Wirkung und Verarbeitung bis in die Gegenwart. Mit Mut und Klarheit stellt sich der Film so der Herausforderung einer künstlerischen Visualisierung eines Traumas, das durch sexualisierte Gewalt entsteht. ICH HÄTTE LIEBER EINEN ANDEREN FILM GEMACHT von Suse Itzel wandelt Leerstellen in Bilder von Leerstellen, die auf weitere Leerstellen verweisen.

„Carte blanche“ Nachwuchspreis des Landes NRW

Der Tag vor dem Abend
von Max Koller

Zu Anfang ist die Leinwand schwarz. Das Dunkel vor dem Licht. Prasselnder Regen, Straßengeräusche, vorbeirauschende Autos. Schon diese erste Einstellung verweist auf ein Nicht-Sichtbares, das im Jenseits des Bildes kaschiert bleibt. Eine eigenwillige Relation von Auftauchen und Verschwinden bestimmt den Film, der voll ist von Ausschnitten, von Händen und Füßen, von Teilen, von Dingen. Die Kamera ist oft schon da und lässt die alte Protagonistin ins Bild eintreten, um auf dem Schauplatz der Leinwand tastend zu manövrieren. Die präzise komponierten und fragmentierten Aufnahmen sind ein wenig aus den Angeln üblicher Kinobilder gehoben, wodurch gewohnte Raumkoordinaten verschoben und alltägliche Gesten anders wahrnehmbar werden. Aus der Beschränkung an Opulenz, aus langsamen Bewegungen der Kamera, aus vielen festen Einstellungen und spärlichen Dekors entwickelt der Film einen imaginären Überschuss.

Andocken-Preis für dokumentarische Perspektiven der Film- und Medienstiftung NRW

Casino
von Johannes Lehmann

Johannes Lehmann will in CASINO eine Gruppe junger Auszubildenden dabei begleiten, wie sie in einem sechswöchigen Kurs die Arbeit des Croupiers erlernen. Bei Putzlicht und ohne Musik imitieren die Ausbilder dafür das übliche Spielverhalten der Casinogäste.
Es eröffnet sich ein filmischer Raum, der sich zwischen Beobachtung und Vorstellung entfaltet: Das Spiel wird zum Spiegel – und wir Zuschauer:innen sind mitten drin. In dieser doppelten Bewegung begegnen sich faszinierende Gegensätze: die Disziplin des Lernens und die Verlockung des Zufalls, der Traum vom großen Gewinn. Dem Spiel wird die Arbeit entgegengesetzt, denn nebenbei zeigt sich, wer in Deutschland 2025 bereit ist, sonntags, feiertags und nachts zu vergleichsweise geringem Lohn unter hohem Druck zu arbeiten – eine kraftvolle Reflexion über Arbeit, Herkunft und Träume, die zugleich immer an der sinnlichen, verführerischen Inszenierung dieses Spiels interessiert ist.
Wir wissen nicht, ob Johannes Lehmann auch mit seinen Worten gespielt hat. Sicher ist, dass er uns mit seinem mutigen, radikalen und selbstreflexiven, dabei zugleich unterhaltsamen Konzept verführt hat. CASINO verspricht ein Film zu werden, der das Dokumentarische neu denkt. Diesen Film wollen wir unbedingt sehen und unterstützen ihn daher sehr gerne mit dem Gewinn des ersten Andocken-Preises der Duisburger Filmwoche für eine herausragende dokumentarische Projektidee im Entwicklungsstadium.

Publikumspreis der Rheinischen Post

Ich hätte lieber einen anderen Film gemacht
von Suse Itzel

Jurys

ARTE-Dokumentarfilmpreis

Enoka Ayemba
Er arbeitet als unabhängiger Filmkurator und Festivalberater mit Fokus auf afrikanische und Afro-diasporische Kinematografien sowie antikoloniale Bewegungen. Zuletzt kuratierte er im Auftrag des Filmhaus Nürnberg zusammen mit Biene Pilavci das Filmprogramm „Grenzen in der Mitte – Migration und ihre Perspektiven im deutschen Film“. Er verfügt über mehrjährige Erfahrung als Berater für das Berlinale Forum und hat zuletzt das Zusatzprogramm „Fiktionsbescheinigung“ co-kuratiert. Ayemba war 2022 Mitglied des Filmauswahlkomitees für das panafrikanische Filmfestival (FESPACO) und war bereits mehrmals als Juror für das Berliner Künstlerprogramm des DAAD tätig.

Christiane Büchner
Sie studierte Bildhauerei an der HdK Berlin und Film an der KHM in Köln. Arbeitsaufenthalte in UdSSR/Russland/GUS seit 1988. Sie ist Regisseurin von Kinodokumentarfilmen – u. a. „Das Haus der Regierung“ (2003), „pereSTROIKA –umBAU einer Wohnung“ (2008) und „Family Business“ (2015) –, lehrte an verschiedenen Hochschulen und arbeitet als dramaturgische Beraterin. Sie war Mitglied der Programmkommission der Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen. Seit 2023 gehört sie zum Auswahlkomitees des Internationalen Forums des Jungen Films. Büchner ist Mitbegründerin des Kölner Filmnetzwerks LaDOC. Gemeinsam mit Tobias Büchner betreibt sie die Büchner Filmproduktion in Köln.

Stefanie Gaus
Sie studierte an der Filmakademie FAMU in Prag und an der KHM in Köln und arbeitet als Filmemacherin, Dozentin und Kuratorin in Berlin. Ihre filmischen Arbeiten – zuletzt „Japan–Big Lagoon Village“ (2021, 46. Duisburger Filmwoche) – werden international auf Festivals und in Ausstellungen gezeigt. Seit einer Künstler:innen-Residenz in der Villa Kamogawa in Kyoto verbindet sie eine langjährige Zusammenarbeit mit dem Filmemacher und Autor Volker Sattel. Sie unterrichtete an der Universität der Künste Berlin und ist derzeit an der DFFB tätig. Daneben arbeitet sie u. a. in der Auswahljury des Kasseler Dokfests mit.

3sat-Dokumentarfilmpreis

Britt Beyer
Sie ist Autorin und Regisseurin von vielfach ausgezeichneten Kino-Dokumentarfilmen („Auf der Kippe“, 2023, und „Werden Sie Deutscher“, 2011), von abendfüllenden Dokumentationen (u. a. „Die Spur des Geldes“, „EAST! Mein Jahr in Lenzen“ und „EAST! Mein Jahr in Zeitz“) – sowie von dokumentarischen Serien („24h Europe.The next generation“, 2019). Sie produzierte u.a. ihren für den Grimme-Preis nominierten Dokumentarfilm „Kein Weg zurück“ (2015) sowie den mittellangen Spielfilm „Sachsophonie“ (2019). Beyer arbeitet als dramaturgische Beraterin für Dokumentar- und Spielfilme und unterrichtete an diversen Hochschulen.

Sebastian Höglinger
Sebastian Höglinger studierte Theater-, Film- und Medienwissenschaft und verfügt über langjährige Erfahrungen in der Organisation und Durchführung von Kulturveranstaltungen. Kuratorische und publizistische Tätigkeiten sowie kulturpolitische Beratungen im In- und Ausland. Von 2015 bis 2023 war er zusammen mit Peter Schernhuber künstlerischer Leiter und Geschäftsführer der Diagonale – Festival des österreichischen Films in Graz.

Lisa Gerig
Sie studierte Film in Zürich, Genf und Köln. Ihr erster langer Dokumentarfilm DIE ANHÖRUNG (2023) wurde mit dem Prix de Soleure, dem Zürcher und dem Schweizer Filmpreis ausgezeichnet und war für den Europäischen Filmpreis nominiert. Sie arbeitet als freischaffende Filmemacherin in Zürich und unterrichtet an der Zürcher Hochschule der Künste.

„Carte blanche“ Nachwuchspreis des Landes NRW
Preis der Stadt Duisburg

Jela Hasler
Ihre Kurzfilme wurden auf Festivals wie Locarno, IDFA, Hot Docs und Cannes – Semaine de la Critique gezeigt und zweifach mit dem Schweizer Filmpreis ausgezeichnet. Der Dokumentarfilm LES NOUVELLES ÈVES (Co-Regie im Kollektiv) kam 2021 in die Schweizer Kinos.

Carla Kaspari
Sie arbeitet als Autorin und Schriftstellerin. Ihre Romane Freizeit (2022) und Das Ende ist beruhigend (2025) erschienen im Verlag Kiepenheuer & Witsch. Neben Büchern schreibt Kaspari fiktionale und nicht-fiktionale Texte für Film und TV. Sie lebt in Köln.

Stefan Neuberger
Er arbeitet als Kameramann, Regisseur und Videokünstler in Berlin. Er studierte Dokumentarfilm-Regie an der Filmakademie Baden-Württemberg. Filme, bei denen er die Kamera führte, darunter HEIMAT IST EIN RAUM AUS ZEIT und ZUSTAND UND GELÄNDE, wurden vielfach ausgezeichnet. Er war zweimal für den Deutschen Kamerapreis nominiert und gibt Workshops an Film- und Kunsthochschulen.

„Andocken“ Preis für dokumentarische Perspektiven

Pia Hellenthal
Ihr Debüt SEARCHING EVA feierte seine Premiere auf der Berlinale, lief auf über 80 internationalen Filmfestivals sowie im Museum of Moving Images New York und dem Garage Museum of Contemporary Art Moscow. Zudem wurde war es u.a. für den Preis der Deutschen Filmkritik, den Cinema Eye Honor for Out!anding Debut New York und den Deutschen Dokumentarfilmpreis nominiert. Neben ihren eigenen Filmen arbeitet sie als Regisseurin für Produktionen wie die Serie 30 TAGE LUST. Sie unterrichtet Film an der HSD Düsseldorf und lebt in Köln.

Christian Meyer-Pröpstl
Er arbeitet als freier Kulturjournalist zu popkulturellen Themen wie Film, Comic und Musik. Er war über 20 Jahre lang verantwortlicher Filmredakteur der Stadtmagazine choices und trailer. Zudem ist er als Programmleiter der Kölner Filmsociety, als freier Moderator sowie als Seminarleiter tätig. Veröffentlichungen für u. a. Zeit-Online, Filmdienst, Tagesspiegel, Bundeszentrale für politische Bildung, Stadt Revue, intro, Strapazin, De:Bug, Kaput-Mag.

Ümit Uludağ
Er ist nach einem Studium der Filmproduktion an der Filmakademie Baden-Württemberg seit mehr als zehn Jahren im Bereich Dokumentarfilm tätig. Zunächst als Creative Producer mit seinem Regiedebüt ULTRASLAN (2017) und seit 2017 als Gesellschafter der Produktionsfirma Corso Film. Die Filme der Firma laufen weltweit auf Festivals, imFernsehen und Kino und wurden vielfach ausgezeichnet.

Kommission

Ute Adamczewski
arbeitet als Videokünstlerin und Filmemacherin in Berlin. Ihre Videoinstallationen wurden unter anderem auf der Architektur Biennale Venedig, der Shanghai Kunst Biennale und in der Pinakothek der Moderne München gezeigt. Ihre Videoinstallationen NEUE ORDNUNG (2013) und LA VILLE RADIEUSE CHINOISE (2015) wurden von den KW-Institute for Contemporary Art in Berlin coproduziert. Ihr Dokumentarfilm ZUSTAND UND GELÄNDE war auf zahlreichen Festivals und im Kino zu sehen. Er wurde u.a. mit der Goldenen Taube des DOK Leipzig (2019) und dem Preis der deutschen Filmkritik (2020) ausgezeichnet. Im April 2022 wurde ihr der Peter-Weiss-Preis der Stadt Bochum (2021) verliehen.

Mischa Hedinger
ist Filmemacher und Editor. Er studierte Video an der Hochschule Luzern, Design & Kunst und Film an der ECAL in Lausanne. 2013 realisierte er den Dokumentarfilm „Assessment“, der an der Duisburger Filmwoche mit dem „Carte Blanche“-Nachwuchspreises des Landes NRW ausgezeichnet wurde. Sein erster Kinodokumentarfilm „African Mirror“ (2019) feierte Premiere an der Berlinale, wurde für den Schweizer Filmpreis nominiert und gewann den Berner Filmpreis. Er lebt und arbeitet in Zürich.

Patrick Holzapfel
arbeitet als Autor, Filmkritiker und Kurator. Er ist Herausgeber und Chefredakteur von „Jugend ohne Film“ und setzt sich dort für „literarische Filmkritik“ ein. Im Oktober 2022 erschien die erste Printausgabe. Im Jahr 2016 erhielt er das Siegfried-Kracauer-Stipendium vom Verband der deutschen Filmkritik. 2022 erhielt er das Startstipendium Literatur vom Österreichischen Bundeskanzleramt. Außerdem wurde er zum Temnitzschreiber für „Nature Writing“ ernannt und ist Gewinner des Open-Mike-Finales für junge Literatur in Berlin.

Therese Koppe
ist freie Regisseurin und Autorin für dokumentarische Formen. Ihre künstlerische Praxis bewegt sich an der Schnittstelle zu Film und künstlerischer Forschung, die meist in kollaborativen Prozessen entsteht. Sie studierte Soziologie (Jena), Documentary Practice (London) und Dokumentarfilm-Regie in Babelsberg. Sie ist aktuell Stipendiatin des Berliner Künstlerinnenprogramms Film/ Video und Mitbegründerin der Produktionsfirma TILDA Films.

Alexander Scholz
Redakteur, Autor, manchmal Dozent u. a. bei Schnitt-Filmmagazin, Internationale Kurzfilmtage Oberhausen, Diagonale in Graz, Internationale Filmschule Köln. Bei der Duisburger Filmwoche seit 2013 Protokollant, Pressereferent, Herausgeber von „AusSichten. Öffentliches Reden über Dokumentarfilm“ (2017, mit Werner Ružička), Redakteur des Archivs der Filmgesprächsprotokolle protokult.de. Seit 2021 Leiter des Festivals. Seine literaturwissenschaftliche Dissertation „Lesemodi schriftlicher Äußerlichkeit“ erschien im Frühjahr 2024 im Aisthesis Verlag.

Serpil Turhan
arbeitet als freie Regisseurin und Autorin in Berlin. Vor ihrem Studium der Medienkunst/Film bei Thomas Heise an der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe war sie mehrfach Hauptdarstellerin in Filmen von Thomas Arslan und Rudolf Thome. Ihr Dokumentarfilm „Herr Berner und die Wolokolamsker Chaussee“ hatte 2010 seine Uraufführung auf der Duisburger Filmwoche und erhielt den Förderpreis der Stadt Duisburg. 2013 legte sie mit dem Dokumentarfilm „Dilim dönmüyor – Meine Zunge dreht sich nicht“, der auf zahlreichen Festivals gezeigt wurde, ihr HFG-Diplom ab. Der lange Kinofilm „Rudolf Thome – Überall Blumen“ feierte 2016 Premiere im Forum der Berlinale. Von 2019 bis 2023 war sie Gast-Professorin für Film an der HfG Karlsruhe. Ihr Film „Köy“ eröffnete 2021 die 45. Duisburger Filmwoche und kam anschließend in die deutschen Kinos.

Filme

My Boyfriend el Fascista (Matthias Lintner | IT 2025)
Holler for Service (Kathrin Seward, Ole Elfenkaemper | DE 2025)
Der Tag vor dem Abend (Max Koller | AT 2025)
Palliativstation (Philipp Doering | DE 2025)
Ecce Mole (Heinz Emigholz | IT 2025)
El Mundo Al Revés (Agostina Di Luciano, Leon Schwitter | AR/CH 2025)
Elbows in Shatters (Danila Lipatov | DE 2025)
Prekid Vatre (Jakob Krese | DE/IT/SI 2025)
Silent Observers (Eliza Petkova | BG/DE 2024)
Sedimente (Laura Coppens | CH 2025)
2024 (2023) (Stefan Hayn | DE 2025)
Unsere Zeit wird kommen (Ivette Löcker | AT 2025)
Knife in the Heart of Europe (Artem Terent’ev | AT/DE 2025)
Personale (Carmen Trocker | IT/AT 2024)
Le lac (Fabrice Aragno | CH 2025)
Ich hätte lieber einen anderen Film gemacht (Suse Itzel | DE 2024)
Soldaten des Lichts (Julian Vogel, Johannes Büttner | DE 2025)
Baħar Biss (Franziska von Stenglin | MT/DE 2024)
B wie Bartleby (Angela Summereder | AT 2025)
SLET 1988 (Marta Popivoda | DE/FR/RS 2025)
With Hasan in Gaza (Kamal Aljafari | DE/PS/FR/QA 2025)
Mein Land will nicht verschwinden (Andreas Goldstein | DE 2025)

Extras

Nachhall. Musik im Dokumentarfilm gestern und heute

Ritm (Manouchehr Tayyab | IR 1964)
On the Mountain (Margaret Tait | UK 1974)
Arrival (Mani Kaul | IN 1980)

Dhrupad (Mani Kaul | IN 1983)

Ein Wasserglas kippt

Zusammenhalten statt stillhalten. Über ein Unbehagen im Kulturbetrieb

Duisburger Klassik 1
B 224 (Rainer Komers | DE 1999)
Divina Obsesión (Volko Kamensky | DE 1999)

Duisburger Klassik 2
Jenseits des Krieges (Ruth Beckermann | AT 1996)

Motto

HALT

Die Hand an der Kette einer Schaukel: Sie hilft beim Schwung holen, dass etwas in Bewegung kommen möge, bevor man loslässt und sich in die Welt stürzt. Gleichzeitig bietet das Festhalten Sicherheit; erlaubt, dass man der Welt noch etwas enthoben bleibt; sie beobachten kann, bevor man gleich wieder gezwungen ist, auf ihrem soliden Grund zu stehen.

„Halt“ meint die „Stopp!“ rufende Intervention ebenso wie den Wunsch nach Trost; den beruhigenden Rückhalt wie das längst übervolle Maß. In Filmen, besonders im Kino, begegnet uns oft beides. Manchmal wollen uns Bilder agitieren, uns für eine Sache einnehmen. Manchmal wollen sie uns in die Dinge entführen, sie verzaubern – Halt in der Wahrnehmung, manchmal gar im Eskapismus stiften.

Dokumentarfilme hingegen – zumal die, die wir in Duisburg zeigen – bieten selten Gelegenheit zur Realitätsflucht. Sie taugen kaum dafür, sie für bequemliche Ideen wohliger Kunstautonomie in Anspruch zu nehmen. Dafür haftet ihnen zu viel Wirklichkeit an. Halt suchen wir also nicht im Abstand zum Hier und Jetzt, sondern finden ihn stattdessen in Präsenz, ineinander. Als Zuschauende, die gemeinsam innehalten oder sich miteinander unterhalten; gemeinsam Wahrnehmungen und Widerstand nicht konsumieren, sondern erfahren und denken.

Dieser Halt ist kein romantischer Sozialkitt, als der das kollektive Erleben von Kunst oft verklärt wird – insbesondere von jenen, die solches Miteinander sparend sabotieren. Der Halt, den wir meinen, ist die Kraft, der Ohnmacht entgegenzutreten, Beziehungen neu zu knüpfen und Geschichte in Bildern in Bewegung zu halten. Es könnte die Kraft des Dokumentarfilms sein, „die versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zu zwingen, dass man ihnen ihre eigene Melodie vorsingt“ (Marx) – oder sie zumindest, mit der Hand an der Kette, ins Schwingen bringt.

Trailer: Helena Wittmann