Vom 3. bis zum 5. April 2025 waren wir mit ausgewählten Filmen zum zweiten Mal zu Gast im Österreichischen Filmmuseum in Wien. Für unser dortiges Programm wurden Filme der vergangenen Festivalausgabe mit betagteren Beiträgen aus der Duisburger Programmgeschichte in Beziehung gesetzt.
Hier lesen Sie die Einführung zum Screening der Filme von Sabine Fröhlich und Faraz Fesharaki.
Heute sehen wir zwei Filme, die sich Bildschirmen widmen – und das im Kino, auf der großen Leinwand. Wir sehen zwei Filme, in denen es um Kommunikation geht –
und haben danach zum Glück die Gelegenheit, selbst darüber zu sprechen.Wir sehen zunächst MONOLOG DIGITAL von Sabine Fröhlich. Der Film entstand 1988: in einer Zeit als Computer den Alltag der meisten Menschen erst seit Kurzem berührten. WAS HAST DU GESTERN GETRÄUMT, PARAJANOV? wurde 2024 fertiggestellt: ein Film aus einer Gegenwart, in der digitale Kommunikation längst selbstverständlich geworden ist.
Der zeitliche Abstand der Filme prägt also bereits den Umgang mit ihren Medien. In
MONOLOG DIGITAL sind Computer noch Teil einer anderen Welt – einer, die erst erschlossen werden muss. Wir sehen Menschen in Schulungssituationen, die lernen, wie man dem Computer etwas „beibringt“ und was man selbst von ihm lernen könnte. Die Grenze zwischen physischer und digitaler Welt ist noch intakt: Wir sehen, wie diese Grenze vermittelt und überbrückt wird.
In WAS HAST DU GESTERN GETRÄUMT, PARAJANOV? ist diese Trennung durchlässiger geworden.
Der gemeinsame Familienalltag zwischen Deutschland, Österreich und Iran findet auf dem Bildschirm statt, der Teil eines gemeinsamen und belebten Raums geworden ist. Und doch: Wenn sich die Personen persönlich treffen, physischen Raum teilen, zeigt uns der Film deutlich, dass eben diese Präsenz Begegnungen eine neue Qualität verleiht.
Sehr unterschiedliche Filme also, die doch ein Sujet miteinander teilen: den Bildschirm, den Blick darauf, das Sprechen über Computer und durch sie hindurch. Beide Filme sehen den Bildschirm als Ort der Vermittlung. Der Bildschirm erscheint im Spiegel derer, die auf ihn schauen – und diese wiederum im Spiegel des Bildschirms. Auf eine Art fragen sich beide Filme, wie man Spiegel überhaupt filmen könnte.
Die grundlegenden Unterschiede der Filme beginnen indes schon beim Kontext, in dem die Bildschirme eine Rolle spielen: In MONOLOG DIGITAL ist der Computer ein Objekt der Arbeitswelt – in WAS HAST DU GESTERN GETRÄUMT, PARAJANOV? aufzeichnendes Objekt im Privaten.
In Sabine Fröhlichs Film sehen wir Menschen, die vor dem Bildschirm sitzen, Programme schreiben, Sprache eingeben. Die Kamera zeigt nicht, was diese Menschen sehen. sondern ihre Gesichter: beim Tippen, beim Aufblicken, beim Grübeln. Wir schauen in Gesichter von Menschen, die mit einer Maschine kommunizieren wollen. Während sie kalkulieren, lesen wir als Zuschauer:innen in ihren Blicken, versuchen zu übersetzen.
Im Diskussionsprotokoll der 12. Duisburger Filmwoche ist nachzulesen, dass Fröhlich es als störend empfand, die Gesichter nicht aus der Perspektive des Monitors zeigen zu können, sondern nur an diesem vorbeizuschauen. Das bedeutet allerdings nur, dass sie seinen Platz als Gegenüber teilen wollte, nicht, dass sie den Blick des Computers imitieren wollte: So gibt sie in der Diskussion auch an, ganz bewusst auf Film gedreht zu haben, um eben nicht die Bildschirmästhetik von Video zu reproduzieren.
Ganz anders Faraz Fesharaki. Hier ist es der Computer selbst, der filmt. Die Skype-Software bewegt die Webcam nicht – ihre Kameraarbeit will unsichtbar bleiben. Ausgerechnet diese standardisierte Technik ist es allerdings, die die intimsten Aufnahmen ermöglicht, die wir heute Abend sehen werden: Gespräche über Liebe, Entfremdung und Wiederannäherung, Reflexionen über Migration, Exil, Generationenunterschiede.
Eingeschrieben bleibt diesen Bildern die Technik trotzdem. Durch ihre Mängel – als rauschende, verpixelnde Verbindung. Die daraus sprechende Distanz steht quer zu den verschiedenen Formen der Nähe, die sich in den Gesprächen entfalten und die für uns Zuschauer:innen und für die Familienmitglieder in den Gesichtern und den Körpern ablesbar werden.
Bei Fröhlich hingegen passen sich die Menschen an die Maschine an. Sie sprechen nicht, um von jemandem gehört zu werden, sondern um von einer Maschine verstanden zu werden.
In der Fabrik und im Callcenter werden die Folgen dieses funktionalisierten Sprechens sichtbar – Fremdheit als Effekt von Eindeutigkeit.
Fröhlichs Film ist gegenüber solchen Entwicklungen skeptisch. Sie zeigt sie als einen Prozess allmählicher Umcodierung. Wer programmiert, muss nicht empathisch, sondern regelbasiert denken. „So geradeaus denken, wie der Rechner es ausführen wird“, sagt eine Programmiererin.
Wiederum anders bei Fesharaki: Hier ist Sprache mehrdeutig. Alltäglichkeiten, wie die Frage, warum ein Tisch feucht ist und wer ihn möglicherweise abwischt, haben stets sowohl konkrete als auch metaphorische Bedeutung, sagen immer etwas über eine persönliche als auch über eine soziale und politische Dynamik aus. Häufig überlagern sich die rhetorischen Register, verschwimmen Ironie und Liebesbekundung.
Beide Filme nutzen den Bildschirm, auf den die Protagonistinnen schauen, als Spiegel.
In MONOLOG DIGITAL ist dieser Spiegel ein kalt reflektierender – eine Instanz der Selbsterkenntnis, die nicht zur Identitätsbildung, sondern zur Entfremdung führt. Selbstbeobachtung dient hier nicht der Orientierung, sondern der Optimierung. Menschen erkennen sich selbst als funktionales Subjekt. Die Dramaturgie des Films steht mit dieser analytischen Kühle durchaus in Kontakt: Sie ist streng, aufeinander aufbauend, argumentativ, eben funktional.
Auch in WAS HAST DU GESTERN GETRÄUMT, PARAJANOV? hingegen spiegeln sich im Bildschirm Beziehungen. Es ist ein Spiegel, der einem zeigt, wer man war und wer man geworden ist – im Blick der Familie. Die Kommunikation über den Bildschirm öffnet einen Raum, in dem Nähe, Prägung und Geschichte sichtbar werden. Selbstkonfrontation changiert zu Selbstvergewisserung. Freunde machen liebevolle Scherze darüber, wer oder was man zu sein meint: Künstler, fremd, verliebt.
Die Dramaturgie in Fesharakis Films ist entsprechend assoziativer: Die Skypebilder sind Teil eines komponierten Familienporträts. Die Kapitelstruktur, die typografisch gestalteten Zwischentitel, Archivaufnahmen – all das spricht von einer sich selbst bewussten Form, der nicht Funktionalität, sondern Assoziation eingeschrieben ist. Passend dazu ist Erinnerung hier kein bloßer Speicher, sondern Form der Auseinandersetzung, poetische Rekonstruktion. Irgendwann wechselt der Film sogar das Medium der Beziehungen – weg vom Bildschirm, hin zur Handschrift.
Beide Filme lassen uns mit einer gemeinsamen Frage zurück: Was passiert mit unserem Denken, Sprechen, Fühlen, wenn wir sie durch einen Bildschirm hindurch artikulieren?
Sabine Fröhlich zeigt, wie Technologie unsere Sprache verschlankt, unseren Körper funktionalisiert, unsere Kommunikation vereinfacht – und dabei vielleicht auch entleert.
Faraz Fesharaki zeigt, wie Computer zum Speicher von Zärtlichkeit, Bildschirme zum Ort der Verhandlung, zur Projektionsfläche von Träumen werden können.
Zwei Perspektiven auf den Bildschirm. Zwei Blickrichtungen. Und eine gemeinsame Erkenntnis: Der Bildschirm ist nicht neutral, der Spiegel zeigt den, der vor ihm sitzt. Und doch schauen wir heute nicht auf Bildschirme – sondern auf die Leinwand.