Film

Silent Observers
von Eliza Petkova
BG/DE 2024 | 96 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 49
05.11.2025

Diskussion
Podium: Eliza Petkova
Moderation: Ute Adamczewski
Protokoll: Fiona Berg

Synopse

Nur ein paar gebeugte Alte sind dem bulgarischen Bergdorf Pirin geblieben. Und die Tiere. Aufmerksam verfolgen sie den Alltag der Bewohner:innen, werden zu Akteuren in deren Aberglauben. Eine Katze springt über einen aufgebahrten Leichnam – ist sie jetzt ein Vampir? Welche Geheimnisse trägt ein struppiger Esel in seiner verzauberten Seele? Eine Studie in Magie und Melancholie – über das Verschwinden einer ländlichen Lebenskultur und die Symbiose zwischen Mensch und Tier.

Protokoll

Das Dorf Pirin liegt am „äußersten Rand Bulgariens“ und ist Schauplatz einer Trilogie, dessen dritter Teil der eben gesehene SILENT OBSERVERS von Eliza Petkova ist. Tiere auf einem Hof in Bulgarien – Moderatorin Ute Adamczewski stellt es sich nicht einfach vor, diesen Stoff durchzusetzen. Wie bekommt man für ein solches Projekt wohl Gelder vom Fernsehen?

Es war eine filmische Reise, die insgesamt 13 Jahren umfasst, beginnend mit einer Locationsuche für den ersten Langspielfilm von Petkova, ihren Abschlussfilm an der DFFB. Der Kontakt zu den Einheimischen war maßgebend, sie waren von Beginn an beteiligt, vor und hinter der Kamera. Die Begegnung des jungen Filmteams mit den alten Menschen vor Ort habe auf alle großen Eindruck hinterlassen: Seltene Begegnung, der Abschied sentimental und die Entscheidung klar, man werde wiederkommen. So entstand der nächste Film. Seitdem ersten Besuch seien sehr viele Dorfbewohnerinnen gestorben, von damals 240 sind es heute nur noch 70 Personen. Besonders fiel die symbiotische Beziehung zwischen Mensch und Tier auf, weshalb die Idee aufkam, einen dritten Film über dieses Verhältnis zu machen.

Doch nochmal genauer, die Moderation fragt nach, die Regisseurin holt aus: der erste Film war der Spielfilm ZAHLEIKA (2016) über eine Jugendliche, die sich weigert über ihren Vater zu trauern, gegen die Traditionen, die an diesem Ort „sehr konserviert“ seien (niemand fahre vorbei, es ist das Ende des Tals). Der zweite Film ist eine dokumentarische Arbeit mit dem Namen MAYOR SHEPHARD WIDOW DRAGON (2021). Von Beginn an lag das Interesse bei der Geschichte der Einheimischen, die auch eine der Tiere ist.

Der Film sei „irre stofflich gefilmt“, wie Adamczewski beschreibt und lobt, so was gäbe es nur noch selten. Die wiederholte Bemühung des Begriffes der Seltenheit (der Ort, die Art Tiere zu filmen) fällt zusammen mit der Beschreibung des Sammelns und Fangens („Es war da und dann hat man es aufgesammelt“ oder „Geschenke des Lebens“, die man hier ästhetisch einfangen habe) und scheint mit der im weiteren Verlauf beschriebenen Inszenierungs- und Bearbeitungsweise im Widerspruch zu stehen.

Bevor die Moderation darauf zu sprechen kommen möchte, wie man überhaupt Tiere filmt, zielen ihre weiteren Fragen auf die Kameraarbeit ab. Wieso 4:3, wenn nicht analog gefilmt wurde, obwohl es so wirke? Wie viel Vorbereitung im Bildkonzept liege? Wie es zu den Kamerafahrten kam, die eine hypnotische Wirkung hätten? Gedreht wurde mit einer ARRI Alexa Mini, womit die Entscheidung für das Format und gegen Totalen (im Sinne eines Breitbilds) fiel. Es gab nur eine Fahrt, der Rest wurde digital hergestellt, um einen erzählerischen Fokus zu setzen. Petkova und ihrer Kamerafrau Constanze Schmitt ging es besonders um die Texturen und sie betont, dass sich niemand um die Ausstattung oder Kostüm gekümmert habe, dass alles so gewesen sei, wie sie es vorgefunden haben und (bis auf einmal) nur natürliches Licht benutzt wurde.

Das liefert die Überleitung zur Arbeit mit den Tieren, „Geduld ist das Schlüsselwort“: Die Katze hätte zum Beispiel 10 Tage gebraucht, um sich an sie zu gewöhnen. Daneben gab es viel Futter und Streicheleinheiten. So würden Tiere Freunde und machen mit. Doch wie kann man sich das genau vorstellen? Legt man dann Fährten, wenn der Hund durchs Bild laufen soll, hakt die Moderation nach. Hunde bauen Bindungen auf, Petkova beschreibt es schmunzelnd als „Mini Dressur“, die scheinbar auch bei Katzen funktioniere und das Publikum lacht mit.

Ein Beitrag aus dem Saal bezieht sich auf die Aussage zu Beginn, dass Menschen normalerweise Tiere im Bild legitimieren, es hier aber umgekehrt sei, das Tier ist da, um die Person zu legitimieren („so noch nie gesehen“). Ein anderer fragt zu der im Film präsenten Vorstellung, dass Menschen in Tieren weiterleben und möchte was zu den Dialogen wissen, die davon handeln. Dieser Aberglaube sei in Bulgarien weitverbreitet und alle gezeigten Geschichten seien wirklich so passiert, sie sind der Ausgangspunkt für die Inszenierungen, alles käme sozusagen von innen heraus. Die Dialoge seien demnach nicht geskriptet, nur das Thema vorgegeben, womit sich alle wohlfühlen sollten.

Über die szenische Wahrnehmung des Filmes landet das Gespräch bei der Frage nach der Grenze zwischen Dokumentar- und Spielfilm, die die Regisseurin als eine sehr flache empfindet. Weitere Beobachtungen der Moderation zur Dramaturgie der Tiere und der Farben birgt die Frage nach der Chronologie und des Zeitraumes. Tatsächlich waren es nur fünf Wochen ab Mai 2023, doch das launische Wetter ergibt den Eindruck, als handele es sich um verschiedene Jahreszeiten.

Passend zu einem der Festivalschwerpunkte – Musik im Dokumentarfilm – kommt eine kritische Wortmeldung von Michael Baute aus dem Publikum, der drei Ebenen der Erzählung beschreibt – die Interaktion der Tiere und Dorfbewohner, der menschlichen Figuren untereinander und der Rhythmus des Scores – und findet, dass diese durch die extradiegetische Musik eine Hierarchie erhalten. „Es konkuriert, aber ich mag das“, so Petkova. Als Fan experimenteller Neuer Musik habe sie pro tierischen Protagonisten (Katze, Esel, Hund, Ziege, Lamm) einen Musiker gefragt zu improvisieren, um die unberechenbare Innenwelt des Tieres auszudrücken. Ob „Peter und der Wolf“ eine Inspiration gewesen sei, fragt Adamczewski. Wieder Lacher im Publikum. Nein, nichts Geschriebenes war Leitmotiv, auch die Reaktion der Tiere war authentisch, es wurden O-Töne gesammelt.

Dennoch wurde wohl viel mit Foleys nachbearbeitet, was auch den am Ende aus dem Publikum geäußerten anthropomorphen Eindruck unterstreicht. Das sei auch gewollt gewesen; woher sollten wir denn wissen, was die tierische Perspektive ist?