Film

Wieland Förster – Protokoll einer Gefangenschaft
von Peter Voigt
DE 1992 | 135 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 16
1992

Diskussion
Podium: Peter Voigt
Moderation: Didi Danquart
Protokoll: Antje Ehmann

Protokoll

Zum Drumherum: Eine Auftragsarbeit. Peter Voigt erläutert, alles· habe· mit einem Telefonanruf des Künstlers Wieland Förster begonnen und mit dubiosen Briefen des sich in einem desolaten psychischen Zustand ‚befindenden Künstlers geendet. „Nach Beendigung der Dreharbeiten war ich ihm um Lichtjahre entfernt“.

Zur Diskussion: Die aus drei Filmen bestehende Dokumentation trieb die Zuschauer, entgegen der Erwartung des Filmemachers, keineswegs „reihenweise aus dem Kino“. (Bis auf mindestens einen, der sich mit einem schnellen „Bier und Brötchen“ die zweite Zelle ersparte“.) So war der erste Beitrag, noch unter nachhaltender Wirkung der gewaltigen Textabspulung Försters stehend, ein kurzer: Die Zuschauerin besprach ihre Sprachlosigkeit.

Voigt vermutete bezüglich der gewählten Ausdrucksweise des Bildhauers, der auch Schriftsteller sei, daß dieser seine „Aussagen präzis vorbereitet habe. Von der die· Zuschauer pingelig detailliert bis lyrisch anmutenden Ausdrucksweise Försters, lebt der Film. Als nicht problematisch wurde die ledigliche ‚Bebilderung‘ der „oral history“ empfunden. Man „erlag dem Sprachfluß“, der auch zu einem lesenswerten ‚Script‘ hätte verwendet werden können. Das Hin–und–Her bezüglich der Sinnfälligkeit der strukturalen Gliederung des Films wurde von Voigt mit der schlichten Apostrophierung ’schön‘ und ‚hübsch‘ beendet. Ähnlich verlief der kurze Redewechsel über die Redundanzen erzeugende Interviewtechnik. Die Interviewnachfragen, die der detailverliebte Förstergerne eingehend beantwortete, seien nicht als „Rechenaufgaben“ zu verstehen, sondern als informationsrückversichernd. Voigt verstehe sich in erster Linie als „Informationstransporter“ Der Versuch des sich durchgehend lässig süffisant gebenden Filmemachers zu erklären, daß sein FiIm eigentlich kein Film, sondern ein Protokoll sei…“, wurde von einer Zuschauerin mit den Worten „erzähl doch keine Scheiße, das ist der beste Film…“ durchkreuzt. Es folgte ein weiterer Versuch, eines diesmal ‚Förster–bezogenen‘ kritischen Beitrags seitens des Filmemachers. „ln der Mitte hat der Film eine Trombose“. Verursacht dadurch, daß der Künstler nach dem ersten, eine „geschlossene Mauer von Fakten aufnehmenden Drehtag“, am zweiten „die Wahrheit des Ganzen zu reflektieren versuche. “ Das stört das ästhetische Empfinden Peter Voigts. Dazu keine Rückmeldung aus dem Publikum.

Auch die erneut thematisierten – diesmal nicht Wort– sondern Bildredundanzen – wollte man nicht als kritikbedürftig stehen lassen. Sie brächten, so eine sensible Zuschauerin, die schreckliche „Monotonie des Zellendaseins dem Betrachter sinnlich nahe“. Genauso wurden die nicht zum Verständnis des Films erforderlichen aber eben „schönen“ und „hübschen“ Überschrifteinblendungen, symbolisch aufgeladen: Die dadurch gezeitigte Rhythmisierung simuliere den Prozeß des Erinnerns. Didi Danquarts Meinung nach unterlaufe die zerstückelte Rede Försters die Gefahr einer Selbststilisierung. (Was natürlich auch heißen kann, daß diese (?) somit geschickt verdeckt worden ist).

Apropos ‚Bildredundanzen‘ … wurde der viermal gezeigte Kameraschwenk auf die Passionsskulptur, der einige Zuschauer enttäuschte, von Voigt mit seinem Konzept, ausschließlich die Innenperspektive des ehemaligen Häftlings einzunehmen, entschuldigt. Weiterhin gab Voigt zu verstehen, daß ihm die Unschuldsbeuterungen Försters dubios vorgekommen seien. Generell läge ihm diese Thematik jedoch quer, da „derzeit die Begriffe ‚Schuld/Unschuld‘ nur so durch die Lande kugeln“. Aus dem Grunde wurde der Komplex auch nicht weiter in der Diskussion ausgerollt.

Ende und Ausblick: Nach einer kurzen Untermauerung einer Zuschauerin, „wie wichtig erinnern ist…wie wichtig Vergangenheitsbewältigung ist … “, führte die abschließende Frage in die Gegenwart. In Rekurs auf die Sorge Försters ob seines gekündigten Ateliers beruhigte Voigt mit der Information, daß sich der Künstler gleich gegenüber seines alten Ateliers in einem neuen „weiterhin in die lebensrettende Tätigkeit, die Bronzerei, stürzen könne“.