Film

Ö – Norm – Al
von Anna Steininger, Ilse Gassinger
AT 1989 | 47 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 14
18.11.1990

Diskussion
Podium: Anna Steininger
Moderation: Elke Müller
Protokoll: Judith Klinger

Protokoll

Am Anfang der Arbeiten an „Ö-Norm-Al“ stand eine sozialwissenschaftliche Studie der Autorinnen Rotraud Schubert und Brigitte Wurm, zu der Anna Steininger und Ilse Gassinger als Kamera-/Tonfrau Belegmaterial hätten beisteuern sollen. Die Scheu der befragten Frauen vor der Kamera, ihre Angst vor Repressalien und ihr Wunsch nach Anonymität führten allerdings dazu, daß (fast) nur Ton-Interviews aufgezeichnet werden konnten. Ausgehend von diesem Material, vom Tonschnitt her bestimmte sich dann die Montage und Auswahl der Bilder, die teils parallel zur Interview-Arbeit, teils darauf gedreht wurden. Erst hier, so Anna Steininger, habe man eine Konzeption für den gesamten Film entwickelt.

„Ö-Norm-Al“ verfUge über die seltene Qualität, neben gefundenen auch erfundene Bilder zu zeigen, bemerkte Elke Müller; deutlich wird dies nicht zuletzt am Beispiel eines Gesprächs zwischen zwei Frauen, in dessen Verlauf nur sich bewegende Hände zu sehen sind – auch dies eine ‚visuelle Nachsynchronisation‘ zum Sprechton. Warum in einer wesentlichen Interview-Passage das Prinzip der rhythmisierten Off-Ton- und BildMontage durchbrachen worden sei, fragte Elke Müller nach, war das mangelndes Vertrauen in die eigene Strategie ? Sie selbst habe dieses Prinzip nie so streng aufgefaßt , erklärte Steininger, am Punkt des besagten Interviews’verschiebe sich die komplexere Montage in die Sprache hinein‘. Sie verwies dabei auf drei co-existente Sprachprinzipien : zunächst der Text als Zusammenfassung der Geschichte, zum zweiten die Äußerungen der Interviewerin als ‚Übersetzung‘ der befragten Frau in eine ihr verständliche Sprache , zuletzt die Rede der Frau, die vor allem Sprachlosigkeit demonstriert. Eben diese Sprachlosigkeit ist es, die die Szene von jeder Personalisierung abrückt und Verallgemeinerung fordert. Sie habe diese Sequenz selbst nicht als Bruch, sondern als schlaglichtartige Verschärfung der experimentelleren Filmteile wahrgenommen, bestätigte eine Zuschauerin; die Bilder der frei montierten Passagen seien im übrigen nicht Illustrationen, sondern weitere Mitteilungen.Die Intensität der Bilder von Arbeitsplätzen , Maschinen ,deren Funktion unklar bleibt,trägt zur ständigen Vergrößerung der Assoziationsfelder bei.

Ob man dem Film nicht aber doch eine Information zur Entstehung der Off-Töne beigeben solle ? fragte ein Zuschauer; das Wissen um die Angst der Frauen trage möglicherweise auch zur thematischen Intensivierung bei . Anna Steininger lehnte diesen Vorschlag mit der Begründung ab, eine solche Notiz sei als Pointierung überflüssig und verschiebe den gesamten Film in eine falsche Richtung. Auch wolle sie die Ton-Interviews, die sie beim ersten Hören in ihrer Vehemenz ·und Ausdruckskraft so beeindruckt hatten, nicht als ‚Notlösung‘ abqualifizieren.

Die Bilder der ‚Einfamilien-Wohngefängnisse ‚ und die Aussagen der Frauen, die das Sich-Verstecken-Müssen immer wieder zum Ausdruck bringen – so ergänzte Sabine Fröhlich – erübrigen einen Hinweis auf die Umstände bei der Herstellung des Films.

Die Frage nach der möglichen Untertitelung und dem Anwendungsbereich des Films beantwortete Anna Steininger folgendermaßen : Der Sprachduktus der Frauen widersetze sich jeder Übertragung. und jeder diesbezügliche Versuch führe unweigerlich in die Nivellierung der Grammatik. „Ö-Norm-Al“ kommt derzeit in vierzig Kopien über das Österreichische Sozialministerium und die Arbeitsämter zum Einsatz.