Film

Landshaft
von Daniel Kötter
DE, AM 2023 | 97 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 47
8.11.2023

Diskussion
Podium: Daniel Kötter
Moderation: Mischa Hedinger
Protokoll: Marius Hrdy

Synopse

Ein Auto durchmisst eine karge Grenzlandschaft. Diesseits: Armenien – jenseits: Bergkarabach. Vom Sewansee bis zur Goldmine Sotk, über hügelige Straßen, vorbei an Schafherden und Gütertransporten entspinnt sich eine Reise durch eine umkämpfte Region mit ungewisser Zukunft. Kämpfer:innen, Ortsbewohner:innen und Minenarbeiter kommen zu Wort. Dahinter bleibt der drohende Berg immer fest im Blick.

Protokoll

„Landshaft wird nicht mit „sch“ geschrieben, sondern mit SH—so heißt es auf armenisch.“ Mit solch einführenden Präzisierungen in der Transliteration, aber unter anderem auch über die genaue Verortung des Films in der umkämpften Konfliktregion stecken Moderator Mischa Hedinger und Filmemacher Daniel Kötter die geographischen und geopolitischen Eckpfeiler für die Diskussion ab.

Hedinger erörtert, dass „Landshaft“ ein Film ist, der uns vor allem das Unsichtbare durch filmische Mittel fühlbar macht. Er bezeichnet ihn als „konzeptuellen Film“, der zwar einerseits über die Landschaft vor und in Gesprächen mit deren Bewohnern hinter der Kamera erzählt, aber auch durch „non-human actors“ – mit inhomogenen Tonspuren oder auch Schafen. Waren diese formalen Mittel von Anfang an schon gesetzt oder waren sie improvisiert?

Kötter kommentiert dies gleich, und dann etwas später noch einmal mit einer Mischung des Drehmaterials von der Reise in der Region und der darauffolgenden Transformation des Materials im Schnitt. Er überlegte wie er sich und seine Kamera in dieser Landschaft positioniert – an einem Ort wo er nicht aufgewachsen ist und dessen Sprache er selbst nicht spricht.

Hedinger wirft ein, dass der Ton oft für den Zuschauer nur schwierig verortbar ist, da er häufig nicht bildsynchron mit den Gesprächen ist, die im Hintergrund stattfinden. Wie ist Kötter da im Hinblick auf die geführten Gespräche vorgegangen?

Kötter verweist auf die 150 Stunden Drehmaterial – das er über fünf Aufenthalte in 14 Monaten sammelte. Seine armenischen Kollaborateur:innen – zwei Filmkurator:innen, eine Anthropologin und einen Tonmann, zeichneten die Gespräche vor Ort auf. Diese waren für ihn nicht nur Übersetzer:innen der Sprache, sondern auch der Perspektiven der Protagonistinnen. Er wollte in der Region lebende Armenier:innen zusammenbringen, selbst jedoch nicht an den Gesprächen teilnehmen.

Offenbar erwirkt diese Aussage einige Fragen im Publikum, die sich mehr für die Nähe der Beziehungen zwischen Kötter und den Protagonist:innen interessieren: Wie hat Kötter, obwohl er bei den Gesprächen selbst abwesend war, trotzdem eine persönliche Nähe aufbauen können? Für Kötter war es wichtig, sich zu absentieren, damit sie anders miteinander sprechen konnten, ohne Kamera. Auf der Bildebene repräsentierte Kötter dann eher seinen Blick, jedoch war ihm der Ton genauso wichtig. Danach hat er eine „Wahrscheinlichkeit“ des Ortes mit den Gesprächen in der Montage erstellt. Meistens sieht man die Orte im Bild, in denen auch die Gespräche stattgefunden haben.

Hedinger setzt dazu etwas schnippisch nach: „voll konsequent ziehst du es ja nicht durch, so wie in der Szene mit der Wahrsagerin. Ist es dir auch wichtig, das (Konzept; mit solchen direkten Einstellungen) aufzubrechen?“ Für Kötter ist das nicht unlogisch, da es ihm wichtig war, da auch flexibel zu sein. Für ihn hatte diese Szene eine Scharnierfunktion, um aus dem Landschaftsfilm einen Film einer Psychogeographie zu machen, und diesen Psycholandschaften eine Möglichkeit des Ausdrucks zu bieten.

Im weiteren Fortschreiten gesellen sich, wenn auch chronologisch hier textlich gerafft, einige Fragen zu technischen Details aus dem Publikum hinzu. Hedinger filtert diese, etwas polemisierend in den für ihn „mechanischen Blick“ der Kamera, der die „Landschaften abscannt“. Er fragt „Wie gehst du damit um, um nicht nur deinen Blick über die Landschaft darüberzustülpen?“

Kötter differenziert, wie so oft in diesem Gespräch, bedächtig erklärend am Konzept. Er versteht den seinen als Versuch, den westlichen-distanzierten Blick auf Landschaft aufzubrechen.

Er hatte aber auch spektakuläres Drohnen-Footage von der Goldmine Sotk. Ihm war jedoch bald klar die Ursachen Krieg und Extraktivismus so nicht zeigen zu wollen und er hat dann dass Footage nicht verwendet. Er hätte es einen „totalen Verrat an der Perspektive“ gefunden, wenn er nicht auf Augenhöhe mit den Menschen gefilmt hätte.

Eine wirkliche Präzisierung, was auf der Tonebene doch alles sonst noch geschieht, fernab der Gesprächsaufnahmen wirkt aber hier im häufig erwähnten hoch-runter und links-rechts etwas ausgespart. Sehr wohl merkbar sind etwa – in den Film gehört – dröhnende Maschinengeräusche, sobald die Sprache auf Drohnenangriffe kommt, die Erwähnung von Bayraktar etc. kommt. Sehr klar findet dabei eine Dramatisierung statt, die sowohl den Ton als auch die Panoramen narrativ amplifiziert.

Passend dazu kommt dann auch aus dem Publikum eine Frage zur Montage: „Es wurde ja die Erzählung der Gewaltenumkehr erwähnt.“ Die Stimmen der Verständigung zwischen den streitenden Nationen wurde mit zunehmender Filmlänge schwächer, die der Eskalation jedoch stärker: „Hast du das so gebaut und ist die Beobachtung so richtig?“

Kötter ambivalent: „Ja und nein.“ Die Kamera filmt gebietschronologisch vom Sewansee am Anfang zur Goldmine Sotk nahe der Grenze am Ende. Fast immer sieht man auch die Location, wo die Gespräche geführt wurden, und je näher wir der Grenze kommen, desto mehr verändern sich also die Gespräche. Er sieht den Unterschied in eben dieser Distanz zur Bedrohung.

Im Nachklang der Narrationsdebatte wurmt Hedinger dann doch nochmal der Anfang des Films: „Als das Auto eingeführt wird fühlt es sich an wie ein fiktionales Element. Was ist an der Autofahrt arrangiert oder gescriptet?“

Kötter verneint, er hat nichts gescriptet. Er hat sein Material erst nach der Sichtung kennengelernt. Es gab eben diesen Lada, der Anlass ist für diese Reise ist.

Und welche Bedeutung hatte der Zug für ihn (Frage aus dem Publikum)?:

Kötter schließt wieder mit den linearen Strukturen der Landschaft. Der vertikal-extraktivistischen Ausbeutung der Ressourcen, in der jeder Zentimeter horizontaler Grenze um Blut bekämpft wird. Der Zug, den wir im Panoramabild sehen ist der Erz-Zug, der diese Ressourcen abtransportiert. Dabei entsteht eine gegenläufige Bewegung: Das Auto fährt am Anfang zur Mine, der Zug fährt weg von der Mine. Die Schafe durchbrechen diese Linie zirkulär am Schluss.