Film

Die richtige Haltung
von Ole Steinberg, Jonas Hermanns
DE 2023 | 89 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 47
7.11.2023

Diskussion
Podium: Ole Steinberg, Jonas Hermanns
Moderation: Patrick Holzapfel
Protokoll: Ronny Günl

Synopse

Vom Bergbau im Erzgebirge. Das Buckelbergwerk, ein Miniaturmodell des Bergbaus mit einem Lederriemen auf den Rücken geschnallt, wurde zur Lebensgrundlage von so manchem invaliden Bergarbeiter. So wie sich das mechanische Werk stetig um die Kurbelachse dreht, werden allmählich bergbauliche Wissensordnungen sichtbarer – und mit ihnen die Geschichte einer Zunft, in die das Sich-Krummmachen eingeschrieben ist.

Protokoll

Eine einzelne Stimme, die noch beim Abspann das Steigerlied mitsummte, tauscht sich umgehend gegen die gelöste Stimmung im Diskussionssaal. Patrick Holzapfel schaltet sich als Moderator mit der Frage ein, was denn zwei Ortsfremde – in diesem Fall „Wessis“ – in der Region des Erzgebirges gesucht hätten? Im Zusammenhang eines Seminars in Köln zum Thema „Arbeit“ wäre Hermanns wieder auf die regionstypischen, von Hand gefertigten Schwibbögen gestoßen, wodurch die gemeinsame Recherche mit Steinberg begann. Beide kannten sich bereits vom Studium in Halle. Die Buckelbergwerke hätte sich dann schnell als primärer Bezugspunkt für die Erzählung herausgestellt. Laut Steinberg lag die historische Fixierung zunächst am Beginn des ersten Weltkrieges, weil in dieser Zeit der Buckelberg unter dem Voranschreiten der Moderne verschwand, wie Hermanns ergänzt. Um aber das kulturelle Phänomen und seine heimatkundliche Revitalisierung nachvollziehen zu können, musste tiefer in der Geschichte gegraben werden. Die Recherche hätte dann vor allem über Online-Datenbanken und zahlreiche Besuche in Heimatmuseen stattgefunden, wo heute noch Buckelbergwerke aufbewahrt und stellenweise betrieben werden. So wären mit der Entstehung des Textes und der Montage laufend neue Inhalte durch zusätzliche Funde in den Film eingeflossen.

Auf Holzapfels Frage nach den Stimmen des Films bringt Hermanns an, dass sich für den Kommentar nur eine Männliche mit einem entsprechenden Sozialisationshintergrund geeignet hätte, weshalb die Wahl schnell auf Ulrich Peltzer fiel. Möglicherweise spielte seine Professur an der Kölner Hochschule auch eine Rolle. Schon zu Beginn der Arbeit sei die Entscheidung gegen eine weibliche Stimme ausgefallen, weil diese, so Hermanns, nicht die „Care-Arbeit für die männlichen Bergleute“ übernehmen sollte. Jedoch hätten stattdessen die weiblichen Stimmen im Chor des Buckels überwogen, was eine Diskussionsteilnehmerin als unpassend gegenüber den männlichen Arbeitern empfand. Steinberg räumt zwar die Irritation ein, möchte aber vor allem auf das abstrakte Motiv des Buckels hinweisen. Dem widerspricht Hermanns, da das Geschlecht hier dennoch für die geleistete „Reproduktion des Körpers“ im Sinne eines „gattungsgeschichtlichen Unterbaus“ stehe.

Mit der geöffneten Diskussion wird aus dem Publikum die vage, „hingetupfte“ Verbindung der Erzählung zur Mediengeschichte kritisiert. Während Steinberg erklärt, dass die Verbindung erst im fortgeschrittenen Stadium der Arbeit hinzukam und Hermanns Zäsuren in der Erzählung durch einen metareflexiven Ebenenwechsel vermeiden wollte, wirft Holzapfel ein, dass doch die Reflexion der Medienformen den ganzen Film begleiten würde – beispielsweise anhand der Fotografien, Filme, Jahrmärkte oder die Buckelbergwerke sowie deren Mechanik selbst. Man könnte hier ebenfalls an die Kupferstiche, das Druckwesen oder auch die Münzprägung denken. Zwar lobt ein Teilnehmer den Film, dennoch hatte er im Hinblick auf die Dramaturgie das Gefühl verloren zu gehen. Dieser Eindruck wird von Hermanns bestätigt, der Film sei einer additiven nahezu selbstschreibenden Logik verpflichtet, er gehe aber trotzdem chronologisch vor.

Alex Gerbaulet möchte dann die Perspektive des Films problematisieren, da doch die Buckelbergwerke eine Form des Klassenbewusstseins wiedergeben würden. Sie vermisst die Trauerarbeit im Text, der durch ein Übermaß von Zitaten bürgerlicher Subjekte geprägt sei, und fragt nach anderen Möglichkeiten zur Überschreibung. Hermanns entgegnet zum einen, dass damit die eigene Beobachterperspektive der Filmemacher markiert und reflektiert werden sollte, was auch für die blinden Flecken gelte. Zum anderen lägen laut Steinberg fast alle Quellen mit Ausnahme der Akten bei Heimatkundlern, die nichts über die Arbeiter berichten, sondern eher über ihre Autoren. Michael Baute hebt dagegen den rhetorischen, geschichtskritischen Impetus des Kommentars hervor, auch in Bezug auf die widerständige Figuration des Buckels, der an Filme von Alexander Kluge erinnere. Als künstlerischer Ausdruck der eigenen Arbeit wäre das Buckelbergwerk zudem eine Subjektivierungsform der Arbeiter, wie von einer Teilnehmerin angemerkt, und nach einem weiteren sogar ein Akt der Emanzipation.

Man müsste dem aber hinzusetzen, dass Buckelbergwerke vor ihrer folkloristischen Aufwertung immer auch Notlösungen für Invalidisierte oder Verarmte darstellten, auf deren Rücken sich Geschichte zuträgt. Hier ließe sich darüber nachdenken, inwieweit der Film vielleicht eine Mystifizierung der Arbeit betreibt, worin historische Triebkräfte des stummen Zwangs drohen, verwischt zu werden. In anderer Weise landet man so wieder bei der einleitenden Frage, wonach die Bergleute in der Region und letztlich auch im Boden gesucht haben.

Dahingehend verraten die beiden Filmemacher vor Ende der Diskussion noch, dass sie anfangs mit zwei Protagonisten zusammengearbeitet hätten, die aus unterschiedlichem Antrieb –Unterhaltung und Geschichtsdokumentation – heute wieder Buckelbergwerke aufführen. Man hätte sich dann, aus nicht näher benannten Gründen, gegen ihren Auftritt im Film entschieden.