Film

Was uns bindet
von Ivette Löcker
AT 2017 | 102 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 41
09.11.2017

Diskussion
Podium: Ivette Löcker
Moderation: Till Brockmann
Protokoll: Agnese Kušnere

Synopse

Rufweite statt Nähe: Obwohl längst kein Paar mehr, leben die Eltern im gleichen Haus – er unten, sie oben. Arrangiert und einander in bitteren, selten zärtlichen Spötteleien vertraut. Nun soll den Töchtern ein Bauernhaus vererbt werden. Ein vernachlässigter, zugestellter Bau. Ein fragiles Familienkonstrukt, verschiedenen Entwürfen anheimgestellt. 

Protokoll

,,Halbherzigkeit, das ist nix“, sagt der Baumeister. Für das marode Bauernhaus, von dem die Filmemacherin Ivette Löcker eine Hälfte erbt, gilt: abreißen oder restaurieren. Das Haus könnte als eine Allegorie auf die Beziehung der Eltern der Filmemacherin verstanden werden, die seit fast zwanzig Jahren getrennt auf zwei Etagen leben. Porträtiert wird die Vereinsamung und Verbitterung zweier Menschen, die nur noch eine gemeinsame Vergangenheit und ein gemeinsames Haus zu binden scheint.

In ihrem Film WAS UNS BINDET begleitet Löcker ihre Eltern durch vier Jahreszeiten hindurch. Der überschriebene Besitz hätte bei der Filmemacherin eine Belastung hervorgerufen, die wiederum einen Zwiespalt verursachte. Einerseits habe sie Verständnis für die elterliche Sehnsucht nach der Verbundenheit mit den Kindern, andererseits das Bewusstsein darüber, dass dieser Wunsch nicht erfüllbar sei. Dabei habe die Filmemacherin eine über Jahre gewachsene ökonomische Abhängigkeit der Eltern festgestellt. Trotz der Trennung wolle keiner das Haus verlassen.

Die Kamera und die Präsenz der Filmemacherin bleibe laut Till Brockmann durch die Mutter spürbar. Mit ihren Blicken suche sie immer wieder nach der Tochter. Löcker vermutet, die Mutter suche nach Bestätigung und Hilfe zugleich, schäme sich womöglich für den Vater. Zusätzlich bemerkt Werner Ružička, dass die Mutter im Film wenig Kontakt zur Außenwelt hätte im Vergleich zu dem regelmäßig verreisenden Vater. Die Filmemacherin verweist auf die Szenen, in denen die Mutter in die Heimat ihrer Kindheit Slovenien, zum Grab der Familie fährt, erkennt allerdings auch an, dass die Rolle der Mutter eventuell überspitzt rüberkäme, da sie sich oft in Reflexionsräumen befände im Gegensatz zum reisenden Vater.

Inszenierungen hätte es keine gegeben. Ob ein Kunstgriff (wie die Handpuppen in Peter Liechtis VATERS GARTEN) hilfreich für eine distanzierte Wahrnehmbarkeit der Situation gewesen wäre, fragt eine Zuschauerin. Löcker hätte als Protagonistin, aus nächster Nähe auftreten wollen, nicht die Situation aus der Distanz betrachten. Der Film beginne und Ende laut Löcker stilistisch ähnlich. Am Anfang des Filmes würde eine Flugaufnahme des Dorfes verklärte Kindheitserinnerungen repräsentieren, Verspannungen werden während einer Massage gelöst, und danach erst käme die Realität. Vor allem für Löcker und ihre Schwestern sei der Film ein wichtiger Prozess gewesen. Deshalb schließt er mit einer Szene ab, in der man die Filmemacherin mit ihrer Schwester beim Skifahren sieht. Auch am Ende – wie schon am Anfang – gebe es ein Verweis auf die Auseinandersetzung mit verklärten Erinnerungen. Die letzte Szene soll versöhnlich und leicht zugleich sein.

Aus dem Publikum kommen mehrere Fragen bezüglich der Rezeption des Filmes durch die Eltern und das Dorf. Die Filmemacherin hätte vollstes Vertrauen beim Machen des Filmes von ihren Eltern bekommen. Das Feedback der anderen BewohnerInnen sei vorwiegend positiv gewesen. Viele hätten ihre eigenen Familien wiedererkannt. An eine therapeutische Wirkung des Filmes glaube die Filmemacherin dennoch nicht, da es niemanden gebe, der von außen einwirke, trotz des Vorhandenseins der Kamera. Vielmehr sei der Film eine Anregung zur Reflexion.

Doch gerade diese Fragen würden laut Werner Ružička stets die Vergangenheit reproduzieren. Der Film sei somit eine Art „Vertrag mit dem Publikum“, den die Filmemacherin eingehe. Löcker selbst sieht sich als eine andere Person auf der Leinwand und kann noch nicht abschätzen, ob der noch junge Film, der in Duisburg seine deutsche Erstaufführung feierte, verarbeitete Erinnerungen immer wider beleben würde.