Film

Zooland
von Pary El-Qalqili
DE 2016 | 32 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 40
09.11.2016

Diskussion
Podium: Pary El Qalqili
Moderation: Jessica Manstetten
Protokoll: Lisa Rölleke

Synopse

Grelle, allzu illusorische Allegorien der Freiheit: Weitläufige Landschaften unter wolkenlosem Himmel zieren die Mauern, die den kleinen Zoo in Palästina begrenzen. Zögerlich entfalten sich vor den trügerischen Bildern Anekdoten des eingeschlossenen, besetzten Lebens. 

Protokoll

Vor lauter Eintönigkeit wollte die Regisseurin Pary El Qalqili ihre Idee für einen Film über den palästinensischen Zoo zunächst verwerfen. Dann probte die Feuerwehr den Ausbruch eines Gorillas und nachdem der Trubel sich wieder gelegt hatte, fiel es ihr leichter, die ZoomitarbeiterInnen in ihrem tristen Alltag zu begleiten. Von da an habe sie versucht, möglichst simple Fragen beispielsweise zu Arbeitsabläufen zu stellen. Es zeigte sich, dass es den Menschen wesentlich leichter fiel, über die Führung eines Zoos unter militärischer Besatzung zu sprechen, als über ihre ganz persönlichen Erfahrungen in dieser Lebenssituation.

Jessica Manstetten fragt nach der Inszenierung der Räume. In Zooland arbeitet Pary El Qalqili mit statischen Einstellungen, die die ProtagonistInnen frontal zeigen. Oft wird durch Türrahmen gefilmt, der Zoo mit seinen Gittern schafft ohnehin eine klare Trennung zwischen Außen und Innen. Diese doppelte Rahmung habe der Filmemacherin gefallen. Die in den Interviews verwendete Cadrage habe sich nach und nach als fruchtbar erwiesen, die ZoomitarbeiterInnen fühlten sich so am wohlsten. Stattdessen habe sie das Filmen mit einer Handkamera bei alltäglichen Handlungen irritiert. Die Orte an denen die ProtagonistInnen erzählen – meist positioniert vor bunten Wandgemälden oder angesprühten Hauswänden – seien von ihnen selbst ausgewählt worden. Werner Ružička lobt diese einvernehmliche Zusammenarbeit und den Widerspruch zwischen den farbenfrohen Malereien einerseits und den dramatischen Erzählungen andererseits. Obwohl die ProtagonistInnen viel über Tiere sprechen, werden Tierbilder in Zooland konsequent ausgeklammert. El Qalqili interessiere sich mehr für Mikrokosmosmen und die Art und Weise, wie die Menschen über sich selbst erzählen.

Eine Szene, die Ružička ebenfalls gelungen findet, zeigt eine Frau dabei, wie sie genervt ihre Handtasche nach ihrem Handy durchsucht. Das Aufnehmen solch simple Alltagshandlungen habe ihm gefallen. Den Titel hält er allerdings für nicht sehr glücklich gewählt, weil überdeterminierend; er nehme den Moment des Eingesperrtseins vorweg. El Qalqili hatte sich einen simplen Titel gewünscht, der die nüchterne Erzählweise des Films unterstützt. Ružička sieht in Zooland vielmehr einen poetischen, sehnsuchtsvollen und auch dramatischen Film, für den er sich einen Titel gewünscht hätte, der die filmische Argumentation nicht so stark festlegt.

Manstetten erinnert der Film an Pistoleros von Karin Becker, Silvia Wolkan und Aline László (df 2015), der eine verlassene Westernstadt zum Thema hat. Auch in Zooland bedeutet der verlassene Ort für die MitarbeiterInnen Abwarten, Langeweile und Tristesse. El Qalqili erzählt, dass der Zoo in der Tat nur sehr sporadisch von Besuchern frequentiert wird. Erstens befänden sich in unmittelbarer Nähe Militärblockaden und Checkpoints, zweitens sei der Eintritt für die meisten AnwohnerInnen zu teuer.

Anders als z.B. der Zoodirektor oder der Tierarzt wollten die jüngeren ProtagonistInnen lieber keine Interviews geben. Hier spielten auch die hierarchischen Strukturen im Zoo eine große Rolle, da viele Mitarbeiter befürchteten, ihren Chef zu verärgern, da er sonst immer mit den JournalistInnen spreche. Entgegen mancher Erwartungen wird der Zoo häufig von Doku- mentarfilmerInnen besucht, berichtet die Filmemacherin. Aufgrund der politischen Situation sei ihr auch häufig der Verdacht der Spionage entgegengebracht worden.

Joachim Schätz erkennt in den im Film gemachten Aussagen drei Register: erstens Berichte über alltägliche Situationen, zweitens Erzählungen über den Zoo und drittens auch noch Aussagen, die die politischen Grundsätze der ProtagonistInnen verhandeln. Ob sie den Film nicht auch als Bühne begreifen, möchte er wissen. Die Regisseurin ist sich bewusst, dass der Zoodirektor den Film als Plattform benutzt („Wann werden wir befreit?“). Auch wenn solch eine Haltung zu erwarten gewesen sei, habe sie die pointierte Art und Weise, wie solche Äußerungen gemacht werden, fasziniert.

Das Publikum möchte mehr über die Geschichte des Zoos erfahren. El Qalqili vermutet, dass er nach 1994 im Rahmen des Oslo-Friedensprozesses mit internationalen Entwicklungs- geldern aufgebaut wurde, um nach außen Normalität zu signalisieren. Die MitarbeiterInnen, die im Film gezeigt werden, arbeiten alle noch nicht lange dort; die Langeweile und die damit verbundene Unzufriedenheit bei den MitarbeiterInnen sowie dem Zoodirektor rufen einen stetigen Personalwechsel hervor. Trotz dieser eher hoffnungslos anmutenden Situation und der bereits angesprochenen Thematik des Eingesperrtseins, signalisiere der Zoo ein letztes Stück Normalität in der Westbank.