Film

Happy
von Carolin Genreith
DE 2016 | 85 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 40
12.11.2016

Diskussion
Podium: Carolin Genreith
Moderation: Katrin Mundt
Protokoll: Kerstin Börß

Synopse

Eine junge Freundin in Thailand statt der gediegenen Langeweile des Ü60-Datings: Ein „schönes, altes Leben“, wie es zuhause für den geschiedenen Vater vorgesehen ist, ist Dieter zu eng. Seiner Tochter ist das peinlich. Kritisch und versonnen reisen die beiden gemeinsam an den Ort seines Glücks. 

Protokoll

„Du findest doch auch hier eine Frau… irgend eine pensionierte Lehrerin“, sagt Tochter Carolin zu ihrem Vater Dieter. Doch Dieter hat sich schon entschieden. Die Frau, die er heiraten will, kommt aus Thailand und ist 30 Jahre jünger als er. „Ich habe das lange niemandem erzählt. Es war mir irrepeinlich bei meinem sowieso schon peinlichen Vater. Dann war es so ein Bauchgefühl, als ich ein Telefonat meines Vaters mit Tukta gehört habe. Die Mühe, die er sich gemacht hat, thailändisch zu sprechen, das hat mich berührt“, erzählt Carolin Genreith. Also machte sie sich mit ihrem Vater auf den Weg nach Thailand, um Tukta und auch irgendwie ihren Vater kennenzulernen.

Der erste Teil des Films ist in Deutschland gedreht und portraitiert das Leben des alleinlebenden Vaters und die Beziehung von Vater und Tochter, im weiteren Verlauf des Films geht es zu Tukta und ihren Verwandten nach Thailand. Das familiäre Leben im Dorf und die Hochzeitsvorbereitungen stehen im Fokus. Besonders im ersten Part dominieren Gespräche zwischen Carolin und Dieter den Film. Die Doppelrolle als Regisseurin und Tochter habe ihr geholfen, ehrliche Fragen zu stellen, berichtet Carolin Genreith. Die ebenso ehrlichen Antworten haben besonders eine Frau im Publikum beeindruckt: „Dazu gehört Mut, die persönliche Einsamkeit so zu benennen.“

Katrin Mundt, die die Diskussion leitet, sieht die Tochter im Film aus ganz verschiedenen Rollen zu ihrem Vater sprechen, „mal schützend, mal neidisch, mal warnend.“ Aus dem Publikum möchte ein Gast wissen, ob diese Dialoge zwischen Vater und Tochter im Film so auch das erste Mal geführt wurden, oder ob das für die Kamera inszeniert wurde. „In dieser Ehrlichkeit und Schonungslosigkeit wurden sie das erste Mal vor der Kamera geführt.“ Das sei in diesem Kontext leichter gewesen, sagt die junge Genreith. „Diesem ,Papa du bist peinlich‘ hält er ja gut stand. Ihr schont euch beide nicht, begegnet euch auf Augenhöhe. Wann war klar, dass du ein Teil des Films sein wirst?“, fragt Mundt nach der auf Ton- und Bildebene sehr präsenten Rolle der Filmemacherin. Geplant sei das so nicht gewesen, bei den ersten Interviews habe sie sich noch hinter der Kamera versteckt, berichtet Genreith. „Das ist natürlich auch schöner und angenehmer. Doch dann war ich im Laufe des Drehs immer mehr in Interaktion mit den Leuten, mit meinem Vater oder mit Tukta.“ Die Tochter lässt sich auf den Wechsel der Perspektive ein, wie sie sich mit dem Dreh des Films auch auf das Leben ihres Vaters einlässt. So findet sich die 32-Jährige vor der Kamera wieder – ganz hinten auf einem blauen Moped, das über eine thailändische Landstraße tuckert. Vater Dieter mit rosa Helm am Lenker, Tukta zwischen den beiden.

Neben der intensiven Gesprächsebene werde die Vater-Tochter-Geschichte in Happy vor allem durch Räume erzählt, fällt Mundt auf. Räume, wie beispielsweise Dieters Küche. Eine Küche irgendwo in der Eifel, in der sich Honiggläser des Hobbyimkers stapeln und überall Post-its mit thailändischen Begriffen kleben. „Es signalisiert: Du bist hier großgeworden, aber jemand anderes ist hier quasi schon eingezogen“, sagt Mundt zu ihren Beobachtungen und schließt eine Frage nach der Wahl der Räume in Thailand an. „Ich wollte einen Unterschied zum dunklem Haus in Deutschland zeigen. In der Küche haben wir extra kein Licht aufgebaut, da ich sie so dunkel und eng empfinde. In Thailand wollte ich dann aufmachen, eine Leichtigkeit rüberbringen, die im ersten Teil in Deutschland schon von der Musik angedeutet wird“, erklärt Carolin Genreith. Ein Redner stört sich genau an der Musik im Film. „Mir war es zuviel. Der Film hat sich nicht getraut, mal Ruhe zu geben.“ Genreith versteht die Kritik, habe das aber atmosphärisch so haben wollen und auch schon frühzeitig im Drehprozess mit dem Komponisten zusammengearbeitet.

„Ich hatte die Stimmung generell ganz anders im Kopf. Der erster Teil war für mich viel ernster. Da habe ich mir gedacht, es wird nicht leicht, die Zuschauer da durchzubringen. Jetzt realisiere ich, dass der erste Teil lustiger ist. Mein Vater ist mitreißend, der zweite Teil hingegen schwieriger“, sagt die Aacherin. Thematisch schwieriger, da nun unter anderem die Existenzsorgen und finanziellen Probleme der thailändischen Familien im Vordergrund stehen. „An Anfang nimmst du noch Einfluss, hinterfragst deinen Vater, ab Thailand akzeptierst du nur noch. Die Kritik liegt nun bei den Berichten der anderen deutschen Männer in Thailand. Wie weit war der Stempel „nicht nur happy“ gewollt?“, möchte ein Gast wissen. Eine allgemeine Skepsis habe sie beibehalten, sagt die Frau hinter Happy. Diese habe sie aber nicht mehr bezüglich ihres Vaters und seiner Frau: „Ich habe ihre Familie kennengelernt, gesehen und verstanden, wie sie leben.“ Tukta erzählt Carolin offen vor der Kamera von ihren vorherigen thailändischen Männern, die sie nicht gut behandelt haben. Daher sei sie glücklich, dass Dieter ein gutes Herz habe. Unter der Woche arbeitet Tukta in Bangkok und verdient Geld, um für ihren Sohn zu sorgen, der derweil bei ihren Großeltern auf dem Dorf wohnt.

Peter Ott ist der Zweifel der deutschen Männer in Thailand explizit im Gegensatz zum Verhalten der neuen thailändischen Verwandtschaft aufgefallen. Da werde nicht gezweifelt, Sachen werden gemacht. „Tuktas Familie ist pragmatischer als meine und andere, die ich kenne. Ich denke, das ist ein Luxus, sich über so vieles Gedanken zu machen. Ein Luxus, Liebe durch zu deklinieren. In Thailand geht es um Existenzen, Absicherungen“, merkt Carolin Genreith an.

„Stehen sie für eine Generation von Spießerkindern?“, möchte Katrin Mundt wissen. „Ist das eine Generation? Hätte mein Vater nicht auch so gehandelt? Ich sehe da eher das Phänomen, einfache Antworten zu suchen, schwarz/weiß zu denken. Für mich ist der Film grau mit verschiedenen Schattierungen. „Bunt“ ist eine Stimme aus dem Publikum zu hören. Diese gehört zu Dieter, der mit seiner Frau Tukta zur Projektion gekommen ist. Die räumliche Zukunft des Paares ist derzeit offen. „Ich muss noch arbeiten und Tukta macht momentan einen Integrationskurs. Danach werden die Karten neu gemischt. Wir werden definitiv nicht nur in Thailand und nicht nur Deutschland leben“, erzählt Dieter.

Ein Publikumsgast kommt noch einmal auf das in der Diskussion so präsente Wort „peinlich“ zu sprechen: „Ich verstehe den Punkt der Peinlichkeit nicht, wir leben doch in einer internationalen Gesellschaft. Wenn man von Peinlichkeit ausgeht, ist da die Unterstellung: Thailand ist ein Puff.“ Er habe die Ernsthaftigkeit der Suche gesehen, nie eine Peinlichkeit, führt Walter, der ein guter Freund von Dieter ist, fort. „Vielleicht ist das dann wirkliche eine Generationsfrage. Wir als 68-er sind ja sehr offen“, ergänzt er. „Okay, dann bin ich vielleicht ein Spießer, obwohl ich es nicht sehe“, erwidert Carolin Genreith. „Ich erzähle mal eine Anekdote“, sagt Dieter während seine Tochter nicht entschieden genug „Nein….“ murmelt. „Ich arbeite in der Kommunalverwaltung. Ich sollte das Foto von Tukta auf dem Schreibtisch weglegen. ,Nicht dass die Leute denken, dass du auch so einer bist‘ wurde mir gesagt. Auch im Restaurant werden wir gemustert. Daher kann ich verstehen, dass du sagst, das ist dir als Kind peinlich.“ Und plötzlich scheint es, als ginge der Film im Diskussionsraum weiter – mit all der Ehrlichkeit und Nähe, die schon im Kinosaal herrschte. Als der Zuschauer zum Beispiel Dieter dabei beobachten konnte, wie er am Frühstückstisch in einem thailändischen Hotel seiner Frau ein Brot zuerst mit Butter und dann mit Honig bestreicht. „Zu viel Butter“, sagt diese dann in thailändischer Sprache während er Tochter Carolin ein Brot schmiert. „Du hast mir das letzte Mal ein Brot geschmiert, als ich fünf war“, sagt sie und ergänzt, als sie reinbeißt, „zu viel Butter.“

 Carolin Genreith © Duisburger Filmwoche, Foto: Simon Bierwald
Carolin Genreith © Duisburger Filmwoche, Foto: Simon Bierwald