Film

Fünfzehn Zimmer
von Silke Schissler
DE 2016 | 32 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 40
12.11.2016

Diskussion
Podium: Silke Schissler, Florian Lampersberger (Kamera), Rita Bakacs (Schnitt)
Moderation: Ivette Löcker
Protokoll: Lena Serov

Synopse

Danka setzt sich dazu und raucht mit ihrem Gegenüber eine. Umgeben von der Verwaltung trauriger Diagnosen, lässt sie sich dort auf Gespräche ein, wo die Bekanntschaften zwangsläufig flüchtig bleiben. Putzen im Hospiz: Routinierte Handgriffe und immer neue Zuwendung. 

Protokoll

Flure, Gänge, Krankenzimmer. Danka hievt ihre Chanel-Tasche auf den Rollwagen und bewegt ihn in den Fahrstuhl. Dienstbesprechungen, Zigarettenpausen auf der Terrasse. Danka putzt das Krankenzimmer, zeigt ihre Fotografien, nimmt sich Zeit für ein Gespräch mit den PatientInnen. Arbeitsroutine und intimes Miteinander in einem Berliner Hospiz.

Durch das Arrangement von Räumen, Tätigkeiten und Alltagsgeschehen wird der Zugang in die unbekannte Welt eines Hospiz’ von den FilmemacherInnen Silke Schissler (Regie), Florian Lampersberger (Kamera) und Rita Bakacs (Schnitt) erschlossen.

Ricam ist das erste stationäre Hospiz in Berlin und in seiner Art einzigartig, da hier der Individualität der PatientInnen viel individuelle Betreuung und Aufmerksamkeit zuteil wird. Seitens der Belegschaft herrscht eine hohe Identifikation mit der eigenen Arbeit, da sie viel Zeit für ihre PatientInnen haben. Auch wenn das Hospiz häufig Anfragen von Filmteams bekommt, ist der Zutritt in diese Welt nicht leicht. So kam der Kontakt über eine dort ehrenamtlich beschäftigte Freundin Schisslers zustande und machte lange Vorbereitungsaufenthalte (u.a. Teilnahme bei Arbeitsprozessen) erforderlich, um Vertrauen aufzubauen.

Dass sich die FilmemacherInnen schließlich für die Erzählperspektive der Arbeitskräfte im Assistenzbereich wie die Reinigungskraft Danka oder den Hausmeister Ingo entschieden, darüber gab deren Verhältnis zu der Einrichtung und den PatientInnen den Ausschlag. Ihre selbstverständlich alltägliche Präsenz und ihr Ausschluss von Ritualen des Abschiednehmens und medizinischer Beobachtung waren sie prädestinierte Türöffner in die fünfzehn Zimmer des Hospiz’. Danka entwickelte über die Jahre eine große Professionalität und ihre eigenen Umgangsweisen mit den Menschen, da sie in ihrem Umgang keine falsche Scham hat.

Dabei hat der Rhythmus des Ortes auch die Arbeit am Film bestimmt, die Dreharbeiten waren – trotz der Regelmäßigkeit vieler Abläufe und Routinen – wenig planbar. Das lag oft an der Verfassung der Menschen auf den Zimmern. Die Dreharbeiten wurden spontan umgelegt.

Im Film entstehe der Eindruck von behutsamer Distanz und Beobachtung, da die Gänge mit einem Teleobjektiv und die Gespräche auf den Patientenzimmern oft im Gegenlicht gefilmt sind. Auch der Schnitt zeigt sich zurückhaltend (Ivette Löcker). Sowohl der Regie als auch der Kamera ging es darum, dem Ort mit Respekt und Zurückhaltung zu begegnen. In der Wahl der Blickwinkel lag die Prämisse, die Intimität der zwischenmenschlichen Beziehungen nicht zu stören. In ihrer Anpassung an die Routinen und Arbeitszeiten des Hospiz’ erschienen sie allmählich zum Ort dazugehörend. Zudem erschließt das vermittelte Erzählen durch die Angestellten den Ort und das Miteinander aller. Außerdem hält es auch die eigene Angst und einen zudringlich wirkenden Blick auf Abstand und wird damit den Geschichten mehr gerecht.

In der Montage, sagt Rita Bakacs, war bereits die zurückhaltende Perspektive der Kamera vorgegeben und prägend für die Erzählung. In welcher Drastik die Dimension des Sterbens Eingang finden sollte, wurde im Schnitt entschieden. Dafür stehen zwei Szenen: Einmal wird in der Nacht ein dunkler Sarg durch den Gang getragen; ein anderes Mal schiebt sich ein Sarg durch das Bild im Hintergrund eines gesprächigen Kaffeekränzchen. Diese Bilder erforderten eine Rahmung im Gesamtgeschehen zum einen als Einführung in die Besonderheit des Ortes zu Beginn des Films, zum anderen als alltägliches Motiv in der Mitte.

Auffällig sei die Tabuisierung des Todes in den gezeigten Gesprächen: Obwohl Sterben und Tod stets präsent sind, gibt es kein offenes Gespräch über den Tod (Löcker). Der Film spiegelt ‚unseren’ Blick wider, sagt Schissler. Erstgespräche darzustellen, in denen die Menschen zum ersten Mal realisieren, dass es ihr letzter Aufenthaltsort ist, – dagegen sprach sich eine Sozialarbeiterin aus. So entstand der Versuch, durch Danka die Flüchtigkeit des Daseins einzufangen und diese z.B. auf der Tonspur durch abrupte Schnitte bei Dankas Zimmerbesuchen zu transportieren.

Auf die Grenzen der Zeigbarkeit und die Gefahr des Voyeurismus angesprochen, erklärt Schissler, dass es auch stets um eine Entscheidung ging, bestimmte Situationen nicht abzubilden und das Wirken auf Zuschauende zu reflektieren. Florian Lampersberger fügt hinzu, dass z.B. die Szenen mit den Särgen trotz ihrer Drastik wichtig waren, da diese zur Normalität gehören.

Neben den Gesprächen mit den PatientInnen gibt es in den Teambesprechungen der medizinischen und Pflegepersonals ein Sprechen über sie, wobei eine andere Dimension des „privilegierten Wissens“ und der Arbeitslogistik hinzukommt, beobachtet Joachim Schätz und fragt nach der Platzierung dieser Szenen in der Dramaturgie.

Die Sprache des Personals während der Übergaben war – zur Bewunderung Schisslers und trotz ihres technischen Charakters – sehr sozial und warm. Sie thematisiere nicht nur medizinische Sachverhalte, sondern auch innere Konflikte – diese Gleichwertigkeiten sollten in den Besprechungen zur Geltung kommen. Als Schätz nachhakt, dass der Unterschied in der ‚Form der Auswertung’ liege, entgegnet Schissler, dass die Teambesprechungen eine direkte Perspektive auf die Arbeitsprozesse abbilden.

Während eine Zuschauerin die Darstellung der Übergaben und Besprechungen mit einer diskreten Montage und einer bedachten Wahl der Blickwinkel lobt, fragt eine andere Zuschauerin nach anderen Redeweisen in den Besprechungen: Gebe es keinen Galgenhumor oder Witz im alltäglichen Umgang mit dem Tod? Der Humor ist präsent, die Auswahl der Szenen trafen sie schließlich nach ihrer Ausdrucksstärke für den Film, sagt Schissler, und Bakacs ergänzt, dass die Bilder der Ausgelassenheit vom anderen Material, wohlmöglich durch längere Standbilder, hätten abgesetzt werden müssen. Die Übergaben vermitteln, dass hier andere Bilder entstehen, als in den Geschichten auf den Zimmern. Auch steht der klare Entschluss der Regie, die Interaktion der Pflege mit den PatientInnen nicht zu zeigen und gar nicht erst zu filmen, für ein den Unwillen, bereit bekannte Bilder zu bedienen. Die Art des Kontakts mit den Menschen artikuliere sich bereits in den Übergaben.