Synopse
Das Geschichte der Bilder, Texte und Sounds mag sich kaum fügen. Wer die einen Zeichen zu lesen vermag, kann andere nur wahrnehmen. Bilder überlappen einander erst, sobald die Linse der Kamera nicht mehr verdeckt ist. Erfahrungen für die Sinne eines Gegenübers zu übersetzen ist ein waghalsiges Experiment.
Protokoll
A picture is worth a thousand words they say.
Die Diskussion zu diesem Film fand auf Englisch statt. Es gab auch einen sehr kurzen Ausflug ins Schwäbische. Übersetzungen ist (bekanntlich) nicht zu trauen.
Cheong Kin Man bedankt sich für die Geduld des Publikums – die Duisburger Filmwoche, Festival des deutschsprachigen Films, habe ihn eingeladen – dabei sei sein Film wohl kein richtiger Dokumentarfilm und sein Deutsch sei auch nicht so gut. Der in Macao geborene Cheong Kin Man habe schon einen Dokumentarfilm gemacht, sagt Joachim Schätz, von dem man auch Ausschnitte in Eine nutzlose Fiktion sehen könne. Das seien aber eher ethnographische und dokumentarische Studien über die Diaspora in Macao gewesen. Woher käme der nun andere, spielerische Ansatz? Cheong Kin Man antwortet, auch viele seiner Kommilitonen hätten sehr explosive Arbeiten für ihren Abschluss an der FU Berlin in visueller Ethnologie entworfen. Die Uni würde nicht so interessieren, was sie in diesem Programm täten und so seien äußerst seltsame Dinge entstanden. Eigentlich wäre der Film aber gar nicht als Produkt für die Öffentlichkeit gedacht gewesen, sondern nur als private Auseinandersetzung und somit für ihn selbst. Als er Eine nutzlose Fiktion in Berlin vorgeführt habe, wären aber sehr positive Rückmeldungen gekommen. Den Leuten habe gefallen, dass sie beim Schauen nicht mitkämen. Es habe für sie die Unmöglichkeit von Kommunikation verkörpert.
Joachim Schätz weist auf eine Stelle in der Mitte des Films hin, wo Cheong Kin Man darüber spricht, mehr an den Gemeinsamkeiten denn den Unterschieden von Kulturen interessiert zu sein. Das kann man den englischen Untertiteln zum Kantonesischen Off-Text von Cheong Kin Man entnehmen, die an dieser Stelle relativ gut zu verfolgen sind. Falls man nicht gerade die asiatischen Schriftzeichen studiert, alle gleichermaßen fremd und unverständlich, grafische Oberflächen, die hereinkommenden und verschwindenden Zitate, oder die puzzleartigen Bildern eines Baumes (oder mehrerer, so genau ist das nicht zu sagen). Alles irgendwie beruhigend in der Zerstückelung, die nicht weh tut, sondern sinnig und vollkommen erscheint. Ob er die Leinwand als eine Oberfläche gesehen habe, auf der er das Material ausbreiten könne, um dort nach kulturellen Gemeinsamkeiten zu suchen, will Joachim Schätz wissen. Cheong Kin Man antwortet, wenn er manchmal sage, Deutsch und Französisch hätten Ähnlichkeiten, würden seine belgischen Freunde einen Schock erleiden. Auch Chinesisch und Deutsch könnten Gemeinsamkeiten aufweisen. Vielleicht könnten solche Gemeinsamkeiten zu einer friedlicheren Welt beitragen.
Eine Frau aus dem Publikum meint, das Schöne an dem Film sei, das jeder wählen müsse, was er sehen wolle und so seinen eigenen Film zusammenstelle. Die Frau neben ihr habe besonders das Lied am Anfang gemocht, während sie selbst, aus Stuttgart stammend, die schwäbischen Bilder mit einem Anflug von Scham betrachtet habe. Auf der anderen Seite habe der Film aber auch eine exklusive Seite – jemand der nicht lesen könne oder nicht an das Kommunikationsmittel Schrift glaube, bliebe ausgeschlossen. Cheong Kin Man überlegt kurz. Er sagt, er sei für vier Monate in Berlin gewesen und habe mehrere Kurse gleichzeitig gemacht, das sei eine sehr verrückte Zeit gewesen. Dort habe er auch Filme mit Audiokommentar kennengelernt, für Menschen, die nicht sehen könnten. Zuerst habe er eine solche Idee auch für seinen Film gehabt, aber das hätte einen schwierigen Mix ergeben. Letztendlich sei vieles, was man in der Welt sähe, exklusiv.
Joachim Schätz sagt, er fände bewundernswert, wie der Film einerseits zu einem gedanklichen Fortdriften einlade und gleichzeitig etwas sehr Konkretes dagegensetzen würde. Es erinnere ihn an einen Pendler auf seiner alltäglichen Bahnfahrt, gleichzeitig in die Beobachtung von Menschen vertieft, ein Hörbuch auf den Ohren und etwas in seinem Handy anschauend. Ob das auch ein Ansatz gewesen sei, verschiedenes Datenmaterial in sich hineinströmen zu lassen, in einem alltäglichen Sinne? Cheong Kin Man sagt, er habe alles mischen wollen.
Der Film sei wie das Abbild seiner Gedanken zu diesem Zeitpunkt. Das bringe ihn auch zum Titel zurück – er habe nach westlich philosophischer Art gedacht: wenn alles gleichermaßen wichtig sein solle, müsse auch alles gleichermaßen nutzlos sein. Wäre der Film nicht seine Abschlussarbeit gewesen, hätte er ihn gelöscht, denn er sei nutzlos. Fiction deshalb, weil es sich bei dem Film um eine wahre Geschichte handeln würde. Doch für ihn sei nicht wichtig, ob man ehrlich wäre oder nicht. Er habe „Burmese Days“ von George Orwell gelesen, eine fiktive Geschichte mit unglaublichem Wahrheitsgehalt. Viele Filme beanspruchten die Wahrheit innerhalb ihrer Welt, aber er habe sie oft als nicht sehr wahr empfunden. So entspräche der Titel diesem Zwischenspiel zwischen Wahrheit und Fiktion. Im Film biete er eine deutliche Trennung zwischen dem, was Kern der Wahrheit sein könnte, und was Nutzen der Fiktion, sagt Joachim Schätz: egal wie fiktiv eine Geschichte sei, das Wahre an ihr sei die Sprache. Ob das vielleicht von seinem Hintergrund als Übersetzer herrühre?
Vieles an dem Film sei autobiographisch, sagt Cheong Kin Man. Er habe sich frei jeder Wertung gefühlt, die eigene Subjektivität nicht in Frage gestellt. Doch dann habe er während einer Diskussion auf einem Experimentalfilmfestival in Spanien den Gedanken entwickelt – wenn er beständig sterben und wiedergeboren werden würde, wäre sein Selbst jede Sekunde zuvor ein anderes. So habe er beschlossen, seine Subjektivität auch über sich selbst zu verhängen. Er wisse nicht, ob das Sinn mache oder verständlich sei. Normalerweise, wenn man etwas filmen würde, habe man einen Standpunkt dem Thema gegenüber. Das schien ihm bei einer Autobiografie zunächst weniger der Fall zu sein. Aber so sei es nicht. Er habe dann versucht, sich selbst als ständig wechselndes und sich veränderndes Objekt zu begreifen.
Cheong Kin Man erzählt, wie interessant er es fände, dass das Kantonesische neben Mandarin nur als Dialekt gelten würde, aber seine Muttersprache sei. Er habe dieses Praktikum im ethnischen Museum in Stuttgart gemacht, wo die Hälfte des Personals auf Schwäbisch kommunizierte. Doch sie hätten Schwäbisch, in einem Deutschland, das sehr offen mit seinen Dialekten umginge, nicht als Sprache angesehen, sondern eben nur als Dialekt, als etwas für „zu Hause“. Die Welt sei so: the big fish eats the little fish, the little fish eats the even more little fish. Das Englische vertilge das Deutsche, das Deutsche seine Dialekte, das Schwäbische die noch kleineren Dialekte außerhalb Stuttgarts. Joachim Schätz sagt, die Sprachpolitik wäre auch deutlich geworden in der Frage um den Abdruck seines Filmtitels im Programmheft. Sie hätten gefragt, ob Eine nutzlose Fiktion, also Deutsch, ausreiche. Auf Deutsch gäbe es so viele Möglichkeiten, das Wort useless auszudrücken, habe er mit einer deutschen Freundin herausgefunden. So habe er sich für den portugiesischen Titel entschieden. Die Kombination des Portugiesischen, der chinesischen Schriftzeichen, des Vietnamesischen und zuletzt des Deutschen, würde auch den Ost-West- Gegensatz ausdrücken.
Till Brockmann, zeigt sich berührt von der Bahnhofsdurchsage in Hongkong zu Beginn des Films, das er als „alter loco“, als seinen „other place“ beschreibt. Er fragt, warum Cheong Kin Man den Sprachmix des Geschriebenen nicht auch in gesprochener Sprache fortgesetzt hätte, eine Kakofonie erschaffen hätte. Cheong Kin Man sagt, daran habe er gar nicht gedacht. Er sagt, im Film gäbe es dreisprachige Untertitel. Die Originalidee wäre gewesen, zu zeigen, wie völlig verschieden der Blick auf den Film sein könne. Die koreanischen Untertitel seien nicht übersetzt, sondern umgeschrieben und viel länger. Es sei das Spiel der essenden Fische (siehe oben). Man sähe und höre viele Sprachen, aber er dachte sich, vielleicht gäbe es eine Sache, an die man sich halten könne. Und obwohl es kein originales Englisch in dem Film gäbe, sei es das Englische, an das man sich halten würde. Ironischerweise sei es auf Grund der Untertitel die Hauptsprache, um den Film zu verstehen.
Eine Frau aus dem Publikum fragt, wenn man denn nur die englischen Untertitel zur Orientierung habe, wie sehr man denen trauen könne? Cheong Kin Man sagt, das sei eine großartige Frage. Er sei mit einem Freund in Portugal pakistanisch essen gewesen und habe Postkarten geschrieben. Er sagte zu dem Freund: „Guck nicht, das ist privat.“ Der Freund meinte: „Ich habe nicht geguckt, glaub mir.“ „Ich glaube dir“, sagte Cheong Kin Man. „Aber das heißt nicht, dass du nicht geguckt hast.“ Er sei Übersetzer, und Übersetzung sei nicht zu trauen. Original und Übersetzung seien zwei Dinge. Da bliebe einem nur, ein paar exotische Sprachen zu lernen, um die ganze Geschichte zu erfassen.