Synopse
In den Kulissen eines Westerndorfs herrscht gespannte Beklemmung. Die Pistolen sind geladen, aber es ist niemand da, der eine Schießerei im Saloon zu würdigen wüsste. Also machen es sich die Schausteller an der Theke bequem und harren der Ankunft möglichen Publikums aus dem Staub der spanischen Wüste. Nur einen jungen Cowboy zieht es in die Fremde.
Protokoll
Geisterhaft dringen Eselsschreie durch das Morgengrauen, im magisch blauen Licht schimmern die felsigen Berge um Almeria. Still und erwartungsvoll bereiten sie sich auf ihre Aufgabe vor, sagenumwobene Filmkulisse zu sein. Doch außer einem einsamen weißen Pferd kommt niemand.
Es ist, als gäbe der Film Pistoleros dem Klischee der Westernstadt „Western Leone“ diese zusätzliche Ebene, beschreibt Werner Ruzicka es später: als hätten diese Menschen dort einen Auftrag, eine Botschaft, und müssten dort bleiben. Wer auch immer es ihnen sagte. Aline László (Kamera und Co-Regie) war wegen eines anderen Films in einer der drei Westernstädte gewesen, die in der Gegend um Almeria für viele Filmdrehs, darunter „Spiel mir das Lied vom Tod“, gebaut worden waren, oder als Kulisse dienten. Auf diese eine waren sie dann aufmerksam geworden, als es hieß, die könne man vergessen.
Die Bilder sind leer, weit, komponiert, während die Handlung verharrt, vergeblich auf den Einsatz wartet. Das Leben spielt sich in einer Zwischenzeit ab, in der die Protagonisten mit ihrem Körper, ihren nostalgisch echten Kostümen, ihrem Pistolen-, Rauf- und Trinkspiel und ihrer Langeweile auf den Einsatz warten. Werner Ruzicka fragt, ob es lange Diskussionen am Set gegeben hätte, gar Storyboards, angesichts der tollen Bildkompositionen, dem Spiel mit den Diagonalen? Karin Becker (Regie) bestätigt, dass sie viel Engagement in die Bilder gesteckt hätten. Werner fragt nach den dunklen Bildern. Auch hier hätten sie Grenzen ausgelotet.
Jessica Manstetten erkundigt sich nach der Entstehungsgeschichte: wie lange man sich mit den unterschiedlichen Erwartungshaltungen an die Rollen der Protagonisten hätte auseinandersetzen müssen? Karin beschreibt amüsiert, dass es für die Westernstädtler tatsächlich sehr ungewohnt war, nur ein Dreipersonenteam anreisen zu sehen, ohne Schauspieler. Die Motivablöse hätte 1.000 Euro pro Tag betragen sollen. Selbst als diese Umstände geklärt waren, hätten die Cowboys, froh über die Abwechslung, dem Team publikumserprobte Späße und Unterhaltung bieten wollen. Manchmal hätten sie die Kamera dann im Raum stehen lassen und seien hinausgegangen, um nicht nur diese „Rolle“ zu bekommen.
Es sei auch irgendwie ein Familienfilm für sie, sagt Jessica Manstetten, und erwähnt die Frau des Eigentümers, Genara, die sich im Interview auf ihre einstige Schönheit reduziere. In ihrem Zigarettennebel sitzt sie neben dem Fenster. Der Rest des Raumes ist dunkel, nur eine Wange ist beleuchtet, manchmal schimmert ein Auge. Sie habe sich gefreut, dass da mal Frauen im Dorf waren, sagt Karin.
Das weiße Pferd gehört zu Ionutz, der sich als rumänischer Gastarbeiter entpuppt und mit Spanien nicht viel anfangen kann. Dennoch füllt er seine Rolle. Er sei eigentlich als Hauptfigur geplant gewesen, sagt Silvia Wolkan (Buch und Co-Regie), doch es gab Sprachbarrieren, da Spanisch weder seine noch Karin Beckers Muttersprache gewesen sei. Es habe gedauert, ihn aufzubrechen. Dann sei seine Oma gestorben und das habe weitere Drehtage mit ihm gekostet. Er habe viel erzählt, fährt Karin fort, wie seine Mutter früh gestorben sei und dann seine Großmutter zum Ersatz wurde. Sie habe Nachts im Auto mit ihm Interviews geführt, da er tagsüber immer arbeiten musste. Doch die Tiefe seiner Geschichte führte zu weit weg vom Dorf, und so hätten sie sich schließlich gegen ihn als Hauptfigur entschieden.
Auf Jessicas Frage nach Inszenierung sagt Karin Becker, dass Szenen wie der plötzliche Rummel, als zwei Touristenautos am Horizont gesichtet werden und alle in Hektik aufspringen, zwar aus Szenen verschiedener Tage bewusst verdichtet und montiert worden seien, sich aber auch zuvor schon genauso zugetragen hätten. „Die Ereignislosigkeit war so“, wirft Silvia Wolkan ein.
Am Ende des Films hätten sie lange gearbeitet, antworten Silvia und Karin auf Jessica Manstettens Frage. Ursprünglich sei mal geplant gewesen, dass der Tag von vorne beginnt. Doch das hätte nicht gut funktioniert. Zum Schluss hätten sie sich mehr intuitiv als intellektuell für das jetzige Ende entschieden. Genara, die in der Dämmerung rauchend im Türrahmen lehnt, als würde sie dem telefonierenden Ionutz dabei zuhören, wie sehr er immer noch fort möchte. Die ja auch die klassische Gegenspielerin des Westerns zum sehnsüchtigen Ionutz sei, wirft Jessica Manstetten ein – den sie als den einzigen Arbeiter gerne dabehalten wolle, bestätigt Karin Becker.
Mit dem jungen Mann bekäme der Film eine ökonomische Komponente, sagt Werner Ruzicka. Hier entkäme der Film seiner Genre spiegelnden Repetition. Ionutz könne ausbrechen, als Nomade weiterziehen. Der Film sei bündig und bis zum Ende durchdacht. Visuelle Trauerarbeit.