Synopse
Der Vater in Nigeria. Der Sohn zwingt zur Suche nach Identität. In einem fernen Alltag. Einsamkeit. Zwischen Hühnerfarm, König und Häuptlingen. Reflexionen über eigene Wege und Richtungen des Lebens. Am Ende, so soll es sein, wird man immer nach Hause zurückkehren.
Protokoll
Der Film beginnt mit den allerersten Aufnahmen, die Jide Tom Akinleminu von seinen Eltern für Portrait of a lone farmer in der Kopenhagener Wohnung gemacht hat. Er drückt ihnen das Filmkonzept in die Hand. Der Titel existiert schon. Die Mutter sagt irgendwann: „Würdest du die Kamera bitte ausschalten?“ – „Das möchte ich nicht“, antwortet Jide Tom Akinleminu. „Du siehst, dass es deinen Vater trifft.“ „Mich trifft es auch.“
Jide Tom Akinleminu beobachtet in Portrait of a lone farmer seinen Vater auf dessen Hühnerfarm in Nigeria, wo dieser fernab von der Familie lebt. Eine Entscheidung, die laut seinem Vater die richtige sei, trotz des großen Schmerzes der Einsamkeit.
Der Einstieg mit der Konfrontation seiner Eltern sei sehr radikal, meint Pary El-Qalqili. Wie diese Szene an den Anfang des Filmes gelangt sei? Jide Tom Akinleminu erzählt, dass er das Projekt schon sehr lange mit sich herumgetragen habe. Als er sich 2007/2008 ernsthaft daran versuchte, seien diese ersten Videoaufnahmen entstanden. Der Vater besuche die Familie einmal im Jahr in Kopenhagen und er sei dazugestoßen, mit einem Haufen Papier – sehr persönlichen Gedanken, die ihn schon lange beschäftigten. Seine Eltern seien damit überfordert gewesen. Der erste Versuch, über das Projekt zu reden, sei sehr konfrontativ gewesen und hätte zu Spannungen zwischen ihnen geführt. Erst vier Jahre später habe er wieder den Mut und eine neue Herangehensweise gefunden. Er wollte seinen Vater nur auf der Farm in Nigeria zeigen. Ein minimalistisches Konzept, ein ruhiger Alltag. Mit dem dort entstandenen Material habe er den Film dann zunächst geschnitten, konfliktfrei, in der Hoffnung, dass sich dennoch transportiere, was unter der Oberfläche läge. Nach eineinhalb Jahren Schnitt musste er sich eingestehen, dass dieses Konzept nicht aufgehen würde und er habe das alte Material wieder hervorgeholt.
Pary El-Qalqili meint, er nähere sich seinem Vater sehr behutsam, nicht über Worte, sondern über Bilder. Ob er etwas zu seiner Bildfindung sagen könne? Er habe es gedanklich einfach halten wollen, antwortet Jide Tom Akinleminu. Er sei hingegangen und habe sich selbst die Erlaubnis gegeben, den Vater „nur bei seiner Arbeit zu filmen“. Natürlich habe er sich ein wenig selbst damit angelogen und innerlich auf mehr gehofft, mehr gewollt. Doch dieser Ansatz habe für Entspannung gesorgt, der Vater habe sich nicht unter Druck gefühlt und so habe er genauer hinschauen und seinen Vater in den richtigen Momenten darin finden können.
Er habe erst im Schnitt gemerkt, dass er die Bilder aus Dänemark brauche, wiederholt Pary El-Qalqili – wie er denn dort gedreht habe? Seine Mutter zum Beispiel, die ja kaum im Film auftauche und doch eine starke Rolle habe? Jide Tom Akinleminu sagt, dass er immer wieder, wenn er dort war, mit DV oder 16mm gedreht habe, ohne genau zu wissen, was er mit den Aufnahmen später wolle. Es wäre dann wie „found footage“ gewesen. Im Film funktioniere das Material für ihn wie eine Rückblende. Hinter der Idylle des Dorfes gäbe es irgendwo eine andere Existenz in Dänemark, die wie ein „Hall“ mitschwingen würde, während man seinen Vater mit den Hühnern sähe. Wie ein Telefonat nach Hause, wenn man seine Mutter anriefe.
Wie man die Familiengeschichte in Bezug auf ähnliche Fälle einordnen könne, fragt Pary El- Qalqili. Viele Nigerianer seien in den 60er und 70er Jahren nach Dänemark gekommen, meint Jide Tom Akinleminu. Die Türen in den Westen seien offener gewesen als heute und afrikanische Länder hätten oft Stipendien an junge Studenten gegeben, damit diese nach einer fundierten Ausbildung in Europa wichtige Stellen im eigenen Land besetzen könnten. Oft gab es die Tendenz, dass dänische Frauen mit dem Mann zusammen in das afrikanische Land zurück gegangen seien, wo Dank der Ausbildung in Europa gute Jobs warteten. Leider habe sich Nigeria nicht so gut entwickelt, so dass die Familien in den 70er und 80er Jahren nach Dänemark zurück seien. Teils seien die Väter dann mit und hätten dort Arbeit gefunden, teils hätten sich die Eltern scheiden lassen. Der Fall seiner Familie sei sehr speziell und viele hätten das Konzept in Frage gestellt: Die Eltern seien verheiratet geblieben und der Vater alleine zurück gegangen – man sei zusammen und doch getrennt.
Sie fände es sehr interessant, wie sich Bilder in seinem Film verschränken würden, kommentiert Ute Holl. Die Bilder seien sehr stark: ein leinwandfüllendes Bild seines Großvaters, die Bilder des Königs und der Häuptlinge, die Menschen drumherum, denen die Welt dieser Männer wurscht sei. Inwieweit die Krise seines Vaters auch eine Krise von Männerbildern sei und wie diese Bilder von Vätern und Männern mit der Geschichte Nigerias zu tun hätten? Das Bild seines Großvaters habe ihn fasziniert, sagt Jide Tom Akinleminu. Er höre als Sohn und Mann nicht nur seinem Vater zu, wie dieser über den Großvater rede, sondern dieser vergleiche ihn auch noch direkt mit ihm. Ein Spruch dort laute sinngemäß: wer seinen Vater nicht ehrt, soll sterben (einige lachen). Es gäbe einen automatischen Respekt. Er habe eine Zeit lang das Gefühl gehabt, vieles, was sein Vater im Leben geplant habe, käme aus dem Einfluss dessen Vaters. Er habe sich gefragt: kann man über seinen eigenen Weg entscheiden, oder ist alles schon „hingelegt“?
Das Gespräch um Männerbilder lenkt die Diskussion auf die Palastszene, in der Jide Tom Akinleminu von seinem Vater dem König vorgestellt wird. Wer den Anstoß für diese Szene gegeben habe, will Till Brockmann wissen, nachdem so viele Dinge dort verhandelt werden würden. Die Geschichte des Vaters offenbare sich, der dort neben seinen Freunden hätte sitzen können, hätte er nicht den ihm zustehenden Titel abgelehnt. Ob Jide Tom Akinleminu das erzählen wollte? Oder sei der Anstoß vom Vater gekommen, vielleicht im Versuch, den Sohn an sich zu binden? Schließlich wird ihm selbst dort ein Titel in Aussicht gestellt? Wäre es um eine Art Drehgenehmigung gegangen – oder schlicht um eine Werbeaktion für die Hühnerfarm des Vaters? Eigentlich um eine Art Drehgenehmigung für ihn, sagt Jide Tom Akinleminu. Die Palastszene sei auch für ihn sehr kompliziert gewesen. Auch in der Übersetzung rauszuhören, was dort alles passiere. Jemand anderer bittet um die Bestätigung seiner Interpretation, dass das Zitat des Vaters „Gibst du jemandem einen Fisch, kannst du ihn einmal satt machen. Bringst du ihm das Angeln bei, kannst du ihn für immer satt machen.“ mit etwas Parasitärem der Höflinge zu tun habe. Er frage sich, ob die Männer am Hofe bestimmte Vorteile genössen und nicht mehr arbeiten müssten? Es wäre auf jeden Fall um ein Machtspiel zwischen seinem Vater und dem König gegangen, meint Jide Tom Akinleminu. Jemand sage ja über den Vater – „Er soll uns mal sagen, wo seine Farm ist, dann können wir uns die nachher anschauen.“ Der König darauf: „Dann können wir ein paar frische Eier mitnehmen.“ Den Spruch mit dem Angeln habe der Vater direkt im Anschluss gesagt – und die Männer hätten gelacht, weil sie genau verstanden hätten, was er gemeint habe: wenn ihr immer nur Geschenke wollt, werdet ihr euch nicht entwickeln. Das sei ein Battle gewesen.
Im Film gäbe es eine Szene, wo der Vater über seine Gründe für die Rückkehr sprechen würde, und gleich danach käme ein Bild, wo dieser einem Huhn die Kehle durchschneide. Warum er das so montiert habe, fragt jemand aus dem Publikum. Eben beim Gucken im Kino habe er auch darüber nachgedacht, meint Jide Tom Akinleminu. Er würde seine Analyse jetzt offiziell machen (Lacher im Publikum). Im Kino sei sie recht lang gewesen, er versuche nun, sie zu kürzen. Sein Vater und seine Eltern hätten die Diskussion oft mit den Worten zugemacht: „Alles was wir getan haben, haben wir für euch getan“. Sie hätten sich nicht auf einen Dialog eingelassen und die Verantwortung weggeschoben. Bei ihm blieb dann ein Gefühl zurück wie – du hast ja keine Ahnung. Dazu könne man dann nichts mehr sagen. Und das sei ähnlich, wie einem Huhn den Kopf abschneiden. Seine zweite Analyse sei: Hühner seien auch einfach etwas zu essen. Die Schlachtung sähe dramatisch aus und eine Stunde später lägen sie dann auf dem Teller. Irgendetwas in dieser Abfolge helfe ihm auch zu verstehen: Alles ist irgendwie okay. Es ist was es ist.
Jide Tom Akinleminu © Duisburger Filmwoche, Foto: Simon Bierwald