Synopse
In einem kleinen Ort in Ostdeutschland ist Winter. Dort leben drei Jungen. Eintauchen in dreimal Kindheit: den unterschiedlichen Rhythmus der Familien, die Schule und die freie Zeit. Tom, Sebastian und Paul üben, die Peitschen knallen zu lassen. Vorbereitungen auf das traditionelle Pfingstfest, da wird der Winter vertrieben.
Protokoll
10 Jahre sind vergangen, drei Filme sind entstanden, alle in der gleichen Gegend, die auch Schneiders Heimat ist. MansFeld ist der letzte Teil dieser Trilogie, ein Film, der von drei Kindern und gleichzeitig von einer 800 Jahre alten Tradition, dem Pfingstfest der Grunddörfer, erzählt.
Sehr prominent im Film ist auch der Bergbau, bemerkt Brockmann. Die schwarzen Berge sind sehr präsent im Bild, aber nicht thematisiert, warum sind sie dann visualisiert? Die Halde ist für Schneider nicht wegzudenken, sie gehört zum Ort, dominiert ihn und dokumentiert eine ebenso Jahrhunderte alte Tradition, den Bergbau. Seit die Halden abgewickelt werden, fungieren sie für ihn als eine Art Mahnmal und wichtiges Symbol, weil auch sie Teil der Geschichte sind, mit der umgegangen werden muss. Dort, wo sie schon abgebaut sind, bleibt nur eine Leere, nur eine Ahnung von dem, wofür auch das Pfingstfest steht.
Schneider selbst war schon als Kind fasziniert von den Jungen, die mit Peitschen knallen, durfte selbst aber immer nur als Zuschauer dem Spektakel beiwohnen, denn er war „nur“ aus dem Nachbarort. Die Energie des Festes ist der Filmstoff, aber es geht ihm um mehr als nur das sich jährlich wiederholende Ereignis. Das Fest ist die Nahtstelle von Kindheit und Erwachsenwerden, daher auch die Idee, das Ganze aus der Kinderperspektive zu erzählen. Verzauberung und Entzauberung sind der Ausgangspunkt des Films.
Sein Dialekt und seine Herkunft haben Schneider geholfen, so beeindruckend nah an die Kinder und ihre Familien heran zu kommen, ebenso die Tatsache, dass er schon zwei Filme in der Region gedreht hat, was Vertrauen bei den Protagonisten schaffte. Dass es ausschließlich Jungen sind die er ausgewählt hat, erschließt sich aus dem Brauch selbst. Die Männer lassen es knallen, die Frauen sind die „back office manager“ und basteln Kostüme.
Werner Ružička erinnert den schönen Anfang des Films, die Aufbereitung des Rituals des Peitschens, die Lust am Peitschen, die sinnliche Erzählung darin, bis zu den Fusseln, die im Gegenlicht wegstauben. Wunderschön auch das Auflösen der Form am Ende, der Schwarm der Kinder vor der Kamera, die Körper werden unordentlich, eine unglaublich schöne und gelungene Metaphysik.
Man schaut in alle vier Richtungen, der Film will mehr sein als einfach nur ein Dokumentarfilm. Der Titel „MansFeld“ wird dubioser, klarer, obskurer, je länger man den Film sieht, in der Schreibweise erlaubt er eine Verallgemeinerung, wenn dann die Musik einsetzt, drängen sich Konnotationen auf. Wildenhahn hätte gesagt: „Der Film wird symphonisch“.
Auf die Frage nach der klassischen Musik, die eingesetzt wurde, erklärt Schneider, dass die Passagen mit Musik eine andere Art der Betrachtung erlauben, eine Distanz im Gegensatz zu den intimen Bildern. Das Kindliche, die Unschuld, die Reinheit – das ist Bach. Strawinsky erfüllt für ihn eher eine rituelle Funktion, die des Festes. Der Frühling (die Kinder) treibt den Winter (die Erwachsenen) aus, das war für ihn ganz klar Strawinsky.
Brockmann empfindet den Einsatz der klassischen Musik als magisch, wundersam und entrückt, ein Zuschauer aus dem Publikum hingegen ist verärgert über die Auswahl – die Musik wird verramscht, ohne Rücksicht auf Verluste, das Fest ist doch ein Spaß. Und wo ist bei Bach das Kindliche? Unschuld ist weder Bach noch Vivaldi. Er hätte lieber zeitgenössische Musik gehört, Musik die in Verbindung mit der Gegenwart steht.
Ružička betont, dass Schneider sich mit der Musik was getraut, etwas gewagt habe; Schneider war durchaus bewusst, dass seine Auswahl riskant ist und er damit nicht nur auf Gegenliebe stoßen wird. Für ihn liegt es aber genauso nahe, alte und religiös motivierte Musik zu benutzen, um die Geschichte eines Brauchs zu erzählen, die sich über Jahrhunderte zieht und in der es auch um Glauben, Gott und Religion geht. Und weil die Kinder in der Schule nicht nur Weltanschauung lernen, sondern auch Mathematik, ist Bach mit seiner mathematischen Art und Weise Musik zu machen in seinem Film an der richtigen Stelle.
Auf Brockmann wirkt nicht nur das Pfingstfest wie ein Ritual, sondern auch der Alltag der Kinder wie eine Summe von Ritualen (Schule, Schlachtung, Zeugnis vorlesen), Dinge, die man sich von und bei den Erwachsenen abschaut und nachahmt, Dinge, die zum älter werden dazu gehören, und beim Fest kippt das dann.
Schneider schätzt sich glücklich, dass sich alle Bilder so gefügt haben. Das Schweine schlachten ist eine der Schlüsselszenen im Film. Es war und ist kein traumatisches Erlebnis, sondern ein normaler Vorgang, der heute so gut wie aus dem Alltag verschwunden ist, und zudem eine Reise in die eigene Kindheit, des eigenen Erwachsenwerdens.
Dieses Prinzip der Verzauberung und Entzauberung kehrt sich später im Film um, die Erwachsenen suhlen sich im Schlamm und spielen wieder wie Kinder.
Die Schlammschlacht ist für Schneider der filmische Höhepunkt, festgehalten von den beiden besten Kameraleuten Ostdeutschlands, wirft Ružička ein, damit der Dreh auf sicheren Beinen steht, so Schneider, denn das Pfingstfest passiert nur einmal im Jahr und ist mehr als Fasching: da wird die Sau rausgelassen, die Männer sind wie in Trance, trinken Schlamm. Die Sequenz ist genial geschnitten, bemerkt Ružička, das Neue steht auf dem Alten, diese Symbolik und die barocke Musik dazu sind einfach grossartig.
Die Interviewszenen waren ein weiterer Grund zur Diskussion. Es sind wenige, aber man hätte darauf verzichten können und sogar sollen, so eine Stimme aus dem Publikum. Auch darüber habe er natürlich nachgedacht, sagt Schneider, aber er hat sich so entschieden, weil es bei Kindern schwierig ist, die Assoziationshöhe zu erreichen, die die Themen füllt. Man braucht Anhaltspunkte, und da er das Material ohne weiteres nicht bekommen hat, ist ein Gespräch mit den Kindern daraus geworden. Ihm war das aber wichtig für den Film und seine höhere Vision, deshalb hat er das Prinzip an diesen Stellen verletzen müssen und wollen. Offen in der Diskussion blieb am Ende die Begrifflichkeit dieser Vision zu klären.
Insgesamt ist man sich einig: ein toller Film. Das Publikum lobt ihn für seinen klugen Blick, die konsequente Perspektive und den sensiblen filmischen Umgang mit den Kindern und ihren Familien, für seine Einladung zur Reflexion: Wann hört man überhaupt auf, Kind zu sein?
Jeder Ort hat einen Brauch, überall passieren skurrile Dinge, die man nicht versteht, nur werden sie in kleinen Orten noch mehr gelebt, so Brockmann. Und der Kontrollverlust liegt in der Natur der Sache, ergänzt Schneider. Wenn man das Spiel annimmt, passieren bizarre Sachen, an einem Punkt wo etwas anderes als Alkohol wirkt.