Synopse
Regenzeit in Belutschistan, Südost-Iran. Eine Zisterne ist vollgelaufen, darin: ein Krokodil. Zwei iranische Wildhüter versuchen mit ganzem Einsatz und mit Hilfe eines Teppichs, eines Netzes und eines Seils, das verirrte Tier zu befreien. Das Krokodil faucht und kämpft.
Protokoll
Houchang Allahyari macht schon seit 30 Jahren Filme, er hat sich immer als Erzähler verstanden, die Hinwendung zur Dokumentation ist neu, „Das persische Krokodil“ sein erster Dokumentarfilm.
Ein Film, der als solcher nicht geplant war, sondern aus einem Zufall heraus entstanden ist. Allahyari ist seit drei Jahren immer wieder für einen Spielfilm im Iran unterwegs. Eine dieser Reisen, weg von der Politik, weg von der Stadt, führte ihn in das Grenzgebiet von Pakistan und Afghanistan, ins einsame Hinterland Irans, wo man noch Krokodile mit Decken und Schnüren aus Zisternen rettet.
Der Zufall auf genau solch eine Situation zu stoßen hat ihm so viel Material geliefert, dass er ein Drehbuch schrieb und ein Film daraus geworden ist.
Wulff weist an dieser Stelle auf den narrativen Einstieg hin, den Regen, das Hochwasser, die badenden Kinder, die Männer der Umweltbehörde, die schließlich zum Krokodilbecken führen – ein Vorbau, der nicht nur von seiner dramatischen Überlegung als Spielfilmregisseur kommt, sondern auch notwendig war, um klarzustellen worum es geht und den Zuschauer einzuführen, so Allahyari – bis zu den Unterwasseraufnahmen am Ende, die Wulff dann doch überrascht haben.
Der Film spiegelt nicht nur das Risiko ein Krokodil zu bergen wider, sondern gleichzeitig auch das Risiko, überhaupt in dieser Gegend einen Film zu machen.
Die Gefahr der Region wird aber vom Publikum nicht gespürt, und das soll auch so sein, weil die Konzentration auf dem Tier liegt. In dem geplanten Spielfilm wird es um die Grenzregion gehen, um die Problematik von Grenze und Gefahr – hier geht es nur um Mensch und Tier.
Dass es Filmemacher im Iran nicht leicht haben, ist nicht unbekannt. Auch dieses Material wäre ohne Hilfe, Freundschaften, Kontakte und Geduld nie zustande gekommen. So ist der Film selbst wie eine Art Abfallprodukt, eine Schmuggelware aus Zusatzmaterial, wie Wulff es nennt.
Allahyari sagt, dass er es immerhin leichter als seine Kollegen hat, weil er nicht im Iran lebt, er ist Ausländer dort, aber auch für ihn ist es riskant, einen Film komplett ohne Erlaubnis zu drehen. Er ist illegal vorgegangen, die staatlichen Papiere des Co-Autoren Maziyar nutzend, um sich in der Gegend zu bewegen – und Luftaufnahmen, die in einem militärischen Sperrgebiet eigentlich unmöglich sind, kann man auch nur machen, wenn man auch wieder durch Zufall mal beim Roten Kreuz war.
Ebenso riskant und ebenso glücklich wie der Dreh ist das Unterfangen der beiden Kollegen der Umweltbehörde, ein Krokodil aus der Zisterne zu retten.
Ein Krokodil das eigentlich zwei Krokodile waren, wie der Regisseur verblüffenderweise erklärt, der sich gleichzeitig eher nicht als Regisseur verstanden wissen möchte, denn eigentlich habe das Krokodil die Regie geführt.
Die Wirklichkeit war also noch gefährlicher als das Bild und man fragt sich, warum gerade diese noch spektakulärere Wirklichkeit manipuliert wurde?
Allahyari hat lange versucht mit beiden Krokodilen zu arbeiten um es realistisch zu gestalten, im Schnitt habe sich allerdings gezeigt, dass die Geschichte mit zwei Krokodilen so nicht funktioniert hätte, das Material nicht gepasst hat, weder im Schnitt noch in der Dramaturgie; die Geschichte wäre weniger spannend gewesen und hätte nicht das Gleiche geleistet. Er wollte sich auf die Konfrontation Mensch – Tier konzentrieren, und das wäre sonst nicht gelungen.
Das Tier macht einen sanfteren Eindruck als erwartet, in der Gegend ist man davon überzeugt, dass Krokodile keine Menschen fressen, man hat keine Angst, aber Respekt, und man kennt seine Grenzen, dennoch ist solch ein Dreh natürlich gefährlich.
Wulff bemerkt, dass es durchaus ungewöhnlich ist, dass sein Co-Autor freiwillig in ein Becken mit zwei Krokodilen steigt und sich gar auf das Krokodil setzt; Allahyari erwidert, dass das keine Regieanweisung seinerseits war, Maziyar ist auch Filmemacher und arbeitet schon seit Längerem mit Krokodilen, seine Bilder im Pool sind der Luxus des Films.
Das gesamte Material existiert auch als Totale, aus Einstellungen wie sie ursprünglich geplant waren, die Allahyari aber am Ende nicht verwendet hat, weil sie viel zu weit weg vom Geschehen sind. Seinem unerschrockenen und forschen Kollegen hat der Film auch die Unterwasseraufnahmen am Ende zu verdanken, gedreht in einem Teich mit dem zweiten Krokodil, das Maziyar für seine eigenen Dokumentarfilmzwecke benutzt.
Das Publikum würdigt an dieser Stelle die Leistung der Dokumentation, weil man etwas lernt, bemängelt allerdings den Fernsehmodus am Ende. Wozu die erklärenden Einblendungen? Allahyari wollte keinen Film fürs Fernsehen machen, aber er wollte diese Informationen geben, weil es für ihn wichtig ist Traditionen im Iran widerzuspiegeln und dass Mensch und Tier dort nebeneinander leben. Krokodile bringen Glück; wenn das Krokodil geht, geht auch das Wasser. Alte iranische Weisheit.
Trotz aller Gefahr, der die Männer ausgesetzt sind, funktioniert der Film als Komödie, ein komödiantisches Bodymovie, wie Wulff es formuliert. Es wurde viel gelacht in der Vorführung, die Situation ist aber auch zu absurd, die Art und Weise des Krokodilfangs absolut haarsträubend, die Abschlussuntersuchung des Krokodils ein Witz, und das nicht enden wollende Zubinden des Mauls mit Tape grotesk, dennoch, betont Allahyari, ist es den beiden Hauptprotagonisten sehr wichtig, nicht ausgelacht, sondern als Naturschützer verstanden zu werden.
Wulff erinnern die beiden an Dick & Doof, der eine erklärt dem anderen ständig wie es funktioniert, in der Dramaturgie wiederholt sich ständig alles. Eine Dame aus dem Publikum findet dagegen, dass ein Vergleich mit Bud Spencer und Terence Hill zutreffender wäre, denn immerhin gelingt am Ende die Mission. Die beiden Umweltschützer sind ihrer Meinung nach Helden, die letzten Männer. Die Methode ist langwierig und mühsam, die Aktion hat insgesamt 6-8 Stunden gedauert, aber sie gelingt.
Wulff bemerkt, dass Tiere in Dokumentarfilmen eine lange Tradition haben. Allahyari ist kein Tierfilmer, sein Blick auf das Krokodil verändert sich im Laufe des Films. Zu Anfang steigt das Monster aus den Fluten, in dem Moment, als die Kamera ins Becken steigt begegnet man dem Tier plötzlich auf Augenhöhe, ein schockartiger Moment, weil man Distanz erwartet, und wenn es zuletzt aus dem Becken gehoben wird, hat es nichts mehr von einem archaischen Monster, was für Wulff ein wichtiges Bild ist: das Krokodil als das hilflose Geschöpf, sein letzter Widerstand ist der sich nicht strecken wollende Fuß beim Vermessen. Das anfängliche Mitleid mit den Naturschützern ob ihrer lebensbedrohlichen Aufgabe wird zu einem Mitleid mit dem Krokodil. Allahyari bestätigt, dass es genauso beabsichtigt war, er wollte eine Identifikation mit dem Krokodil erreichen, das war sein dramatisches Anliegen, und das ist ihm durchaus gelungen. Das Krokodil wird weder vermenschlicht noch dämonisiert, das Tier ist als Metapher nicht aufgeladen, ist kein Monster mehr, was eine „super Leistung“ ist, resümiert Wulff die Diskussion.