Film

Am Ende Aller Tage
von Irina Heckmann
DE 2012 | 32 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 36
08.11.2012

Diskussion
Podium: Irina Heckmann
Moderation: Constantin Wulff
Protokoll: Judith Funke

Synopse

Es ist Abend, der Übergang vom Tag zur Nacht. In diesem Zwischenzustand kann man Keyboard spielen oder Game Boy. Es folgen die abendlichen Rituale vor dem zu Bett gehen: Zähne putzen, Gesichtspflege, Lesen. Dann zudecken, das Licht wird gelöscht. Alle schlafen: Hast Du Angst in der Nacht? Wovon träumst Du? 

Protokoll

Abendrituale stehen im Zentrum dieses Films, zum Ende des Festivaltages kehrt Ruhe ein. Irina Heckmann wollte die kleinen, die einfachen Dinge des Lebens festhalten, mit denen wir so viel Zeit verbringen, und an die wir uns doch fast nie erinnern. Den Alltag aufzuzeichnen, so dass er im Gedächtnis bleibt – ein „filmisches Abenteuer“ (Wulff), dominiert von Groß- und Detailaufnahmen, die extrem nah an die Protagonisten herangehen.

Nach einem passenden Titel für ihren Film hat Heckmann lange gesucht, erzählt sie, bis man ihr schließlich geholfen habe. Über das Ergebnis ist sie sehr froh: „Am Ende aller Tage“ verrate nicht zuviel, trotzdem steckt ihre Absicht mit drin. Auch Wulff kann dem Titel viel abgewinnen: Neben der konkreten Dimension („was man am Abend halt so macht“) trage er auch eine biblische Metaphorik in sich, handele vom Ende der Menschheit und vom Ende der Zeit. Beides lässt sich für ihn in Heckmanns Bilder hineinlesen. Und auch in der Auswahl der Protagonisten deutet sich etwas Größeres an: Drei Generationen sind vertreten, Kinder, Erwachsene und eine alte Frau, auch das Lebensende schwingt als Thema mit. „Die Nacht ist ja auch wie ein kleiner Tod“, findet Heckmann.

Das Personal ihres Films hat die Regisseurin aus ihrem engsten Familien- und Freundeskreis rekrutiert: der Papa, die Oma, der Cousin, die Neffen, ihre Freundin und deren Töchter werden von ihren abendlichen Ritualen über den Schlaf bis hin zum jähen Aufwachen am Morgen begleitet. Die behutsam ausgeleuchteten Schlafszenen machen dabei eine besondere Qualität des Films aus, solche Aufnahmen bekommt man im Dokumentarfilm nur selten zu sehen. Diese Szenen hat Heckmann nur einmal gedreht, erläutert sie, wenn sich jemand umgedreht habe, war das Bild eben vorbei. Zwischen 20 und 30 Minuten hat sie jeweils aufgenommen, nur bei der Großmutter blieb sie kürzer im Raum, „Oma tat mir irgendwie leid“.

Über die Tonebene wird auch die Welt der Träume eingebunden: Die Protagonisten sprechen über den Schlaf, vom Träumen und nicht Träumen, vom Einschlafen und der Angst, nicht wieder aufzuwachen. Mit dem Stichwort Angst in diesen Komplex einzusteigen war eine rein intuitive Entscheidung Heckmanns, sie habe die Interviews nicht gezielt auf dieses Thema hin geführt, sondern einfach nur Fragen gestellt und gute Antworten bekommen.

Dagegen stand die dreiteilige Struktur des Films – Vorbereitungen, Schlaf, Aufwachen – für Heckmann tatsächlich von Anfang an fest, dass dieses Prinzip so aufgegangen ist, darüber wundert sie sich selbst.

Peter Ott hat über die Detailaufnahmen von Augen, Händen und Körperteilen nachgedacht, die viel Raum im Film einnehmen. Seine Vermutung: Es könnte darum gehen, die Gesten von der Person abzulösen. Allerdings bricht die Szene mit dem Vater und seinen Töchtern beim Zähneputzen, in der es eher um Disziplinierung geht, aus diesem Prinzip aus.

Dass die Szene nicht in den Film passt, war Heckmann gar nicht aufgefallen, meint sie entschuldigend. Ihr ging es darum, herausarbeiten, wie eigentlich gleiche Tätigkeiten in den beiden Familien auf eine jeweils ganz einzigartige Weise vollzogen werden; im direkten Vergleich sollten die Unterschiede sichtbar werden.

Heckmanns Kamera fokussiert die Dinge, ist aber dennoch offen, das Unerwartete geschehen zu lassen, so Wulff. Heckmann führt aus: Sie versuche, sich auf die Personen einzulassen, mit ihnen mitzugehen, „das wackelt dann eben manchmal.“ Gelingt ihr aber sehr gut, lobt Wulff abschließend. Und nachdem auch das letzte Geheimnis des Abends gelüftet ist – das Rätsel der jaulenden Kassette – entlässt er das ermattende Publikum in die Nacht.